Im November 2024 ist der 15. DGE-Ernährungsbericht erschienen, der inhaltlich einen großen Fokus auf die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) und Nachhaltigkeit legt. Besonders interessant für die Gemeinschaftsgastronomie ist Kapitel 14, das sich der „Analyse und Bewertung gängiger Speisenproduktionssysteme in der Gemeinschaftsverpflegung hinsichtlich einer nachhaltigen Produktionsweise“ widmet. Auf 62 Seiten fassen hier Linda Chalupová, vom Fachbereich Oecotrophologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften der Hochschule Fulda sowie Mareike Täger und Silke Thiele, beide vom ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V. die Ergebnisse ihrer Studie zusammen.
Ziel der vergleichenden Analyse der vier Speisenproduktionssystem Cook & Serve, Cook & Hold, Cook & Chill und Cook & Freeze war es, Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis abzuleiten.
„Pauschal kann man nicht von dem einen, nachhaltigsten Speisenproduktionssystem sprechen. Zwar zeigte Cook & Serve bei Gleichgewichtung der Dimensionen Gesundheit, Umwelt und Soziales die meisten Vorteile, doch haben wir festgestellt, dass viele einrichtungsspezifische Faktoren erheblich beeinflussen, wie nachhaltig ein Speisenproduktionssystem umgesetzt werden kann.
Letztlich hängt die Wahl eines Speiseproduktionssystems von den spezifischen Schwerpunkten der jeweiligen Anspruchsgruppen ab. Hinzu kommen einrichtungsspezifische Restriktionen, wie die vorhandene Kücheninfrastruktur, verfügbare Flächen oder ein Mangel an Fachpersonal. Daher ist eine differenzierte und individuell angepasste Betrachtung unverzichtbar.“Linda Chalupová, Fachbereich Oecotrophologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften, Hochschule Fulda
Kernaussagen der vergleichenden Analyse der Speisenproduktionssysteme hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit
- Das Speisenproduktionssystem Cook & Serve schnitt in den Nachhaltigkeitsdimensionen Gesundheit und Soziales durchweg am besten ab.
- Das System Cook & Hold war bei den Dimensionen Umwelt und Kosten (ohne Investitions- sowie Betriebs- und Arbeitsmittelkosten) am vorteilhaftesten.
- Bei Cook & Hold wurden die niedrigsten Treibhausgasemissionen (THGE) pro Mahlzeit ermittelt, wenn der durchschnittliche Strommix in Deutschland zugrunde gelegt wird.
- Bei Verwendung erneuerbarer Energieträger wie Wasser- oder Windkraft wies Cook & Serve die niedrigsten THGE pro Mahlzeit auf, gefolgt von Cook & Freeze.
- Bei Gleichgewichtung der Dimensionen zeigte Cook & Serve die meisten Vorteile. Bei höherer Gewichtung z. B. der Energieeffizienz schnitt jedoch Cook & Hold besser ab.
- Die Kombination verschiedener Systeme, z. B. Cook & Serve und Cook & Hold, könnte Synergieeffekte schaffen, indem sich gesundheitliche, soziale sowie ökologische Vorteile ergänzen. Eine Nutzwertanalyse, in der die einzelnen Indikatoren gemäß den spezifischen Zielen und Bedürfnissen einer/eines Entscheidungstragenden gewichtet werden, kann bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein.
- Bei der Entscheidung für ein Speisenproduktionssystem spielen auch weitere, hier nicht betrachtete Restriktionen, z. B. räumliche Restriktionen, vorhandene Kücheninfrastruktur, eine Rolle.
Welche Indikatoren wurden zur Bewertung der Nachhaltigkeit herangezogen?
Die ausgewählten Indikatoren mussten drei Kriterien erfüllen:
- Die Indikatoren sind einer der vier Dimensionen einer nachhaltigeren Ernährung gemäß dem WBAE zuzuordnen: Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierschutz.
- Sie liegen innerhalb der Systemgrenzen, treten also zwischen Warenannahme und Speisenausgabe auf.
- Es sind systembedingte Unterschiede zwischen den Speisenproduktionssystemen zu erwarten.
