Die Autorinnen der Studie aus dem DGE-Ernährungsbericht über die Nachhaltigkeit von Speisenproduktionssystemen beantworten uns häufige Fragen dazu.
Quelle: B&L MedienGesellschaft/Midjourney

FAQ zur Studie über die Nachhaltigkeit der vier Speisenproduktionssysteme

Im Rahmen des 15. DGEErnährungsberichts wurden die vier gängigen Systeme der Speisenproduktion Cook & Serve, Cook & Hold, Cook & Chill sowie Cook & Freeze auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht. Die drei Autorinnen der Studie, Linda Chalupová, vom Fachbereich Oecotrophologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften der Hochschule Fulda, sowie Mareike Täger und Silke Thiele, beide vom ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V. Kiel, haben der Redaktion GVMANAGER im Folgenden

  • häufige Fragen zu der Studie beantwortet,
  • auf den ersten Blick überraschende Ergebnisse erläutert,
  • über ihre persönlichen Aha-Erlebnisse gesprochen,
  • eingeordnet, wie die Studie zur Entscheidungsfindung pro/contra Speisenproduktionssytem beitragen kann
  • und einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf gegeben.

Nachgefragt bei: Linda Chalupová, Mareike Täger und Silke Thiele (v. l.)

Was war Ihr persönlicher Aha-Effekt bei dieser Studie?

Linda Chalupová: Zum einen ist es uns gelungen, einen Weg herauszuarbeiten, solche Systeme bewerten und miteinander vergleichen zu können. Das war ein wichtiger Schritt, um mehr Transparenz und Klarheit in diesen komplexen Bereich zu bringen.
Bestätigt hat sich auch die enorme Komplexität des Themas und leider der Umstand, dass wir nach wie vor wenig Daten im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung haben. Persönlich finde ich es sehr schade, dass wir über Cook & Freeze so wenig Daten sammeln konnten.
Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie groß die Relevanz dieses Themas für die Praxis ist. Gerade in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und bei strategischen Entscheidungen in der GV spielt die fundierte Bewertung solcher Systeme eine immer wichtigere Rolle.

Silke Thiele: Die Ergebnisse haben uns in einigen Punkten überrascht. Wir hatten z. B. nicht erwartet, dass Cook & Hold beim Energieverbrauch so gut abschneidet, sondern waren davon ausgegangen, dass das aktive Warmhalten der Speisen energieintensiver ist. Tatsächlich hat sich aber gezeigt, dass das aktive Warmhalten nur einen geringen Anteil am gesamten Energieverbrauch hat.
Darüber hinaus schnitt Cook & Hold bei den Nährstoffverlusten am zweitbesten ab. Hier hatten wir eigentlich bessere Ergebnisse für Cook & Chill erwartet. Insbesondere wenn kurze Warmhaltezeiten eingehalten werden, verursacht Cook & Hold vergleichsweise geringe Nährstoffverluste. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Studien zu den Nährstoffverlusten relativ alt sind. Auch hier waren wir überrascht, wie wenig in den letzten Jahren auf diesem Gebiet geforscht wurde.
Insgesamt haben die Ergebnisse gezeigt, wie komplex und vielschichtig die Zusammenhänge bei den Speisenproduktionssystemen sind – und dass dabei durchaus unerwartete Erkenntnisse zu Tage treten können.

War es nicht zu erwarten, dass Cook & Serve sowie Cook & Hold in puncto Nachhaltigkeit in der Studie deutlich besser abschneiden als die zeitlich entkoppelten Produktionssysteme – alleine aufgrund des Energiebedarfs?

Mareike Täger: Bei der Nachhaltigkeitsbewertung haben wir nicht nur Umweltfaktoren wie den Energiebedarf berücksichtigt, sondern auch die Dimensionen Gesundheit, Soziales und Kosten betrachtet. Durch diesen ganzheitlichen Ansatz war zunächst nicht klar, welches System am besten abschneiden würde, da Vorteile in einer Dimension, z. B. der Umweltdimension, mit Nachteilen in anderen Dimensionen wie Gesundheit oder Kosten verbunden sein können.
Beim Energiebedarf hatten wir zwar erwartet, dass die zeitlich entkoppelten Systeme wie Cook & Chill oder Cook & Freeze höhere Verbräuche aufweisen würden. Eine Überraschung gab es jedoch beim Transport: Cook & Freeze schnitt trotz längerer Transportwege aufgrund der selteneren Lieferzyklen recht gut ab.
Insgesamt zeigt sich, dass die Nachhaltigkeitsbewertung ein komplexes Thema ist, bei dem es auf das Zusammenspiel der verschiedenen Dimensionen ankommt.

