Welchen Beitrag leistet der Großhandel zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung?
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24 Prozent weniger Lebensmittelabfälle im Einzel- und Großhandel

Welchen Beitrag leisten Einzel- und Großhandel zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in Deutschland und damit zur Nationalen Strategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)? Im Thünen Working Paper 250 wurden nun erste Ergebnisse zum Monitoring 2023 veröffentlicht.
Basis bildet der sogenannte Pakt gegen Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel, den im Sommer 2023 14 Unternehmen unterzeichnet haben, zwei davon aus dem Zustell-Großhandel (Chefs Culinar, Transgourmet).
Damit haben sich die Unternehmen gegenüber dem BMEL freiwillig dazu verpflichtet, ihre Lebensmittelabfälle bis 2025 um 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent – gemäß der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung – zu reduzieren. Um die angestrebten Ziele zu erreichen, sieht der Pakt Pflicht- und Wahlpflichtmaßnahmen vor. Unter anderem sind Umsätze und Abschreibungen zu melden. Das Thünen-Institut wertet diese aus und veröffentlicht sie in anonymisierter und aggregierter Form. Nun liegt der erste Ergebnisbericht, bezogen auf das Berichtsjahr 2023 vor.

Ausgewählte Ergebnisse des Berichtsjahres 2023

  • In Summe konnten die beteiligten Unternehmen aus Einzel- und Großhandel 24 Prozent Lebensmittelabfälle reduzieren (nach dem Umsatz gewichtet), sind also bereits nahe am 30-Prozent-Ziel von 2025. Allerdings ist dieser Wert aus verschiedenen methodischen Gründen noch nicht als repräsentativ zu betrachten. Eine Unter- oder Überschätzung kann laut der Autoren nicht ausgeschlossen werden.
  • Die Warengruppe Brot- und Backwaren ist diejenige mit den meisten Abfällen (Abschreibungsrate 4,87 %), da viele Backwaren wie Brötchen nur einen Tag verkaufsfähig sind.
  • Platz zwei der meisten Abschreibungen belegen Obst und Gemüse (4,43 %) als besonders sensible Warengruppen.
  • Die größte Herausforderung war es, Kooperationen zur Weitergabe der nicht mehr verkaufsfähigen Lebensmittel einzugehen. Bis Mitte 2024 sollen mindestens 90 Prozent der Geschäftsstandorte der Händler eine dauerhafte Kooperation mit mindestens einer Organisation zur Weitergabe von Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr eingehen.

Abschreibungen Einzel- versus Zustell-Großhandel

„Durch die Schließung vieler Betriebe des Außer-Haus-Sektors, z. B. Restaurants und Kantinen, angesichts der COVID-19-Pandemie sank die Nachfrage im Zustell-Großhandel, was die leicht gestiegene Rate an Abschreibungen teilweise erklärt. Jedoch fallen die Abschreibungsraten im Lebensmittelgroßhandel deutlich geringer als im Lebensmitteleinzelhandel.“

Thünen Working Paper 250

Bei der Gesamt-Abschreibungsrate zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen dem eLEH, also dem erweiterten Lebensmitteleinzelhandel (Supermärkte, Discounter, Verbrauchermärkte, Drogerien, Tankstellen, Online-Handel, Getränkehandel, Wochenmärkte, Kioske, Cash&Carry-Märkte) und dem Zustell-Großhandel (LGH).
Während sich der erweiterte Lebensmitteleinzelhandel verbessern konnte, die Rate also reduzierte (von 1,76 % auf 1,54 %), stieg sie im Zustell-Großhandel geringfügig an (von 0,23 % auf 0,35 %).
„Diese Veränderungen können teilweise auf eine veränderte Nachfrage, ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, zurückgeführt werden. Durch die Schließung vieler Betriebe des Außer-Haus-Sektors, z. B. Restaurants und Kantinen, sank die Nachfrage im LGH“, begründen die Autoren des Monitorings. Auf der anderen Seite stieg auch die Nachfrage im LEH. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Abschreibungsraten im LGH deutlich geringer als im LEH ausfallen.

Wie erging es dem Großhandel in puncto weniger Lebensmittelverschwendung?

Wie ergeht es speziell dem Großhandel bei der Erfüllung der Pflicht- und Wahlpflichtmaßnahmen im Rahmen der Nationalen Strategie?

Mehr dazu hat Kathrin Caro Pulido, Leitung Nachhaltigkeit bei Transgourmet, der Redaktion GVMANAGER berichtet.

Der Großhändler Transgourmet engagiert sich schon lange gegen Lebensmittelverschwendung. Mitte 2020 wurde das Unternehmen Mitglied im Dialogforum Groß- und Einzelhandel und unterzeichnete als eines der ersten Unternehmen die sogenannte Beteiligungserklärung. Damit verpflichtete sich Transgourmet, einen Katalog mit verbindlichen und Wahlpflichtmaßnahmen zu erfüllen.