Beispiel gefällig? Regionalität beispielsweise wird ebenso wie Tierwohl bereits beim Einkauf entschieden und liegt somit außerhalb der Systemgrenzen, weshalb dieser Indikator, der Punkt 1 erfüllt (Zählt zur Dimension Umwelt), trotzdem ausgeklammert wird.
„Um die 20 Indikatoren aus den Dimensionen Gesundheit, Umwelt, Soziales und Wirtschaft vergleichbar zu machen, haben wir einen sogenannten SPS-Nachhaltigkeitsindex entwickelt. Mit diesem Index werden die ursprünglichen Werte der Indikatoren auf eine einheitliche Skala von 0 bis 10 normiert.“
Mareike Täger, ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V.
20 Indikatoren für Nachhaltigkeit
So entstand ein Schema mit insgesamt 20 Indikatoren, verteilt auf vier Dimensionen:
- Dimension Gesundheit:
Nährstoffverluste, Mikrobiologie/Hygiene - Dimension Umwelt:
Energie- und Wasserverbrauch, Verpackungsmüll, Lebensmittelabfälle, Transport, Flächenbedarf, Reinigungsmittelverbrauch - Dimension Soziales:
- Mitarbeitende: Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Flexible Arbeitszeitmodelle und rotierende Arbeitsbereiche
- Gäste: Sensorische Qualität, Berücksichtigung von Gästewünschen
- Dimension Kosten:
Energie-, Wasser- Raum-, Personal-, Investitionskosten, Betriebs- und Arbeitsmittelkosten, Transportkosten
„Um Aspekte wie das Alter der Gerätetechnik und die Betriebsgröße zu berücksichtigen, haben wir sieben fiktive Einrichtungen definiert – ein Ansatz, der als Modellierung bekannt ist. Diese Einrichtungen wurden so gestaltet, dass sie über gleiche Rahmenbedingungen verfügen.“
Silke Thiele, ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V.
Ranking der Speisenproduktionssysteme im Überblick
Bei Gleichgewichtung der Dimensionen Gesundheit, Umwelt und Soziales ergibt sich entsprechend dem SPS-Nachhaltigkeitsindex folgendes Ranking der Speisenproduktionssysteme:
Dimension Gesundheit
(Nährstoffverluste, Mikrobiologie)
- Platz: Cook & Serve (10 Punkte)
- Platz: Cook & Hold (4,7)
- Platz: Cook & Chill (0,8)
- Platz: Cook & Freeze (0,7)
Dimension Umwelt
(Energie- und Wasserverbrauch, Verpackungsmüll, Lebensmittelabfälle, Transport, Flächenbedarf, Reinigungsmittelverbrauch)
- Platz: Cook & Hold (7,2)
- Platz: Cook & Serve (5,8)
- Platz: Cook & Chill (4,1)
- Platz: Cook & Freeze (1,9)
Dimension Soziales
(Mitarbeitende: Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Flexible Arbeitszeitmodelle und rotierende Arbeitsbereiche; Gäste: Sensorische Qualität, Berücksichtigung von Gästewünschen)
- Platz: Cook & Serve (10,0)
- Platz: Cook & Freeze (4,5)
- Platz: Cook & Hold (4,2)
- Platz Cook & Chill (2,4)
Dimension Kosten
(unvollständige Bewertung, ohne Investitionskosten, Betriebs- und Arbeitsmittelkosten)
- Platz: Cook & Hold (2,41 Euro/Mahlzeit)
- Platz: Cook & Chill (2,51 Euro/Mahlzeit)
- Platz: Cook & Serve (2,62 Euro/Mahlzeit)
- Platz: Cook & Freeze (2,95 Euro/Mahlzeit)
Nachgefragt bei den Studien-Autorinnen Dr. Mareike Täger, Prof. Dr. Silke Thiele und Prof. Dr. Linda Chalupová
Wie sind die Ergebnisse einzuordnen?
Warum wurden gängige Nachhaltigkeitskriterien wie Tierwohl und Regionalität ausgeklammert?
Welche Rolle spielten soziale Kriterien wie die Mitarbeiterzufriedenheit?
Mehr dazu haben die Autorinnen der Studie Dr. Mareike Täger, Prof. Dr. Silke Thiele und Prof. Dr. Linda Chalupová der Redaktion GVMANAGER erläutert.
Kann man zusammenfassend von „dem“ nachhaltigsten Speisenproduktionssystem sprechen? Und welches ist das?