Ein überraschendes Teilergebnis: Bei Verwendung erneuerbarer Energieträger wie Wasser- oder Windkraft wies Cook & Freeze die zweitniedrigsten THGE pro Mahlzeit auf – wie das?

Treibhausgasemissionen der Produktionssysteme bei Verwendung unterschiedlicher Stromquellen

Täger: Wir haben die THGE betrachtet, die durch den Strom-, Wasser- und Kraftstoffverbrauch von der Warenannahme bis zur Essensausgabe entstehen, ohne dabei die THGE der Lebensmittel einzubeziehen. Der größte Anteil der THGE resultierte dabei aus dem Stromverbrauch, während die THGE aus dem Kraftstoffverbrauch kaum ins Gewicht fielen.

Da bei Cook & Freeze der Stromverbrauch am höchsten ausfiel, waren hier auch die THGE am höchsten, wenn der durchschnittliche deutsche Strommix zugrunde gelegt wird.
Allerdings können besonders stromintensive Systeme wie Cook & Freeze erheblich von einer Umstellung auf erneuerbare Energien profitieren. Mit der Nutzung emissionsarmer Stromquellen wie Wasserkraft oder Windenergie lassen sich die THGE aus Stromverbrauch nahezu vollständig vermeiden. Die verbleibenden THGE stammen dann primär aus dem Kraftstoffverbrauch der Transportprozesse.
Hier zeigt sich ein Vorteil von Cook & Freeze: Durch die seltenen Auslieferungszyklen kann der Transport effizienter gestaltet werden als beispielsweise bei Cook & Hold, wo häufigere Fahrten notwendig sind. In einem Szenario mit emissionsarmen Stromquellen schneidet Cook & Freeze daher besser ab.

Warum ist Cook & Hold energieeffizienter als Cook & Serve?

Thiele: In der Regel versorgen Zentralküchen, die nach dem Cook & Hold-Verfahren arbeiten, mehrere Standorte, z. B. mehrere Schulen. Daher haben wir für Cook & Hold eine größere Produktionsmenge angenommen als für Cook & Serve, bei dem typischerweise nur ein einzelner Standort direkt vor Ort versorgt wird. Dank der Größenvorteile schnitt Cook & Hold in unseren Berechnungen besser ab, da die Küche bei der Herstellung der Speisen effizienter ausgelastet werden konnte.
Der zusätzliche Prozessschritt des Warmhaltens verbrauchte im Vergleich dazu nur sehr wenig Energie, wodurch Cook & Hold in der Gesamtbetrachtung energieeffizienter abschnitt.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Ergebnisse von den Produktionsmengen abhängen: Bei gleicher Produktionsmenge könnte auch Cook & Serve unter Umständen energieeffizienter sein.

Wie kann Ihre Studie einer Großküche bei der Entscheidungsfindung in puncto Speisenproduktionssystem helfen?

Chalupová: Die Studie zeigt deutlich, dass es nicht das eine, pauschal nachhaltigste System gibt. Entscheider können aus den Ergebnissen ableiten, welche Nachhaltigkeitsdimensionen und -aspekte in den einzelnen Speiseproduktionssystemen besser abschneiden. Dadurch lassen sich individuelle Prioritäten gezielt berücksichtigen.

Eine aussagekräftige Nutzwertanalyse muss jedoch immer die spezifischen Rahmenbedingungen einbeziehen. In Kombination mit den Erkenntnissen aus der Studie kann dies Entscheidern helfen, für ihren konkreten Anwendungsfall die optimale Lösung zu finden.

Inwiefern könnte im Einzelfall auch ein entkoppeltes System zur Speisenproduktion die Nase vorne haben?

