GV-Manager Jürgen Bergjan kommentiert den Kostendruck in der Gemeinschaftsgastronomie und die Grenze von Sparmaßnahmen in puncto Lebensmitteleinkauf.
Der Einkaufspreis ist immer noch heiß – oder meinen wir das nur, weil es immer so war? Worauf begründet sich die Meinung, beim Lebensmitteleinsatz sei noch wahnsinniges Einsparpotenzial vorhanden? Vorweg: Qualität hat ihren Preis und der Preis ist immer die Summe aller Leistungen – nicht nur in Großküchen, sondern überall in der Wirtschaft. Es gibt nirgends viel für wenig Geld, auch wenn mancherorts versucht wird, dieses ungeschriebene Gesetz in Frage zu stellen.
Wer geht zum Haareschneiden zum Bäcker?
Eines drängt sich unweigerlich auf: Jeder bzw. jede noch so Fachfremde denkt erst einmal in der komplexen Welt des Lebensmitteleinkaufs in der Gemeinschaftsgastronomie mitreden zu können. Schließlich gehen alle einkaufen und „kennen sich aus“ im Dschungel der Lebensmittelindustrie. Diese Haltung wundert mich nicht einmal mehr, leben wir doch in einem Land in dem Fernseh-„Köche“ einem völlig fachfremden Mitbürger erklären wollen, wie man ein Restaurant in die Gänge bekommt, ohne dabei zu berücksichtigen, dass Fachkräfte dafür eine jahrelange Ausbildung, bestenfalls mit Fortbildungen getoppt, vorweisen können.
Kennen Sie jemanden, der zum Haareschneiden beim Bäcker reinschaut? Ich nicht! Zugegeben, das klingt im ersten Moment komisch, aber nichts anderes passiert in unserem Land im Bereich „Fernseh-Gastronomie.“
Wunsch versus Wirklichkeit
Viele meinen, sie können einen Gastronomiebetrieb bespielen. Erstbelehrung beim zuständigen Gesundheitsamt und morgen koche ich für die nächste Kita um die Ecke. Entstanden ist an vielen Stellen eine falsche Wahrnehmung zwischen Machbarem und Möglichen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Verpflegung hat keine Wertigkeit
Die durchschnittlichen Kosten für einen Krankenhausaufenthalt belaufen sich in Deutschland auf ca. 600 Euro pro Tag und Patient. Und was wird davon für die Verpflegung verwendet? Die Kostenträger zahlen ca. 6 Euro pro Tag pro Patient für den Lebensmitteleinsatz eines ganzen Tages! Ich denke hieran ist der tatsächliche Stellenwert der Verpflegung erkennbar. Zumindest lässt sich eine Wertigkeit bzw. keine Wertigkeit daraus ableiten.
Es wird unglaublich viel darüber geredet, wie wichtig eine gute Verpflegung tatsächlich ist, insbesondere auch darüber welche Folgekosten durch eine gute und gesunde Ernährung vermieden werden könnten. In der gelebten Praxis muss man allerdings ernüchternd feststellen, dass es zum einen keine Lobby für Küchen gibt, und dass daraus resultierend keine auskömmlichen Verpflegungssätze herrschen.
Erkennbar ist in jedem Fall, auf welches unterirdische Niveau die Akzeptanz für Verpflegung eingebrochen ist.
Kostendruck weiter hochgehalten
Und damit nicht genug. Weiterhin wird versucht, in Bezug auf den Lebensmitteleinkauf die Daumenschrauben immer noch weiter zu drehen – auch dann, wenn keine signifikanten Erfolge mehr zu erwarten sind.
Doch: Kein Grossist läuft noch mit Fantasiepreisen zum Kunden, kein Lieferant kommt mit Mondpreisen ins Haus. Im Gegenteil. Das Handwerk kämpft, und Küchen täten gut daran, auch den regionalen Handel wie Bäcker, Fleischer und Landwirtschaft beim Lebensmitteleinkauf zu berücksichtigen. Dieses ist, wie ich finde, im direkten Austausch zwischen Großküche und Lieferant gut möglich.
Einkauf bestimmt nur teilweise die Wirtschaftlichkeit
Wenn ich meine Umsatztreiber mit dem Lieferanten gut verhandelt habe und nachgeschaltete Konditionen vereinbart habe, zudem mit EDV-gestützten Rezepturen und Mengensteuerungen agiere, dann sind die Grundvoraussetzungen für ein wirtschaftliches Arbeiten nachweislich gelegt.
Der Grund für ein wirtschaftliches Arbeiten im Küchenbereich hängt also nur zu einem Teil an marktgerechten Einkaufkonditionen; diese wirken aber nicht – wie oftmals suggeriert – als Allheilmittel für jede Küche! Die weiteren Anteile sind Mitarbeiterkosten und betriebsspezifische Kosten und die damit im Zusammenhang stehenden innerbetrieblichen Abläufe. Diese sind teils beeinflussbar, teils aber auch nicht.
Qualität fördert Gesundheit und senkt Folgekosten
Kostenträger wollen zum Beispiel in der Kita und Schulversorgung nach wie vor nicht verstehen, dass die Investition in qualitativ hochwertige Mittagsverpflegung zur Gesundheit und Entwicklung der Kinder beiträgt. Gut ernährte Kinder sind nun einmal belastbarer, gesünder und können sich besser konzentrieren. Folgekosten im Gesundheitswesen sinken!
Deutschlandweit anerkannte Zertifikate für eine nachgewiesene Qualitätsstufe sind nach wie vor kein oder aber nur sehr selten Bestandteil von öffentlichen Ausschreibungen. Qualitäten auf zertifiziertes Niveau müssen zwar erfüllt werden, das Zertifikat selbst ist (immer noch) nicht nötig. Da darf man schon einmal fragen: Geht`s noch? Wann bekommen wir endlich verbindliche Standards für die Verpflegung? Bei Spielplätzen, beim Auto – überall kommt der TÜV und kontrolliert. Und vergibt bestenfalls die Plakette zum Betrieb.
Fazit: Der Lebensmitteleinkauf ist vielerorts ausgereizt, und lässt sich nicht Jahr für Jahr aufs Neue weiter zusammenstauchen. Optimierungsmöglichkeiten sind endlich!

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Quelle: Jürgen Bergjan für B&L Mediengesellschaft