Das Flussbett Hotel von außen.
Quelle: Hotel Flussbett

Beständige Belegschaft

Das Flussbett Hotel in Gütersloh ist ein kleines Inklusionshotel mit 24 Zimmern, das seit 15 Jahren im Verbund der Embrace Hotels Mitglied ist. Von den 24 Mitarbeitern haben 40 Prozent einen Schwerbehindertenausweis, das entspricht zehn Mitarbeitern. Hoteldirektorin Dietlind Maaß und Küchenmeister Martin Jacoby berichten aus ihrem Alltag und erzählen, welche Möglichkeiten und Chancen in der Inklusionsarbeit liegen. Ein besonderer Mehrwert: Die Belegschaft ist treu, zuverlässig und engagiert.

Wie sind Sie beide zur Inklusionsarbeit gekommen?

Martin Jacoby: Seit 2016 arbeite ich schon im Flussbett Hotel. Es war eher ein Zufall, da die Stelle gerade frei war. Aber durch meinen autistischen Neffen hatte ich bereits Erfahrung im Umgang mit beeinträchtigten Personen. Mit dem Jungen kam ich sehr gut klar, also war ich auch offen für die Arbeit im Inklusionsbetrieb. Wenn meine Mitarbeiter Lernerfolge erzielen, macht mich das sehr stolz. Das ist ein sozialer Mehrwert, den ich in anderen Betrieben so nicht erlebt habe.

Dietlind Maaß: Auch für mich war der soziale Mehrwert entscheidend – und eine gewisse Trotzreaktion: Ich wollte zeigen, dass Menschen mit Handicap selbstverständlich gute Gastgeber und tolle Köche sind, warum auch nicht. Man muss nicht gut rechnen, hören oder sich Dinge merken können, um ein Dessert zu kreieren, bei dem der Gast dahinschmilzt.
Als ich vor sieben Jahren erstmals in einem Inklusionshotel in Münster arbeitete, habe ich gleich gemerkt: Das ist genau meins. Es geht um Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Teilhabe. Die Hotellerie ist von jeher divers – da arbeiten Männer, Frauen, verschiedene Nationalitäten, Sexualitäten und Glaubensrichtungen zusammen. Warum nicht auch Menschen mit Behinderung?

Dietlind Maaß ist Hoteldirektorin im Flussbett Hotel Gütersloh.
Dietlind Maaß, Hoteldirektorin (Quelle: Wolfgang Sauer)

„Natürlich können Menschen mit Handicap gute Gastgeber sein – warum denn auch nicht?“

Dietlind Maaß

Welche Einschränkungen haben die Menschen, die bei Ihnen arbeiten?

Dietlind Maaß: Das ist unterschiedlich. Wir haben Kollegen mit kognitiven Einschränkungen, sogenannten Lernbehinderungen. Wir haben aber auch Kollegen mit psychischer Erkrankung, mit einer Seheinschränkung oder sonstigen körperlichen Behinderung.

Was müssen Menschen mit Beeinträchtigung mitbringen, um bei Ihnen arbeiten zu können?

Martin Jacoby: Man muss Bock auf die Arbeit haben, gerade in der Gastronomie. Die Arbeitszeiten sagen nicht jedem zu. Aber gerade Menschen mit einem Handicap sind im Leben oft hintenangestanden. Wenn sie nun erleben, dass sie vorne dabei sein können und aufrichtige Anerkennung ernten, dann profitieren alle Beteiligten.

Dietlind Maaß: Da stimme ich zu. Motivation ist das Einzige, was wir nicht beibringen können. Die Mitarbeiter müssen einen gewissen Eigenantrieb und auch Selbstständigkeit mitbringen.

Wo setzen Sie die Menschen mit Handicap ein?

Martin Jacoby: Überall. Was ein Küchenprofi in einem anderen Betrieb macht, das geht bei uns auch. Unsere Mitarbeiter mit Schwerbehindertenausweis können auf allen Küchenpositionen angelernt werden. Wir haben eine gediegene Landhausküche, arbeiten mit regionalen Produkten vom Kiebitzhof – das ist unser inklusiver Schwesterbetrieb. Unsere Inklusionsmitarbeiter machen Fladenbrote, Eis, Nudelteig – sie lernen das gerne und freuen sich über die Erfolge.

Martin Jacoby ist Küchenmeister im Flussbett Hotel.
Martin Jacoby, Küchenmeister (Quelle: Wolfgang Sauer)

„Die Inklusionsarbeiter können bei mir in der Küche alles machen – von Fleisch braten über Nudelteig anrühren bis hin zum Herstellen von Speiseeis oder Fladenbroten.“

Martin Jacoby

Müssen Sie die Arbeit dann beaufsichtigen?

