Die Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche standen im Fokus eines Round-Table-Gesprächs von Experten, veranstaltet vom GVMANAGER.
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Kommunikationsprobleme – Teil 1: Trotz Schnittstellenstandard?

Für unser Special „Digitale Profiküche“ haben wir im Juli Vertreter verschiedener Interessensgruppen an einen Tisch gebracht, um Herausforderungen und Chancen rund um die Digitalisierung und Vernetzung in der Hospitality-Branche auszuloten.

Die Teilnehmer der lebhaften Diskussion waren:

Die Teilnehmer des Digi-Round-Tables rund um die Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche, veranstaltet vom GVMANAGER.
v.l. (im Uhrzeigersinn): Claudia Kirchner, Frank Wagner, Kai Hader, Thomas Mertens, Marc-Oliver Schneider, Rainer Herrmann (Quelle: Teodorescu)
  • Der Planer: Frank Wagner, Präsident des FCSI Deutschland-Österreich und Partner bei KDREI Planungsgesellschaft, sieht Vernetzung nicht als Allheilmittel und wünscht sich weniger Fach-Chinesisch.
  • Der Industrievertreter: Kai Hader, Head of Digital Sales bei Rational, sieht in den Küchen und ihren Prozessen großen Nachholbedarf in puncto Digitalisierung. Zudem müsse sich die Industrie mehr öffnen und den Blick vom eigenen Gerät auf die Systemlandschaft des Kunden erweitern.
  • Der Innovative: Thomas Mertens, Thomas Mertens, Datentreiber und Experte für Prozesse und Analytics Clouds innerhalb des FCSI und Inhaber von S.A:M-Strategy Consultants, treibt als Berater für technologieoffene Datenmanagementsysteme diverse Innovationen mit voran, u. a. eine neue AI-Open-Source-Plattform.
  • Der Übersetzer: Marc-Oliver Schneider, Geschäftsführer von Kiconn bringt als Systemintegrator herstellerunabhängig Geräte in den Austausch und „übersetzt“ deren Sprachen. Der Nutzen für den Anwender wird seiner Meinung nach zu wenig kommuniziert.
  • Der Praktiker: Rupert Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter von Gusto Bavaregio, einer Cook & Chill-Zentralküche, ist digital affin, hat aber zu wenig Zeit, um detaillierter einzusteigen und fühlt sich schlecht informiert.
  • Der Problemlöser: Rainer Herrmann, Geschäftsführer von m2m Systems, war u. a. großer Treiber einer standardisierten Vernetzung. OPC-UA als ausschließlichem Standard, steht er inzwischen ebenso kritisch gegenüber, wie einer Digitalisierung um jeden Preis. Manche Probleme lassen sich seiner Meinung nach analog einfacher lösen.
  • Die Multiplikatorin: Claudia Kirchner, Chefredakteurin des Fachmagazins GVMANAGER, begleitet das Thema Vernetzung von Profiküchen redaktionell schon ziemlich lange und wundert sich, warum sich die Branche noch immer im Kreis dreht. 

Theorie versus Machbarkeit bei der Vernetzung

Theoretisch lässt sich heute schon der gesamte Workflow einer Profiküche digital abbilden: Der Gast bestellt sein Essen, die Info geht ans Warenwirtschaftssystem und in die Küche, über das passende Rezept lässt sich der Kombidämpfer automatisch einstellen, dieser aktiviert Lüftung und später Spülmaschine. Parallel gehen die Kerntemperaturen der Hauptspeise ins HACCP-Management usw. Doch damit diese Art der durchgängigen Kommunikation möglich ist, müssen die Geräte erst in einen Austausch gebracht, sprich vernetzt werden. Und: Sie müssen dieselbe Sprache sprechen. Technisch gesehen liegt dem Ganzen eine Schnittstellenproblematik und viele sowie auch noch fehlende Standards zugrunde.

Wie stehen die Roundtable-Experten zur Kommunikationsschnittstelle?

Über den Status quo aus der Perspektive des Praktikers, der Fachplaner, der Industrie und neutraler Systemintegratoren diskutierten ausgewählte Vertreter im Juli in einem Round-Table-Gespräch.

Haben wir mit DIN Spec. 18898, der sogenannten Kommunikationsschnittstelle, nicht bereits einen Standard in der Branche, der die Vernetzung erleichtert? Was ermöglicht dieser Standard?

Marc-Oliver Schneider: Diese Norm, die viele namhafte Hersteller erfahrungsbasiert auf den Weg gebracht haben, ist zweiteilig. Einerseits gibt sie vor, wie wir Daten austauschen – nämlich basierend auf OPC-UA, einem weltweit verbreiteten Industriestandard für Produktionsanlagen. Andererseits beschreibt sie in einer Art Protokoll, welche Daten von Gerät zu Gerät ausgetauscht werden. Das heißt, an erster Stelle des Datensatzes steht z. B. jedes Mal die Temperatur vom Innenraum, an zweiter Stelle die Kerntemperatur etc.
Die DIN 18898 ist in Deutschland entwickelt worden und wird nun in Europa ausgerollt. Auch die USA sind interessiert daran. Denn sie haben einen Vergleich mit ihrem eigenen Standard (NAFEM) gezogen und festgestellt: Das ist wie der Umstieg von einer Kutsche auf einen Ferrari.
Folglich haben wir schon einen guten Standard gesetzt – zumindest für die Gerätekommunikation. Für sonstige Systemkommunikation, wie den Datenaustausch mit dem Warenwirtschaftssystem ist eine andere Schnittstelle oder Logik sinnvoll. Denn mit einem Standard kann ich nicht alles erfassen.

