Gudrun Hellauer-Schwichtenberg, Leiterin der Konzerngastronomie bei der W&W-Gruppe, verbrachte 18 Jahre ihres beruflichen Werdegangs in China.
Quelle: W&W-Gruppe

Gudrun Hellauer-Schwichtenberg im Gespräch

Als Gudrun Hellauer-Schwichtenberg im Jahr 2000 beruflich nach China auswanderte, befürchtete sie, verhungern zu müssen. Chinesisches Essen, wie sie es aus Deutschland kannte, war gar nicht ihr Fall. Heute betrachtet sie Shanghai City als kulinarisches Mekka und liebt Original chinesische Dumplings.

In einem Interview mit der Redaktion GVMANAGER für Ausgabe 1-2/2024 hat Gudrun Hellauer-Schwichtenberg, die seit 2020 bei der W&W-Gruppe tätig ist und dort seit Ende 2020 die Konzerngastronomie in Kornwestheim leitet, auch auf ihre beruflich sehr prägende Zeit für BLN Restaurants & Caterings in China zurückgeblickt. Dort arbeitete sie 18 Jahre lang in Vertrieb, Marketing und Geschäftsführung an der Strategie und Umsetzung diverser gastronomischer Konzepte mit, darunter das renommierte Paulaner Bräuhaus Shanghai und Käfer by The Binjiang One.

Was sind die Herausforderungen, wenn man unter anderem europäische Küche mit internationalen Arbeitskräften in Shanghai auf den Tisch bringt?
Wie authentisch muss asiatische Küche bei der W&W-Gruppe sein?
Und welchen Stellenwert hat Außer-Haus-Verpflegung in Shanghai?

Mehr dazu hat Gudrun Hellauer-Schwichtenberg der Redaktion im persönlichen Gespräch verraten:

Gudrun Hellauer-Schwichtenberg, Leiterin der Konzerngastronomie bei der W&W-Gruppe, verbrachte 18 Jahre ihres beruflichen Werdegangs in China.
Quelle: W&W-Gruppe

„Bei uns hat niemand gearbeitet, der nicht das HACCP-Konzept verinnerlicht hatte. Unsere Anforderungen waren teils strenger als in Deutschland, gemäß den Vorgaben des chinesischen FDA, von dem wir sehr streng kontrolliert wurden. Frustrierend war jedoch, dass trotz unserer hohen Standards die Kontrolleure besonders genau hingeschaut und dann natürlich auch etwas ‚gefunden‘ haben, während in chinesischen Garküchen offensichtliche Missstände ignoriert blieben.“

Gudrun Hellauer-Schwichtenberg, W&W-Gruppe

Frau Hellauer-Schwichtenberg, Sie sind gebürtige Bayerin, wohnhaft in Baden-Württemberg mit jahrelangem Auslandsaufenthalt in China. Womit kann man Sie kulinarisch am ehesten ködern: Braten mit Knödel, Linsen mit Saitenwürstle oder Wokgericht?

Ich liebe die japanische und die italienische Küche. Man könnte mich aber auch mit richtig guten chinesischen Dumplings, also gedämpften Teigtaschen, ködern. Die mache ich inzwischen selbst, aber sie schmecken nie so gut wie im Original.

Sie sind also auch ein Fan der chinesischen Küche?

Bevor ich nach China gegangen bin, hatte ich befürchtet, ich könnte dort verhungern. Denn das chinesische Essen, wie ich es aus Deutschland kannte, war gar nicht mein Fall. Umso positiver wurde ich in Shanghai überrascht – und wurde Fan der authentischen chinesischen Küche, die sich je nach Region auch stark unterscheidet. Szechuan-Gerichte sind scharf, während die Shanghaier Küche eher süßlich-mild ist.

Allein für ein gutes Essen lohnt sich daher eine Reise nach Shanghai – eine Stadt, die ich als kulinarisches Mekka mit Küchen aus aller Welt erlebt habe.

Sind Sie gegenüber der asiatischen Küche Ihrer Köche in der W&W-Betriebsgastronomie besonders anspruchsvoll?