Martin Jacoby: Nein, gar nicht. Wir haben eine Mitarbeiterin, die länger im Betrieb ist als ich und das Fleisch perfekt brät. Auch komplexe Arbeitsschritte sind kein Problem.

Sie sortieren dann nicht nach Art der Behinderung und dem passenden Arbeitsbereich?

Martin Jacoby: Wir können doch nicht zu unseren Mitarbeitern sagen: Stell dich in die Spülküche und das wars für dich. Damit macht man die Menschen ja behinderter, als sie sind! Bei uns kann auch jemand mit Sehschwäche in der Küche arbeiten – dann wird eben der Arbeitsplatz ein bisschen erhöht. Zeit spielt auch keine Rolle, die Mitarbeiter wählen ihr Tempo.

Funktioniert das gut im Betriebsablauf?

Martin Jacoby: Auf jeden Fall.

Dietlind Maaß: Natürlich gibt es auch Behinderungen, die ein Mitwirken in der Küche sehr schwierig machen – einen Rollstuhlfahrer kann ich mir nur schwer dort vorstellen. Aber egal ob Küche, Housekeeping oder Rezeption: Wenn man Bock auf den Job hat, dann finden wir gemeinsam einen Weg. Es gibt da kleine Tricks und Kniffe – eben das Höherlegen des Arbeitsplatzes. Oder man legt eine Fotodokumentation an, anstatt die Rezepte auszuformulieren.

Wie rekrutieren Sie neues Personal?

Dietlind Maaß: Viele Kollegen kommen von Förderschulen. Bei ihnen ist klar, dass sie keinen regulären Schulabschluss schaffen. Über das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ kommen sie zwei Tage pro Woche zu uns, an den anderen drei Tagen haben sie Schule. Sie machen dann eine theoriereduzierte Helferausbildung. Oft schließen sie später eine Vollausbildung als Koch oder Restaurantfachmann daran an.

Martin Jacoby: Einige junge Leute sammeln bereits daheim Kocherfahrung und kommen in dem Wissen zu uns, dass sie Talent haben.

Wurde das Flussbett Hotel von Beginn an als Inklusionshotel gestaltet – barrierefrei und mit taktiler Schrift?

Dietlind Maaß: Als Embrace-Hotel sind wir selbstverständlich barrierefrei und dafür zertifiziert. Wir bauen den Arbeitsplatz aber nicht um unsere Mitarbeiter herum – wir sind schließlich keine Werkstätte. Wir haben einen Job, der erledigt werden muss und suchen das Talent, das ihn ausfüllt. Im Fahrstuhl gibt es taktile Schrift. Darüber hinaus aber nichts – wir haben z. B. keine Kollegen mit Hörbehinderung und deswegen auch in diesem Bereich keine besondere Ausstattung. Für unsere Gäste und Mitarbeiter sind wir ansonsten ein Hotel wie jedes andere auch. Haltegriffe an den Fluren wie in Altenheimen oder Krankenhäusern gibt es bei uns nicht. Eine Kollegin im Service hat eine starke Sehbehinderung – sie hat eine Lupe mit einer besonders starken Lampe bekommen, um besser lesen zu können. Solche kleinen, personenbezogenen Hilfsmittel helfen schon viel.   

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit?

Dietlind Maaß: Nachhaltigkeit meint den Dreiklang aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Betriebsgestaltung. Sozial arbeiten wir sowieso, aber auch ökologisch durch den Bezug von Bio-Zutaten vom Kiebitzhof, unserem Träger. Ökonomisch wird das alles auch dadurch, dass Nachhaltigkeit im Trend liegt und Gäste zunehmend fragen, woher die Zutaten kommen und wie es den Menschen geht, die etwas herstellen oder die eine Dienstleistung erbringen.

Sehen Sie auch in nicht-inklusiven Betrieben Chancen zum Einbezug von Menschen mit Handicap?

Dietlind Maaß: Ich denke, die Kollegen aus Hotellerie und Gastronomie werden sich allein aus Personalmangel bewegen müssen. Viele Kollegen holen sich die Auszubildenden schon aus dem Ausland, dabei haben wir hier die Hände, welche die Branche so dringend braucht. Sie gewinnen loyale Mitarbeiter, die nicht ständig die Position und den Betrieb wechseln müssen, sondern beständig in ihrer vertrauten Routine bleiben. Unsere Belegschaft ist auch sehr stabil – sowohl die Inklusionsmitarbeiter, als auch die medizinisch gesunden Kollegen bleiben länger.

Vielen Dank für das Gespräch!

info

Inklusion im Kornspeicher

Im Beitrag stellen wir ein weiteres Inklusionshotel vor, das Mitglied im Verbund der Embrace-Hotels ist: Das Hotel im Kornspeicher Marburg von Hoteldirektor Rocco Pabst.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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