Nein, pauschal nicht. Zwar zeigte Cook & Serve bei Gleichgewichtung der Dimensionen Gesundheit, Umwelt und Soziales die meisten Vorteile, doch haben wir festgestellt, dass viele einrichtungsspezifische Faktoren erheblich beeinflussen, wie nachhaltig ein Speiseproduktionssystem umgesetzt werden kann.
Zudem verändert sich die Bewertung, wenn die Indikatoren unterschiedlich gewichtet werden. Beispielsweise erzielt Cook & Hold bessere Ergebnisse, wenn der Fokus auf Energieeffizienz liegt, während Cook & Serve bei der sensorischen Qualität überlegen ist. Dies ist besonders relevant für Entscheidungstragende, die einzelnen Dimensionen und Indikatoren eine unterschiedliche Priorität einräumen.
Auch die Kombination verschiedener Systeme, etwa Cook & Serve und Cook & Hold, könnte Synergieeffekte schaffen, indem gesundheitliche, soziale und ökologische Vorteile miteinander kombiniert werden.
Letztlich hängt die Wahl eines Speiseproduktionssystems jedoch von den spezifischen Schwerpunkten der jeweiligen Anspruchsgruppen ab. Hinzu kommen einrichtungsspezifische Restriktionen, wie die vorhandene Kücheninfrastruktur, verfügbare Flächen oder ein Mangel an Fachpersonal. Daher ist eine differenzierte und individuell angepasste Betrachtung unverzichtbar.
In die Bewertung fließen 20 Indikatoren ein, vom Nährstoffverlust über Energieverbrauch und Lebensmittelabfälle bis hin zu Arbeitssicherheit. Sie mussten quasi „Äpfel“ mit „Birnen“ vergleichbar machen – wie ist das gelungen?
In der Tat war dies eine der Kernüberlegungen bei der Bewertung der Indikatoren. Um die 20 Indikatoren aus den Dimensionen Gesundheit, Umwelt, Soziales und Wirtschaft vergleichbar zu machen, haben wir einen sogenannten „SPS-Nachhaltigkeitsindex“ entwickelt.
Mit diesem Index werden die ursprünglichen Werte der Indikatoren auf eine einheitliche Skala von 0 bis 10 normiert. Dies geschieht durch eine Min-Max-Normierung: Der vorteilhafteste Wert eines Indikators wird auf 10 gesetzt (Max.), der ungünstigste auf 0 (Min.), und alle anderen Werte werden proportional dazwischen eingeordnet.
Ein entscheidender Punkt dabei ist die Richtung des „besten“ Wertes: Bei Indikatoren wie der Gästezufriedenheit wird der größte Wert als optimal betrachtet, während bei Indikatoren wie Lebensmittelabfällen der kleinste Wert als vorteilhaft gilt. Diese Methodik erlaubt es, die Indexwerte in einer Bewertungsmatrix darzustellen und die Speisenproduktionssysteme direkt zu vergleichen. So konnten wir die Grundlage für eine systematische und transparente Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung schaffen.
Als Basis zur Bewertung einer nachhaltigeren Ernährung wurden die vier Zieldimensionen der WBAE herangezogen: Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierschutz. Tierwohl wurde aber in der letztlichen Studie wieder ausgeklammert, warum?
Die Studie konzentrierte sich auf Indikatoren, bei denen produktionssystembedingte Unterschiede zwischen den vier Speisenproduktionssystemen (SPS) erwartet werden können, da dies den Kern der Fragestellung bildet. Zwar ist der Indikator „Tierwohl“ ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigeren Ernährung, jedoch unabhängig vom Speiseproduktionssystem umsetzbar. Außerdem, die Entscheidung über den Einsatz tierwohlgerechter Produkte wird bereits beim Lebensmitteleinkauf getroffen – und damit vor der Warenannahme, die außerhalb der in dieser Studie definierten Systemgrenzen liegt. Daher haben wir diesen Indikator als „nicht systembedingt“ eingestuft und in weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt.
Gleiches gilt auch für Regionalität, oder?
