Für unser Special „Digitale Profiküche“ hat die Redaktion GVMANAGER im Juli Vertreter verschiedener Interessensgruppen an einen Tisch gebracht, um Herausforderungen und Chancen rund um die Digitalisierung und Vernetzung in der Hospitality-Branche auszuloten.
In einem über zwei Stunden dauernden, angeregten Gespräch legten ausgewählte Vertreter für die Bereiche Planung, Industrie, Systemintegratoren und Gastro-Betrieb ihre Standpunkte dar und diskutierten über:
- Die Schnittstellenproblematik (Teil 1 der Online-Serie)
- Den Hype um die Datenhoheit bei der Vernetzung (Teil 2)
- Die Aufgabe und Verantwortung des Fachhandels bei der Digitalisierung (Teil 3)
Der Austausch sensibilisierte die Teilnehmer dabei auch für die Herausforderungen ihres Gegenübers und mündete in einem konstruktiven Gespräch.
Dass noch diverse To do’s offen sind, darin waren sich alle einig.
Doch wie könnte jeder Einzelne, stellvertretend für seine Branche bzw. seinen Teilbereich, den er repräsentierte, zur Lösung dieser To do’s beitragen?
Dieser Frage widmen wir uns im zusammenfassenden Teil 4 unserer Online-Serie „Kommunikationsprobleme“.
Die wichtigsten Lösungsansätze für eine schnellere Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche
Was sind die wichtigsten To do’s im Bereich, den Sie repräsentieren?
Frank Wagner: Wir als Planer müssen künftig die technischen Voraussetzungen für eine Vernetzung, also die Hardware, bestimmen. Dazu muss es aber eine zukunftssichere Aussage über die Datenschnittstellen geben. Da WLAN in Küchen nicht immer funktioniert, sind von Anfang an die passenden Datenkabel bereitzustellen. Und dann müssen wir bei der Auswahl vernetzbarer Technik unterstützen.
Was mir noch fehlt, ist jemand, der IT- und Daten-Sprech in Gastronomen- und Planer-Sprech übersetzt.
Rainer Herrmann: Wir müssen aufpassen, dass wir in puncto Digitalisierung, mit KI nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen.
Sehr wichtig aus meiner Sicht ist die Gebrauchstauglichkeit und die reibungslose Funktion, da wurde ich heute bestätigt.
Und ich finde, wir sollten die Finger von allem, lassen was wir nicht automatisieren können. Anstelle einer analogen Checkliste einen Haken per Fingertipp im Tablet zu setzen, hat keinen Mehrwert. Der Haken muss sich automatisch setzen, sonst ist das zu aufwändig und geht oft schief. Und dafür braucht es noch mehr passende Lösungen.
Digitalisierung erfordert darüber hinaus viel detaillierteres Know-how. Daher muss es – analog zum zertifizierten Fachplaner – in Zukunft auch zertifizierte Digitalisierungsberater geben.
Rupert Schmidt: Mein Fazit als Anwender: In unserer Branche passiert schon einiges und es gibt mehr digitale Lösungen, als mir bisher klar war. Meine Hausaufgabe ist, mein Team mehr dafür zu interessieren und den potenziellen Nutzen aufzuzeigen. Meine Bitte an die Industrie und Softwareentwickler: Bitte kein Over-Engineering, verbessert die Benutzerfreundlichkeit auf den Endgeräten, und orientiert euch an den beliebtesten Consumer-Apps – denn die haben uns geprägt. Ich erwarte von einem digitalen Tool, dass es absolut intuitiv zu nutzen ist. Dann akzeptieren die Küchenmitarbeiter an der Basis das auch, denn die wollen kochen und nicht programmieren – und haben oft auch noch eine Sprachbarriere.
Kai Hader: Mein Fazit: Von Industrieseite müssen wir noch stärker daran arbeiten, mitzuteilen, was wir heute schon können.
Wichtig ist es zudem Standards zu schaffen, die technologieoffen sind, weil man nicht weiß, was noch kommt. Und ein weiterer guter Ansatz: Die Beratung rund um Digitalisierung muss besser werden.