Welche Rolle spielt authentisches Essen wie in China in der Betriebsgastronomie der W&W-Gruppe?
Im Free Flow-Bereich am neuen Campus der W&W-Gruppe in Kornwestheim findet sich auch ein Wok-Counter u. a. für asiatische Gerichte (Quelle: W&W-Gruppe)

Nein, denn es muss ja unserer breiten Gästeschicht von mehreren Tausend Personen schmecken. Vollkommen authentisch wäre das nicht immer möglich.
Wenn ich absolut authentisch asiatisch essen möchte, koche ich gerne mal selbst.

Aber steigt nicht auch der Anspruch an die Authentizität asiatischer Gerichte, dadurch dass die Deutschen vermehrt dort ihren Urlaub verbringen?

Eine ähnliche Diskussion hatte ich schon vor rund 15 Jahren als wir ein Restaurantkonzept nach dem Vorbild der Käfer-Schänke in München gemeinsam nach Shanghai gebracht haben. Auch damals glaubten wir schon, dass wir näher an das Authentische heranmüssen, als das früher der Fall war. Viele wissen mittlerweile, dass eine Pekingente keine aufgeschnittene Ente mit Gemüse an der Seite ist. Trotzdem muss man darauf achten, wie man die Gerichte an den heimischen Gaumen anpasst.

In Ihrer damaligen Tätigkeit bei BLN Restaurants & Caterings haben Sie unter anderem bayerische Küche importiert. Wie nah am Original war diese?

Wir haben das deutsche Essen ebenfalls geschmacklich angepasst. In Shanghai isst man relativ mild, und da kann eine deutsche Standardsuppe schnell versalzen wirken. Unser Ansatz war immer: Nachsalzen kann jeder. Trotzdem hätten wir nie Schweinshaxen als Schweinebraten verkauft. Authentizität ist wichtig, aber sie muss für den Gast auch genießbar sein.

Um die Authentizität zu wahren, habe ich auch deutsche Küchenchefs und Köche rekrutiert. In unserem japanischen Restaurant dagegen agierte ein japanischer Küchenchef und in den chinesischen Restaurants taiwanesische Küchenchefs. An der Spitze jedoch stand ein deutscher Corporate Küchenchef – das war alleine aus unserem Anspruch an Hygiene- und Qualitätsstandards wichtig.

Gutes Stichwort: Wie gelang die Zusammenarbeit zwischen Chinesen und Deutschen, vor allem im Hinblick auf Food Safety?

Das waren definitiv zwei Welten. Bei uns hat niemand gearbeitet, der nicht das HACCP-Konzept verinnerlicht hatte. Unsere Anforderungen waren teils strenger als in Deutschland, gemäß den Vorgaben des chinesischen FDA, von dem wir sehr streng kontrolliert wurden. Bereits lange vor Corona haben wir beispielsweise mit Gesichtsmasken in den Küchen gearbeitet. Frustrierend war jedoch, dass trotz unserer hohen Standards die Kontrolleure besonders genau hingeschaut und dann natürlich auch etwas „gefunden“ haben, während in chinesischen Garküchen offensichtliche Missstände ignoriert blieben.

Haben Sie auch mit Hilfskräften gearbeitet?

Da wir sehr vieles selbst produziert haben – in der eigenen Metzgerei, Bäckerei und Brauerei – und auch für den Verkauf im Einzelhandel zertifiziert waren, brauchten wir Fachkräfte wie Diplom-Braumeister oder Küchenmeister, die ihr Fachwissen einbrachten.
Gleichzeitig haben wir Menschen ohne Vorwissen eingestellt, die wir durch Schulungen und Training auf ein hohes Niveau gebracht haben.

Gibt es in China gastronomische Ausbildungen?

Nicht in dem Sinne, wie in Deutschland. Wir haben deshalb gemeinsam mit Schulen ein eigenes Ausbildungskonzept ins Leben gerufen, das wir Vocational Training nannten. Dabei kooperierten wir mit interessierten Schulen, und schufen gemeinsam beispielsweise eine Kochschule. Diese Schule bildete nicht nur für uns, sondern auch für ein großes asiatisches Kreuzfahrtunternehmen aus.