Das ist korrekt. Der Indikator „Regionalität“ ist der Dimension Umwelt zugeordnet. Ähnlich wie beim Indikator „Tierwohl“ haben wir untersucht, ob „Regionalität“ Unterschiede zwischen den Speiseproduktionssystemen aufzeigt. Unsere Analyse ergab, dass alle vier Systeme diesen Indikator gleichermaßen erfüllen können. Außerdem liegt die Entscheidung, ob regionale Lebensmittel verwendet werden, bereits vor der Warenannahme – und damit außerhalb der von uns definierten Systemgrenze. Deshalb wurde dieser Indikator in unserer weiteren Betrachtung nicht berücksichtigt.
Auch das Alter der Gerätetechnik und die Betriebsgröße können die Nachhaltigkeit beeinflussen. Wie haben Sie das einbezogen?
Um Aspekte wie das Alter der Gerätetechnik und die Betriebsgröße zu berücksichtigen, haben wir sieben fiktive Einrichtungen definiert – ein Ansatz, der als Modellierung bekannt ist. Diese Einrichtungen wurden so gestaltet, dass sie über gleiche Rahmenbedingungen verfügen, etwa ein identisches Free Flow-Ausgabesystem, die Produktion von drei gleichen Menüs und vergleichbare Lieferdistanzen (mit Ausnahme von Cook & Serve). Damit konnten wir systembedingte Unterschiede gezielt herausarbeiten.
Die technische Ausstattung wurde an den aktuellen Stand der Technik angepasst und variiert je nach Produktionssystem. Dabei haben wir in allen modellierten Einrichtungen optimale Bedingungen geschaffen, um eine möglichst realistische und vergleichbare Bewertung zu ermöglichen. Die Ausarbeitung erfolgte in Zusammenarbeit mit Experten aus Industrie und Wissenschaft sowie auf Basis einschlägiger Literatur. Diese Grundlage erlaubte es uns, Parameter wie Energieverbrauch und Ressourcennutzung präzise zu modellieren und in die Nachhaltigkeitsbewertung einzubeziehen.
Sie haben auch untersucht, inwiefern die Mitarbeiterzufriedenheit sich systembedingt unterscheidet – anhand welcher Faktoren?
Während Faktoren wie Stundenlöhne nicht direkt vom Speiseproduktionssystem (SPS) beeinflusst werden, können Unterschiede in der Mitarbeiterzufriedenheit vermutet werden, die sich aus der spezifischen zeitlichen und räumlichen Kopplung oder Entkopplung der Systeme ergeben. So ermöglicht die zeitliche Entkopplung bei Cook & Chill und Cook & Freeze eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, was mit einer höheren Arbeitszufriedenheit einhergeht.
Weitere Aspekte, die die Arbeitssituation beeinflussen, wie erhöhter Stress und Zeitdruck durch die enge zeitliche Kopplung bei Cook & Serve oder das Arbeiten in einer kalten Umgebung bei Cook & Chill, wurden im Indikator „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz“ berücksichtigt, um die systembedingten Unterschiede umfassend zu bewerten.
Was ist, wenn sich in Folgestudien andere Ergebnisse herausstellen, z. B. in puncto Energieverbrauch?
Der SPS-Nachhaltigkeitsindex ist bewusst als dynamisches Instrument konzipiert, das flexibel auf neue Erkenntnisse reagieren kann. Sollten Folgestudien beispielsweise andere Ergebnisse in Bezug auf den Energieverbrauch zeigen, können die Maximal- und Minimalwerte entsprechend angepasst werden, genauso wie die Zwischenwerte. Diese Dynamik ermöglicht es, dass der Index stets den aktuellen wissenschaftlichen und technischen Stand widerspiegelt.
Darüber hinaus bietet das Indexmodell die Möglichkeit, neue Indikatoren oder veränderte Gewichtungen in die Bewertung zu integrieren, um spezifische Anforderungen oder neue Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Dadurch bleibt der Index nicht nur flexibel, sondern auch zukunftsfähig und anpassbar an die sich wandelnden Anforderungen der Gemeinschaftsverpflegung.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Umstellung auf Cook & Chill
Wer auf Cook & Chill umstellen möchte, sollte einen Küchenfachplaner zu Rate ziehen. Nichtsdestotrotz lassen sich allgemeine Tipps rund um das Speisenproduktionssystem ableiten. Jürgen Bergjan berichtet aus der Praxis.
Quelle: B&L MedienGesellschaft/15. DGE-Ernährungsbericht