Hรผrden im Spa- und im Barbereich, Auffindbarkeit im Netz โ fรผr Inklusion in Hotels sind noch einige โBaustellenโ zu lรถsen. Kornelia Grundmann verrรคt ein paar Lรถsungen dazu.
Kornelia Grundmann, Sachverstรคndige fรผr barrierefreies Bauen, Buchautorin von dem Handbuch fรผr Hoteliers โLust auf Barrierefreiheitโ berรคt die internationale Bau- und Tourismusbranche mit gabana, ihrer Agentur fรผr Barrierefreiheit. Seit ihrer Diagnose Multiple Sklerose ist sie selbst Rollstuhlnutzerin. Wie Hotels in Sachen Barrierefreiheit nachrรผsten kรถnnen, erlรคutert die Architektin im Interview.
Frau Grundmann, wie hoch ist das Marktpotenzial von Barrierefreiheit in der Hotellerie?
Beginnen wir mit der Meinung von Christoph Hochfilzer, Hotelier des Hotel Hochfilzer in Ellmau, Tirol: โIch wusste, dass es eine Nachfrage nach barrierefreier Hotellerie gibt. Aber dass diese so groร ist, hรคtte ich nicht gedacht.โ 2012 stattete er zwei Zimmer luxuriรถs barrierefrei aus. Bei jedem weiteren Umbau kamen neue hinzu. Er sagt, diese Zimmer seien seine bestgebuchten.
Wer in die Zukunft investieren mรถchte, sollte die demografische Entwicklung sowie die Bedรผrfnisse der รคlter werdenden Gรคste berรผcksichtigen. Eine Befragung bei Tiroler Beherbergungsbetrieben ergab 2022, dass bereits รผber 50 % der Gรคste รผber 50 Jahre alt sind. Statistik Austria bestรคtigt, dass europaweit 120 Mio. Menschen in ihrer Mobilitรคt eingeschrรคnkt sind, von denen 70 % gesundheitlich und finanziell in der Lage sind zu reisen.
Welche Hรผrden gibt es auf dem Weg zum barrierefreien Hotel?
Hรคufig fรผhren verwirrende Begrifflichkeiten wie โbarrierearmโ, โBarriere reduziertโ oder โrollstuhlgerechtโ zu Irritation. Ebenso erschweren lรคnderspezifische Bauvorschriften den Architekten die Planung. Hรคufig klagen diese รผber mangelndes Fachwissen und Empathie, was die Bedรผrfnisse der einzelnen Nutzer betrifft.
Im Neubaubereich ist Barrierefreiheit zwar gesetzlich vorgeschrieben, doch sind es oft Details, die den Unterschied in der Beliebtheit bei den Gรคsten ausmachen.
Ein absolutes Muss fรผr Menschen mit eingeschrรคnkter Mobilitรคt oder mit Rollatoren- bzw. Rollstuhlnutzende sind niveaugleiche Zu- und Eingรคnge, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und nicht, wie teils veraltet in den Normen mit 1-2 cm als barrierefrei angegeben. Die Bรคder sollten so geplant sein, dass ein spรคteres Anbringen von Haltegriffen im Duschbereich und am WC einfach erfolgen kann und WC-Keramiken von Anbeginn an richtig positioniert, um sich ein nachtrรคgliches kostspieliges Versetzen zu ersparen.
Barrierefreie Hotelzimmer liegen idealerweise im Erdgeschoss. Ist dies nicht mรถglich, sollten sie nahe des Fluchtwegs platziert sein.
Mit einer von Anbeginn an durchdachten Planung unterscheiden sich die Kosten nicht wesentlich. Die Krux ist, etwas nachtrรคglich zu verรคndern.
Eine sinnvolle, kostengรผnstige Alternative im Bestand wรคre, das Angebot fรผr hรถrgeschรคdigte oder seheingeschrรคnkte Gรคste zu erweitern.
Was macht fรผr Sie ein barrierefreies Haus jenseits der baulichen Maรnahmen aus?
Das A und O ist die Auffindbarkeit im Netz mit aussagekrรคftigen Informationen auf der Webseite des Hotels sowie seriรถse telefonische Auskรผnfte. Betroffene Personen suchen vornehmlich ihre Unterkรผnfte im Netz und buchen gerne direkt. Durch fehlende Informationen erfordert dies leider oft tagelanges Suchen.
Neben den baulichen Maรnahmen spielen auch andere Aspekte eine entscheidende Rolle fรผr ein barrierefreies Hotel, wie die digitale Barrierefreiheit, richtige Kommunikation und kompetenter Service, weitere barrierefreie Angebote in der Regionโฆ.
Sie sind viel unterwegs. Was sind Ihre eigenen Erfahrungen als Rollstuhlnutzerin auf Reisen?
Durchschnittlich รผbernachte ich, vom hohen Norden in Deutschland bis zum Gardasee, in ca. 25 Hotels pro Jahr. Da mache ich so allerhand spannende Erfahrungen. Gute und weniger gute. Das grรถรte รrgernis ist die zeitraubende Suche nach barrierefreier Hotellerie sowie die unzureichenden Informationen, die Hotels auf ihren Webseiten anbieten und schwammige Auskรผnfte an der Rezeption.
In Groรstรคdten orientiert man sich an namhaften Hotelketten, die einen Mindeststandard bieten. Sucht man hingegen individuell oder in kleineren Stรคdten wird es problematisch. Spontane Reisen oder kurzfristige รbernachtungsmรถglichkeiten sind so gut wie unmรถglich.
Welche Maรnahmen benรถtigen diese Zielgruppen in den รถffentlichen Bereichen von Hotels?