Täger: Welches System im Einzelfall besonders vorteilhaft ist, hängt einerseits von den Gegebenheiten vor Ort und andererseits von den individuell gesetzten Prioritäten ab.
Verfügt eine Einrichtung beispielsweise über eine eigene Photovoltaikanlage, könnte der Energieverbrauch als Indikator weniger ins Gewicht fallen, sodass auch stromintensivere Systeme wie Cook & Chill oder Cook & Freeze interessant sein können.
Wer hingegen nur über begrenzte Flächen vor Ort verfügt, für den könnte ein entkoppeltes System die bessere Wahl sein, da ein Cook & Serve-System möglicherweise nicht realisierbar ist. Daher ist es wichtig, nicht nur die Nachhaltigkeitsindikatoren, sondern auch die praktische Umsetzbarkeit vor Ort sorgfältig zu prüfen.

Was waren die größten Herausforderungen und Limitationen?

Thiele: Herausfordernd war es, die Modellierungsannahmen in unserer Studie festzulegen, da diese das Ergebnis beeinflussen können. Wir haben versucht, möglichst realistische praxisnahe Annahmen zu treffen, was nicht immer einfach war.
Diese Herausforderung steht im Zusammenhang mit mehreren Limitationen.

  • Beispielsweise lässt die konstant gehaltene Anzahl an Mahlzeiten Skaleneffekte unberücksichtigt.
  • Zudem konnten spezifische lokale Rahmenbedingungen, wie räumliche Gegebenheiten oder der Fachkräftemangel, nicht vollständig abgebildet werden.
  • Hinzu kommt die begrenzte Datenbasis, insbesondere zu technischen Details großindustrieller Systeme, die die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt.

Sind ergänzende Studien geplant, z. B. zur Ermittlung der unvollständigen Kosten?

Chalupová: Weiterführende Studien würden auf jeden Fall Sinn machen, um die Datenbasis zu erweitern und die Bewertungsmatrix weiter zu individualisieren, damit spezifische Rahmenbedingungen besser berücksichtigt werden können. Außerdem wäre es besonders wertvoll, sich mit der Optimierung der Speisenproduktionssysteme zu beschäftigen.
Die aktuelle Studie hat eine fundierte Bewertung ermöglicht, aber ein Fokus auf die Verbesserung der Nachhaltigkeitsperformance der einzelnen Systeme würde die Praxis noch gezielter voranbringen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Über die Studie

Im November ist der 15. DGE-Ernährungsbericht erschienen, der inhaltlich einen großen Fokus auf die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) und Nachhaltigkeit legt. Besonders interessant für die Gemeinschaftsgastronomie ist Kapitel 14, das sich der „Analyse und Bewertung gängiger Speisenproduktionssysteme in der Gemeinschaftsverpflegung hinsichtlich einer nachhaltigen Produktionsweise“ widmet. Auf 62 Seiten fassen hier Linda Chalupová, vom Fachbereich Oecotrophologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften der Hochschule Fulda sowie Mareike Täger und Silke Thiele, beide vom ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V. die Ergebnisse ihrer Studie zusammen.

Noch mehr Details…

… finden Sie auch in unserem Onlinebeitrag „DGE-Ernährungsbericht: Studie zur Nachhaltigkeit von Speisenproduktionssystemen“.
Neben einem Überblick der wichtigsten Ergebnisse erläutern die Autorinnen unter anderem die Methodik:

  • In die Studie fließen 20 Nachhaltigkeits-Indikatoren ein, vom Nährstoffverlust über Energieverbrauch und Lebensmittelabfälle bis hin zu Arbeitssicherheit. Sie mussten quasi „Äpfel“ mit „Birnen“ vergleichbar machen – wie ist diese Vergleichbarkeit gelungen?
  • Tierwohl und Regionalität – gängige Nachhaltigkeitsindikatoren – wurden in der Studie ausgeklammert, warum?
  • Auch das Alter der Gerätetechnik und die Betriebsgröße können die Nachhaltigkeit beeinflussen. Wie wurde das berücksichtigt?
  • Was ist, wenn sich in Folgestudien andere Ergebnisse herausstellen, z. B. in puncto Energieverbrauch?

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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