Unsere Kollegen gingen als Dozenten in die Schulen, und die Schüler absolvierten Praktika bei uns. Wenn es passte, übernahmen wir sie später dauerhaft. So haben wir langfristig einen qualifizierten Pool an Mitarbeitenden aufgebaut.

Kann man sich in Deutschland etwas von der chinesischen Betriebsgastronomie abschauen?

Damit hatte ich kaum Berührungspunkte. Aber große Betriebsrestaurants wie hier bei W&W waren in Shanghai selten. Was auch daran liegt, dass die meisten Unternehmen in Shanghai City nur kleine sogenannte Rep-Offices unterhalten, die das Unternehmen vor Ort vertreten. In diese wurden Speisen meist von Caterern in Styroporboxen geliefert. Unsere Restaurants hatten eine kleine Mitarbeiterkantine mit zwei Gerichten und einer Suppe – dazu obligatorisch heißes Wasser oder grünen Tee. Ähnlich war es in dem Hotel, in dem ich währende des Studiums ein Traineeship absolviert habe.

Ich vermute aber, dass es in den Industriegebieten vor der Stadt große Betriebsrestaurants gibt.

Welchen Stellenwert hat Außer-Haus-Verpflegung generell in Shanghai?

Täglich Essen zu gehen ist dort gang und gäbe. Die Shanghainesen kochen selten selbst und sind offen für Küchen aus aller Welt. Das hat auch dem Expansionskurs meines damaligen Arbeitgebers geholfen.
Allerdings sind die Essenspreise der lokalen Küche dort auch sehr günstig. In einer Garküche bekommt man für umgerechnet 50 Cent ein leckeres Gericht, bestehend aus Reis, Spiegelei und Mangold.

Was hat Sie gereizt, von der À-la-carte- in die Betriebsgastronomie bei der W&W-Gruppe zu wechseln?

Mich hat die Herausforderung den neuen W&W-Campus als gastronomische Projektleiterin mit zu entwickeln gereizt. Darin hatte ich jahrelange Erfahrung: Konzepte entwickeln, Restaurants eröffnen und zum Laufen bringen. So bewarb ich mich und war mit Eintritt 2020 mitverantwortlich für die Planung und Realisation der gastromischen Bereiche Gastronomie- und Veranstaltungsbereiche. Letztlich kam es aber anders als geplant: Die damalige Leiterin der Gastronomie wurde krank, und ich übernahm zunächst interimsweise. Als sie sich schließlich umorientierte, übernahm ich die Leitung komplett. Rückblickend war es gut, dass alles in einer Hand lag. Initiativ hätte ich mich aber nie für die Gastro-Leitung beworben.

Die Gastronomie des W&W-Campus ist von Anfang an Green Canteen-zertifiziert. Wo wollen Sie in puncto Nachhaltigkeit noch besser werden?

Wir haben uns in einem ersten Follow-up seit der Zertifizierung bereits um zehn Prozent verbessert, besonders bei der Beschaffung. Das betrifft vor allem die Zusammenarbeit mit regionalen und bio-zertifizierten Produzenten. Dabei mussten wir uns erst intern stark dafür einsetzen, die spezifischen Bedürfnisse der Gastronomie sichtbar zu machen. Als Finanzdienstleister verfolgt unser Unternehmen eine Einkaufsstrategie, die stark auf Effizienz und zentrale Lieferanten ausgerichtet ist. Doch für die Gastronomie funktioniert eine Ein-Lieferanten-Strategie nicht, v. a. wenn es um Regionalität geht.

Trotzdem gibt es Herausforderungen, etwa bei der Verfügbarkeit bestimmter Produkte wie Bio-Pommes aus der Region. Ich engagiere mich hier in Netzwerken, wie dem Beirat des des Erfa-Kreis der Gemeinschaftsverpflegung des Dehoga Baden-Württemberg, um die Wertschöpfungskette zu stärken.

Beim Food Waste wollen Sie sich ebenfalls verbessern, u. a. mithilfe der hauseigenen IT. Was ist geplant?

