Im food lab muenster, einer Art Profiküche im Kleinformat, forschen Studierende an der Ernährung der Zukunft. Im Rahmen des GeNAH-Projekts entstehen dort aber auch großküchentaugliche nachhaltige Rezepturen, die künftig jeder GV-Betrieb nutzen kann.
Cheftüftler ist der Lebensmitteltechnologe und Leiter des food lab Albrecht Fleischer.
Nachhaltige Rezepturen entwickeln – Top-Tipps
„Eine Rezepturentwicklung muss in jedem Fall komplett unvoreingenommen, ohne jegliche Einschränkung beginnen. Der Frage der Nachhaltigkeit sollte man nicht im ersten Schritt folgen.“
Albrecht Fleischer, Leiter food lab, FH Münster
Herr Fleischer, was sind Ihre Top 3 Tipps für Köche, die sich daran machen wollen, nachhaltige Rezepturen zu entwickeln?
1. Der Frage der Nachhaltigkeit nicht im ersten Schritt folgen. Eine Rezepturentwicklung muss in jedem Fall komplett unvoreingenommen, ohne jegliche Einschränkung beginnen.
2. Es ist konsequent zu dokumentieren, was und wie man kocht. Entsprechend sind bereits bei ersten Kochversuchen alle Zutaten zu wiegen und zu notieren.
3. Oberstes Ziel ist, dass das Gericht schmeckt und die Idee dahinter vom Gast verstanden wird.
Was ist eine gute Stellschraube, um Gerichte auf die Schnelle nachhaltiger zu machen?
Die wichtigste Stellschraube für nachhaltige Rezepturen ist der Einsatz pflanzlicher Produkte, da tierische Produkte erheblich größere Umweltwirkungen haben. Sie sollten im Speiseplan auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Zusätzlich sollte man als Erstes den Fokus auf die Verwendung von saisonalen, regionalen und ökologisch erzeugten Lebensmitteln setzen.
Ab wann gilt eine Rezeptur nach Ihren Kriterien als nachhaltig? Wie überprüfen Sie deren Nachhaltigkeitswert?
Die Bewertung der Nachhaltigkeit basiert auf der Grundlage ökologischer und sozialer Kriterien. Diese sind auch die Grundlage gängiger Nachhaltigkeitsrechner. Derartige Rechner helfen dem Produktentwickler bzw. Koch, seine Rezeptur auf Nachhaltigkeitskriterien zu prüfen.
Der Verzicht bzw. die Reduktion tierischer Produkte haben einen hohen Impact. Was ist der größte Fehler bei der Entwicklung vegetarischer Gerichte?
Keinesfalls dürfen Gerichte vegetarisch werden, indem der Koch einfach den Fleischanteil weglässt. Für meine vegetarische Variante von „Himmel & Erde“ habe ich Pumpernickel zerrieben und geräuchert, dann mit geschmelzten Zwiebeln vermischt und über den Kartoffelstampf mit den Äpfeln gelegt. Die Blindverkoster haben keinen Unterschied zum Original, zu dem Blutwurst gehört, geschmeckt.
Etwas zu räuchern, klingt schon recht aufwändig. Können nachhaltige Rezepturen auch mit geringem Zusatzaufwand feinjustiert werden?
Selbstverständlich! Für das Projekt „Friedensteller“ haben wir beispielsweise eine Spinatquiche nach einer üblichen Rezeptur entwickelt: also Quicheteig, Spinat, Ei, Sahne, Käse. Der Nachhaltigkeitsrechner hat das Gericht mit „Rot“ bewertet: nicht nachhaltig. Die Milchprodukte für die Quiche-Rezeptur hatten den ökologischen Fußabdruck zu groß werden lassen. Also haben wir nach einer Alternative gesucht und diese in einer Pflanzenmilch aus Gerste gefunden, die wir selbst herstellen. Damit haben wir die Sahne 1:1 ausgetauscht. Die Lösung überzeugte sowohl im Geschmack, bei der Konsistenz und auch in Sachen ökologischer Fußabdruck.
Ersatzprodukte, wie der erwähnte Pflanzendrink, sind oft sehr teuer. Wie lässt sich das kalkulieren? Was lässt sich mit geringem Aufwand ggf. selbst herstellen?
Pflanzenmilchprodukte für eine Großküche herzustellen, ist einfach. Allerdings muss sie direkt am Herstellungstag verarbeitet werden. Ich empfehle für kleine Mengen den Thermomix oder Paco Jet, für größere Küchen einen großen Mixer, beispielsweise von Stephan Machinery, den es auch mit Direktdampf oder Mantelheizung gibt.
Derartige Geräte wurden aus vielen Großküchen verbannt. Dabei lässt sich damit vieles selbst herstellen, ob Pflanzenmilch, Dressing oder eine Patty-Grundmasse. Eine derartige Fertigungstiefe ermöglicht mehr Nachhaltigkeit und Frische – und das wirtschaftlich. Daher sollte hier umgedacht werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Über GeNAH
Gerechte und nachhaltige Außer-Haus-Angebote
- Ziel: dauerhafter Transfer von im Projekt entwickelten und erprobten Blaupausen, nachhaltige Rezepturen/Speiseplänen sowie Bildungsangeboten für eine gerechte und nachhaltige Außer-Haus-Verpflegung
- Maßnahmen:
- Zugänglich für jeden:
- Digitale „Küchengespräche“
- Nahgast-Rechner plus webbabsiertes Praxishandbuch
- Vorerst nur für Projektteilnehmer:
- Interaktive Workshops
- Interner Austausch
- Entwicklung von 50 großküchentauglichen, nachhaltigen Rezepturen
- Zugänglich für jeden:
- Praxispartner: Bistum Münster, Himmlische Herbergen und LWL-Kliniken
- Projektdauer: 10/2020 bis 12/2023
- Förderung: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
- Medialer Multiplikator: Fachmagazin GVMANAGER
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Was ist eigentlich Tempeh?
Mehr zu dem proteinreichen Produkt aus Indonesien, das sich sehr gut als Zutat für die vegetarisch-vegane Küche eignet, findet sich in unserer Warenkunde dazu.
Quelle: B&L MedienGesellschaft