Dies beginnt bei der Anreise. Parkplรคtze fรผr Rollstuhlnutzer mรผssen sich in der Nรคhe des Eingangs befinden, wenn mรถglich รผberdacht. Ladestationen fรผr E-Autos sollten auch fรผr sie nutzbar sein.
Grundsรคtzlich muss die Zugรคnglich- und Nutzbarkeit der Angebote fรผr alle Gรคste gewรคhrleistet sein. Das bedeutet u.a. einfache Orientierungen, kontrastreiche, stolperfreie, helle Rรคumlichkeiten. Fรผr blinde Gรคste ist in den Aufzรผgen auรer einem erhabenem Stockwerkstableau eine Sprachansage essenziell, sowie die Auffindbarkeit des Zimmers. Fรผr Hรถrbeeintrรคchtigte sind Kommunikationsstationen im Rezeptionsbereich empfehlenswert.
Welche Verbesserungen benรถtigen die Zielgruppen auf dem Zimmer?
Fรผr รผber 1,6 Mio. Rollstuhlnutzende in Deutschland bedeutet Sicherheit, dass sie sich mit dem Rollstuhl frei bewegen kรถnnen, entsprechende Haltegriffe im Badezimmer vorhanden sind, der Waschtisch unterfahrbar ist.
Etwa 41 Mio. Menschen in Deutschland sind seheingeschrรคnkt. Fรผr sie ist eine kontrastreiche Ausstattung wichtig. Blinde Gรคste benรถtigen bei Chipkarten entsprechende Markierungen. Da technische Ausstattung per Touchscreen nicht bedienbar ist, sollten Regulierungen z. B. bei Heizungen oder Klimaanlagen per Drehknopf justierbar sein. Ideal, wenn Fernsehgerรคte per Sprachansage funktionieren.
Fรผr etwa 5,4 Mio. hรถrgeschรคdigte oder taube Menschen gilt das Mehrsinne-Prinzip. Das bedeutet, wer nicht hรถren kann, muss lesen, sehen oder spรผren kรถnnen. Hier sind Blinksignale eine ideale Lรถsung.
Von welchen Bereichen im Hotel sind sie aufgrund ihrer Beeintrรคchtigungen bisher oft (weitgehend) ausgeschlossen?
Fehlende Schwimmbadeinstiege, zu enge Tรผrรถffnungen in die Sauna oder zu kleine Sanitรคranlagen in Wellnessbereichen verhindern deren Nutzung.
Unangenehm bei Empfรคngen oder im Barbereich sind die รผblichen hohen Stehtische. Ein, zwei niedrige Bistrotische wรผrden kommunikative Teilhabe fรผr alle ermรถglichen.
Welche speziellen Schulungen fรผr Hotelteams gibt es bzw. welche halten Sie fรผr sinnvoll?
Fรผr laufende Betriebe sind Sensibilisierungsschulungen fรผr den richtigen, wertschรคtzenden Umgang, auch fรผr รคltere Gรคste oder Mitarbeitende mit gesundheitlichen Einschrรคnkungen ideal. Die gabana-Akademie bietet diese online oder vor Ort jรคhrlich an.
Was sind Inklusionshotels?
Inklusionshotels sind moderne Hรคuser wie das Allgรคu Art Hotel in Kempten oder das Hotel Neues Pastorat in Heiligenhaus, wo Menschen mit (mind. 30%) und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Diese Hotels sind in der Regel durchgรคngig hindernisfrei.
Inklusionshotels nutzen die unterschiedlichen Talente von Menschen mit Behinderungen und schaffen einen Beitrag fรผr ein wertschรคtzendes Miteinander. Gerade in der aktuellen Situation des Fachkrรคftemangels eine lohnenswerte und sinnvolle Lรถsung. Diese Hotels werden vornehmlich von Sozialverbรคnden betrieben, sind aber Wirtschaftsunternehmen wie andere Hotels. Vorzeigebeispiele finden sich bei den embrace hotels.

Was raten Sie Hotels, die Personal mit Behinderungen einstellen wollen?
Mir sind einige Hotels bekannt, die bereits seit Jahren gute Erfahrungen mit Personal mit Behinderungen machen. Anfangs kann es eine gewisse Anpassungsphase geben, wie sonst auch. Wer diesen Mitarbeitenden passende barrierefreie Arbeitsbedingungen ermรถglicht und eine weltoffene, soziale Haltung hat, kann viel bewegen.
Was liegt Ihnen beim Thema Barrierefreiheit besonders am Herzen?
Dieses Thema geht weit รผber unseren Alltag hinaus und betrifft eine nachhaltige Zukunft fรผr alle Generationen. Tรคglich erfahren wir, dass wir nicht alles in der Hand haben. Das betrifft die eigene Gesundheit, das private und berufliche Umfeld, ebenso wie das geopolitische und politische Geschehen. Umso wichtiger ist es, zu รคndern, was wir รคndern kรถnnen. Und das beginnt bei Bewusstheit und Eigenverantwortung.
Vielen Dank fรผr das Gesprรคch!
Quelle: das Interview fรผhrte Verena Wagner/B&L MedienGesellschaft
Es gibt sieben Zielgruppen mit Behinderungen:
- Menschen mit Gehbehinderung
- Rollstuhlnutzer
- Menschen mit Hรถrbehinderung
- Gehรถrlose Menschen
- Menschen mit Sehbehinderung
- Blinde Menschen
- Menschen mit kognitiven Beeintrรคchtigungen
Inklusionshotel
Wie Hotels Inklusion erfolgreich umsetzen, zeigt das Flussbett Hotel in Gรผtersloh.