Kathrin Caro Pulido über die Maßnahmen von Transgourmet als Großhandelsunternehmen im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung
Quelle: Transgourmet

„Bei der Abgabe von nicht mehr marktgängigen oder überschüssigen Lebensmitteln an unseren Standorten und auch bei Foodsharing selbst gilt immer das Prinzip ‘Tafel first’, da wir das Ziel haben, dass möglichst viele unsere Lebensmittel sozial benachteiligten Menschen zukommen.“

Kathrin Caro Pulido, Transgourmet

Frau Pulido, als Unterzeichner der Beteiligungserklärung sind Sie verpflichtet, die Weitergabe von nicht mehr marktgängigen oder überschüssigen, aber noch verzehrfähigen Lebensmitteln zu steigern. Über welche Kanäle und Maßnahmen ist Ihnen das gelungen?

Fast alle unsere Standorte geben noch verzehrfähige Lebensmittel unentgeltlich an Organisationen ab. Neben der Abgabe an soziale Empfänger wie beispielweise die Tafel sind wir zusätzlich noch eine Kooperation mit dem Verein Foodsharing eingegangen. Die Foodsaver ergänzen die sozialen Organisationen und nehmen Lebensmittel mit, welche die Tafeln aus bestimmten Gründen nicht annehmen können. Bei der Abgabe an unseren Standorten und auch bei Foodsharing selbst gilt immer das Prinzip „Tafel first“, da wir das Ziel haben, dass möglichst viele unsere Lebensmittel sozial benachteiligten Menschen zukommen. Darüber hinaus geben wir Lebensmittel auch noch kurz nach Ablauf des MHD’s weiter, denn das MHD bedeutet nicht, dass das Lebensmittel nicht mehr genießbar und gesundheitsschädlich ist.

Sind Sie damit rechtlich abgesichert?

In der Vergangenheit bestanden hier gewisse Unsicherheiten, die durch ein Rechtsgutachten, einen Leitfaden des BMEL und interne Anpassungen der Prozesse behoben werden konnten. Durch die Ausweitung der Zusammenarbeit sowie der Abgabe kurz nach MHD ist es uns möglich, möglichst viele unserer Lebensmittel vor der Tonne zu retten. So konnten wir bei unseren Betrieben bereits eine Abgabequote von 50 Prozent erreichen. Das bedeutet, dass jedes zweite Lebensmittel, welches als Verlust anfällt, noch der menschlichen Ernährung und einem Zweck zugutekommt.

Welche der Wahlpflichtmaßnahmen stellte die größte Herausforderung für die Großhandelsbranche dar?

Herausfordernd sind oft Maßnahmen, die an den Schnittstellen der Wertschöpfungskette ansetzen, da dort immer auch die Gefahr besteht, dass sich Lebensmittelverluste nur verlagern, anstatt sich insgesamt zu reduzieren. Unsere Kunden sind sehr divers und haben unterschiedliche Anforderungen an die Produkte. Beispielweise gibt es Kunden, die sich kleinere Portionsgrößen wünschen, um ihren Tellerrücklauf und ihren eigene Food Waste zu reduzieren. Diese können wir aber nur anpassen oder als Produkt neu einlisten, wenn dies in entsprechender Menge nachgefragt wird, da wir selbst Mindestabnahmemengen mit dem Lieferanten vereinbaren. Wenn wir z. B. extra ein Produkt für einen Kunden listen, kann es vorkommen, dass wir die Menge doch nicht verkauft bekommen und die Lebensmittelverluste dann bei uns anfallen. Die Herausforderung ist also, dass wir die gesamte Prozesskette optimieren, um Verluste insgesamt zu reduzieren.

Wo bedarf es auch eines Umdenkens bzw. einer besseren Kooperation mit den Außer-Haus-Betrieben selbst, um Fortschritte erzielen zu können?

Wir unterstützen unsere Kunden bereits seit vielen Jahren durch Beratungsangebote zur Optimierung der Prozesse und Abläufe sowie Abfallmessungen in Bezug auf ihre eigene Food Waste-Reduktion. Hier liegt noch ein großer Hebel und viel Potenzial, da unsere Beratungsprojekte zeigen, dass eine deutliche Reduktion möglich ist.

Generell besteht auch an der Schnittstelle selbst noch Potenzial, was den bedarfsgerechten Einkauf angeht. Hierzu sind Abstimmungen über die Wertschöpfungskette hinweg – also seitens Transgourmet mit dem Kunden, als auch mit dem Lieferanten – notwendig.

Die Abgabe von überschüssigen Lebensmitteln an soziale Organisationen ist aufgrund strenger Anforderungen an Hygiene und Qualität in den Außer-Haus-Betrieben nur teilweise möglich.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

info

Handbuch gegen Lebensmittelverschwendung für die GV

Tipps gegen Lebensmittelverschwendung und das Klären von Mythen rund ums MHD sind wesentliche Inhalte eines Handbuchs von Community Kitchen München.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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