Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung stößt auf viel Kritik in der Branche.
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Kritik an der Ernährungsstrategie

Bereits kurz nach Verabschiedung der Ernährungsstrategie der Bundesregierung durch das Kabinett am 17. Januar folgten erste Kommentare von Verbänden und Organisationen, die großteils kritisch ausfallen. Hauptsächlich wird Kritik geübt an fehlenden konkreten Maßnahmen sowie Finanzierungslösungen.

Wir haben auszugsweise einige Statements zusammengetragen:

Kritik des dti: Perspektive der Produzenten fehlt

„Wo bleiben die Vision und der Mut, den Ernährungssektor mit seinen hervorragenden Lebensmitteln endlich mit ‚Wumms‘ zukunftsfest aufzustellen?“

Sabine Eichner, Geschäftsführerin, Deutsches Tiefkühlinstitut

Aus Sicht der Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstitus (dti) Sabine Eichner bleibt die Ernährungsstrategie oft noch sehr vage: Statt konkreter neuer Maßnahmen würden Absichtserklärungen vorgenommen, Prüfaufträge für Monitorings angekündigt, Projektgruppen und Netzwerke gebildet.
Zwar begrüßt sie die Ankündigung, die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in der Gemeinschaftsverpflegung bis 2030 verbindlich zu machen. Doch: „Die Möglichkeiten des Bundes sind hier jedoch begrenzt, vor allem wenn man kein Budget investieren will“, stellt Sabine Eichner fest.

Ihr Fazit: „Statt die Unternehmen und die Mitarbeitenden der Lebensmittelwirtschaft mit dem absurden Frontalangriff vor den Kopf zu stoßen, eine gute Ernährung sei in Deutschland erst in über 25 Jahren möglich, hätten wir uns endlich eine überzeugende ernährungspolitische Strategie für die gesamte Wertschöpfungskette gewünscht, die auch die Perspektive der Produzenten miteinbezieht. Wo bleiben die Vision und der Mut, den Ernährungssektor mit seinen hervorragenden Lebensmitteln endlich mit ‚Wumms‘ zukunftsfest aufzustellen?“

Auch das politische Timing des BMEL irritiert die dti-Chefin: „Am Sonntag übergibt der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat ‚Ernährung im Wandel‘ die intensiv und ehrenamtlich erarbeiteten ernährungspolitischen Empfehlungen – und nur drei Tage später präsentiert Bundesernährungsminister Özdemir seine Ernährungsstrategie. Das zeugt in meinen Augen von wenig Respekt und Wertschätzung für das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Auch wir als stets konstruktiv mitwirkender Verband bedauern es, dass wir von der finalen Version der Ernährungsstrategie lediglich aus den Medien erfahren. Wenigstens eine kurze Vorabinfo an die beteiligten Stakeholder hätten wir als angemessen erachtet.“

Kritik der DUH: Zu langer Zielhorizont der Ernährungsstrategie

„Die Bundesregierung kann oder will keine echten Lösungen vorlegen. Erst bis 2050 soll es für alle Menschen in Deutschland möglich sein, sich gut zu ernähren – bis dahin dauert es noch ein Vierteljahrhundert.
Unklar bleibt außerdem, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen.“

Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer, DUH

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die Ernährungsstrategie als unzureichend. Zwar begrüßt die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation die Ziele der Strategie, gesunde und nachhaltige Ernährungsumgebungen zu schaffen, pflanzliche Ernährung sowie die Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung zu fördern.
„Allerdings fehlen wirksamen Maßnahmen wie die Finanzierung oder konkrete Zielvorgaben“, so DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die Bundesregierung kann oder will keine echten Lösungen vorlegen. Erst bis 2050 soll es für alle Menschen in Deutschland möglich sein, sich gut zu ernähren – bis dahin dauert es noch ein Vierteljahrhundert.
Unklar bleibt außerdem, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen. Damit bleibt das Programm hinter der Dringlichkeit zurück, mit der es erwartet wurde. Und das, obwohl die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen des Bürgerrates Ernährung deutlich zeigen, dass sich die Gesellschaft ambitioniertere Maßnahmen wünscht. Die Bundesregierung hat jetzt noch die Chance, ihren Kabinettsentwurf nachzuschärfen und eine echte Transformation des Ernährungssystems anzustoßen.“

Kritik von Foodwatch: Abstrakte Visionen statt Maßnahmen

„Statt abstrakte Zukunftsvisionen zu entwerfen, sollte die Bundesregierung jetzt konkrete Maßnahmen ergreifen, die sie selbst zügig umsetzen kann.“

Luise Molling, Foodwatch

„In der Ernährungsstrategie finden sich zwar viele hehre Ziele, aber kaum wirkungsvolle Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung diese auch erreichen kann“, erklärt Luise Molling von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Als Beispiel bezieht sie sich unter anderem auf die geplante Nährwert-Kennzeichnung und die Pläne für die Außer-Haus-Verpflegung: „In Schulen, Kantinen & Co. sollen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Standard werden – doch wie dieses Ziel erreicht werden soll, bleibt unklar. Für Pflicht-Vorgaben in Schulen und Kitas wären die Länder zuständig“, konkretisiert sie ihre Kritik.

„Statt abstrakte Zukunftsvisionen zu entwerfen, sollte die Bundesregierung jetzt konkrete Maßnahmen ergreifen, die sie selbst zügig umsetzen kann und die eine gesündere Ernährung effektiv befördern würden“, schlägt Luise Molling vor.

Kritik des Lebensmittelverbands: Praktikabilität fehlt

„Die Ernährungsstrategie muss sich am Ende des Tages an ihrer Praktikabilität, Realisierbarkeit und Finanzierbarkeit messen lassen.“

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer, Lebensmittelverband

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands erklärt zur präsentierten Ernährungsstrategie: „Wenn die Forderung erhoben wird, dass wir mehr pflanzenbetont, mehr saisonal, regional und generell mehr nachhaltig essen sollten, dann sollte zunächst ein gemeinsames, wissenschaftlich fundiertes Verständnis darüber geschaffen werden, was wie nachhaltig ist und welche Dimensionen und Aspekte hier berücksichtigt werden müssen. Vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte sind nicht zielführend. Deshalb brauchen wir Realitätschecks und Folgenabschätzungen für alle Maßnahmen. Man kann natürlich ganz einfach vorschlagen, dass die Mehrwertsteuer gesenkt bzw. erhöht wird – aber wie viel bringt das im Endeffekt? Erstmal ersteht dadurch ein hoher bürokratischer Aufwand und die Nachfrage verschiebt sich unter Umständen gar nicht. Die Ernährungsstrategie muss sich am Ende des Tages an ihrer Praktikabilität, Realisierbarkeit und Finanzierbarkeit messen lassen.“

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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Welche Ziele hat die Ernährungsstrategie ausgerufen?

Eine verbindliche Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards für Kitaa- und Schulverpflegung ist eine der 90 in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung festgehaltenen Maßnahmen. Weitere Details lesen Sie hier.

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