Wir arbeiten an einem Pilotprojekt, um Daten aus unserer Nassmüllanlage zu analysieren. Die Produktionsmengen zu steuern, ist angesichts des großen Speiseplans eine Herausforderung, denn die einstigen Erfahrungswerte und das Bauchgefühl des Küchenleiters funktionieren nicht mehr.

Derzeit fehlt es noch an Tools, die diesen Prozess vollständig automatisieren könnten. Deshalb arbeiten wir eng mit unserer IT-Abteilung und dem Hersteller der Anlage zusammen. Langfristig wollen wir ein System entwickeln, das unsere monatlich mehrere Millionen Datensätze alleine aus dem Warenwirtschaftssystem sowie weitere Daten in Echtzeit analysiert – bei Wahrung des Datenschutzes.

In einem vergangenen internen Hackathon unserer IT-Kollegen kamen schon tolle Ergebnisse heraus. Und mit einem ehemaligen dualen Studenten, der den Campusstart in meiner Abteilung begleitete und dann in die IT wechselte, haben wir den perfekten Sparringspartner.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Über Gudrun Hellauer-Schwichtenberg

  • Schon früh begeisterte sich Gudrun Hellauer-Schwichtenberg für die Hospitality-Branche und studierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Deggendorf, mit gezieltem Schwerpunkt auf Tourismus- und Hotelmanagement.
  • Während dieser Zeit sammelte sie erste berufliche Erfahrungen in Shanghai, wo sie ein Traineeship bei der Radisson Hotel Group absolvierte.
  • Es folgte ein Abstecher in die Finanz- und Immobilienbranche, wo sie im Marketing arbeitete.
  • Danach war sie fast 18 Jahre lang in Shanghai und weitere zwei Jahre von Deutschland aus für BLN Restaurants & Caterings tätig. In Vertrieb, Marketing und Geschäftsführung arbeitete sie an der Strategie und Umsetzung diverser gastronomischer Konzepte mit.
  • Im März 2020 wechselte sie zur W&W-Gruppe, wo sie u. a. als Projektleiterin für Veranstaltungen und Gastronomie die Konzeption und Umsetzung der Gastronomie im neu geplanten Campus übernahm. Seit November 2020 leitet sie zudem die Konzerngastronomie, mit insgesamt 70 Mitarbeitenden und zwei externen Dienstleistern.

Über die Konzerngastronomie der W&W-Gruppe

Ab 2,60 Euro bekommen die Mitarbeiter der W&W-Gruppe bereits ein Mittagsgericht.
Quelle: W&W-Gruppe

Herzstück der W&W-Gruppe, bestehend aus Wüstenrot und Württembergische, ist der neue W&W-Campus. Die Konzernzentrale öffnete im Januar 2023 in Kornwestheim und wurde sukzessive von Mitarbeitern anderer Standorte wie Stuttgart und Ludwigsburg bezogen.
Hier leistet ein Gastro-Team von 70 Mitarbeitenden täglich bis zu 3.500 Mittagessen für die 6.000 Mitarbeiter, wobei aufgrund von Desk-Sharing nur Arbeitsplätze für 4.000 Mitarbeiter vorhanden sind. Zusätzlich gibt es eine Cafébar, ein Bistro und einen großen Konferenzbereich, der bewirtschaftet wird.
Die Essenspreise beginnen bei günstigen 2,60 Euro, was von der Geschäftsleitung so gewünscht ist. Die Mitarbeiter sollen gerne in den Campus kommen und ein gutes Angebot vorfinden, bei dem für jeden etwas dabei ist. „Die Konzerngastronomie wird subventioniert, und wir können innerhalb eines großzügigen Budgets agieren. Wobei die Essenspreise und das Angebot mitbestimmungspflichtig durch den Betriebsrat sind“, berichtet Gudrun hellauer-Schwichtenberg. Beispielsweise wurde gemeinsam festgelegt, dass pro Tag drei vegetarische, ein veganes und ein glutenfreies Gericht ebenso im Angebot sind, wie eine komplette Mahlzeit für 2,60 Euro uvm. „Den Speiseplan zu erstellen ist entsprechend eine Herkulesaufgabe, die ich zusammen mit unserem Sous-Chef und Küchenechef übernehme“, resümiert die Leiterin Konzerngastronomie.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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