Thomas Mertens: Was viel wichtiger ist, um voranzukommen: Dass wir aus diesem Riesen-Wollknäuel mit den zig Verknotungen, etwas schnell Erfassbares machen. Dazu könnte die neue EUIPO-Gewährleistungsmarke Hoosy® beitragen als Gütesiegel für technologieoffene Vernetzbarkeit. Also, wenn man kompatible Hard- oder Software sucht, dann achtet man nur auf die Gewährleistungsmarke Hoosy. Somit kann jeder an dem Transformationshebel selbst Hand anlegen.
Nebenbei arbeiten wir mit der Hospitality Loop Society (Hoosy) in Kooperation mit der Eclass e.V. auch an einer Zertifizierung von Digitalisierungsberatern, indem wir deren System nutzen und nur noch das Hospitality-Wissen on top packen.
Marc-Oliver Schneider: Wir müssen noch mehr trennen zwischen der technischen Seite und der Nutzerseite. Fürs Technische gibt es Ausschüsse und Herstellerverbände, die sich dazu intensivst austauschen – und innerhalb dieser Verbände nochmal Spezialisten dazu – eben weil es so komplex ist.
Viel wichtiger ist es, auf der Anwenderseite die richtige Sprache zu finden und über den tatsächlichen Nutzen zu reden. Nicht auf Teufel komm raus alles zu digitalisieren, sondern zu schauen, wie Prozesse dadurch sicherer und das Arbeiten einfacher wird.
Das Digi-Round-Table und seine Teilnehmer
- Der Planer: Frank Wagner, Präsident des FCSI Deutschland-Österreich und Partner bei KDREI Planungsgesellschaft, sieht Vernetzung nicht als Allheilmittel und wünscht sich weniger Fach-Chinesisch.
- Der Industrievertreter: Kai Hader, Head of Digital Sales bei Rational, sieht in den Küchen und ihren Prozessen großen Nachholbedarf in puncto Digitalisierung. Zudem müsse sich die Industrie mehr öffnen und den Blick vom eigenen Gerät auf die Systemlandschaft des Kunden erweitern.
- Der Innovative: Thomas Mertens, Thomas Mertens, Datentreiber und Experte für Prozesse und Analytics Clouds innerhalb des FCSI und Inhaber von S.A:M-Strategy Consultants, treibt als Berater für technologieoffene Datenmanagementsysteme diverse Innovationen mit voran, u. a. eine neue AI-Open-Source-Plattform.
- Der Übersetzer: Marc-Oliver Schneider, Geschäftsführer von Kiconn bringt als Systemintegrator herstellerunabhängig Geräte in den Austausch und „übersetzt“ deren Sprachen. Der Nutzen für den Anwender wird seiner Meinung nach zu wenig kommuniziert.
- Der Praktiker: Rupert Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter von Gusto Bavaregio, einer Cook & Chill-Zentralküche, ist digital affin, hat aber zu wenig Zeit, um detaillierter einzusteigen und fühlt sich schlecht informiert.
- Der Problemlöser: Rainer Herrmann, Geschäftsführer von m2m Systems, war u. a. großer Treiber einer standardisierten Vernetzung. OPC-UA als ausschließlichem Standard, steht er inzwischen ebenso kritisch gegenüber, wie einer Digitalisierung um jeden Preis. Manche Probleme lassen sich seiner Meinung nach analog einfacher lösen.
- Die Multiplikatorin: Claudia Kirchner, Chefredakteurin des Fachmagazins GVMANAGER, begleitet das Thema Vernetzung von Profiküchen redaktionell schon ziemlich lange und wundert sich, warum sich die Branche noch immer im Kreis dreht.
Cyber-Angriffen in Gastro-Betrieben vorbeugen
Auch Gastro-Betriebe sind angesichts der Digitalisierung nicht vor Cyber-Kriminellen sicher. Wie können sich Profiküchen schützen und was ist im Ernstfall zu tun? Viele Checklisten und übersichtliche Tipps dazu finden Sie hier.
Quelle: B&L MedienGesellschaft