Marc-Oliver Schneider, Geschäftsführer von Kiconn, war Teilnehmer des Digi-Round-Tables rund um die Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche.
(Quelle: Aktas)

„Wir haben mit DIN Spec. 18898 schon einen guten Standard gesetzt – zumindest für die Gerätekommunikation. Für sonstige Systemkommunikation, wie den Datenaustausch mit dem Warenwirtschaftssystem ist eine andere Schnittstelle oder Logik sinnvoll. Denn mit einem Standard kann ich nicht alles erfassen.“

Marc-Oliver Schneider, Kiconn

Rainer Herrmann: Das sehe ich etwas anders. Diese Kommunikationsschnittstelle habe ich einst selbst vorangetrieben, weil ich dachte – aus der Brille der Industrie betrachtet – das kommt dem, was wir benötigen, am nächsten. Aber es hat sich gezeigt, dass sich diese Art der Anbindung nicht für alle Geräte und Anknüpfungspunkte in Profiküchen eignet. Gerade wenn wir aus der Küche übergehen ins Gebäude, Stichpunkt BIM, oder Wireless zu weiteren Netzwerken und Dienstleistungen, reicht OPC-UA bei Weitem nicht aus.
Dem Planer zu suggerieren, dass er bei der Küchenvernetzung einfach nur nach DIN Spec OPC-UA ausschreiben muss, ist der falsche Ansatz.
Offene API‘s sind der bessere Weg. Jedes Gerät soll die Daten rausgeben, die wichtig sind. Der Kunde kann dann entscheiden, wie er die Daten nutzen möchte, was auch dem EU Data Act entspricht. Im Markt gibt es über 250 zertifizierte Schnittstellen, die alle ihre Berechtigung haben.
Ich bin mehr denn je überzeugt: Ein Standard wird nur über die Semantik funktionieren. Dass man also gemeinsame Begrifflichkeiten findet und ein gemeinsames Verständnis und eine Klassifizierung dazu entwickelt. Wenn ich z. B. Grad Celsius messe mit 8 Kommastellen, muss das auch der andere verstehen. Daher unterstütze ich Thomas Mertens gerade dabei, eine gemeinsame Semantik in die Branche zu tragen.

Rainer Herrmann im Gespräch mit Rupert Schmidt
(Quelle: Aktas)

„Es hat sich gezeigt, dass sich die Anbindung über die sogenannte Kommunikationsschnittstelle nicht für alle Geräte und Anknüpfungspunkte in Profiküchen eignet.
Dem Planer zu suggerieren, dass er bei der Küchenvernetzung einfach nur nach DIN Spec. 18898 OPC-UA ausschreiben muss, ist der falsche Ansatz.
Offene API‘s sind der bessere Weg. Jedes Gerät soll die Daten rausgeben, die wichtig sind. Der Kunde kann dann entscheiden, wie er die Daten nutzen möchte.“

Rainer Herrmann, m2m systems

Was genau ist geplant in Hinblick auf eine gemeinsame Semantik für die Hospitality-Branche?

Thomas Mertens: Wir wollen eine Plattform oder ein Format zu schaffen, wo sich alle Branchenbegleiter treffen können, vom Anwender, über den Software- und Hardware-Hersteller bis hin zum Planer. Dort werden Probleme und neue Möglichkeiten der digitalen Anbindung beurteilt – ohne den Kunden zu belästigen. Wiederkehrende Bausteine oder Probleme werden einmalig von den Beteiligten gelöst und dann der Community zur Verfügung gestellt.

Wir müssen die Gesamtheit der Hospitality-Prozesse so aufbereiten, dass sie individualisiert oder skaliert werden können – für den kleinen wie den großen Betrieb. Jeder nimmt sich das, was er braucht. Nur so kommen wir bei der immer schnelleren Entwicklung mit.
Aufgebaut ist das Ganze wie ein semantisches System, das es bereits seit 17 Jahren gibt, nur noch nicht mit unserem Branchenbezug. Und wir sind dabei, das jetzt zu starten unter dem Namen HOOSY e.V. – Hospitality Loop Society. Dabei nutzen wir das System der Eclass e.V. und packen nur noch das Hospitality-Wissen on top.

Thomas Mertens von S.A.M. Strategy Consultants und FCSI-Mitglied war Teilnehmer des Digi-Round-Tables rund um die Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche.
(Quelle: Aktas)

„Hinter Hoosy verbirgt sich eine Alliance zertifizierter Anbieter, die Software, Hardware und Services liefert, die nach unseren zertifizierten Standards kommunizieren. Hinzukommt, dass Hoosy eine EUIPO-Gewährleistungsmarke ist, also ein Gütesiegel für technologieoffene Vernetzbarkeit. In der Praxis sieht das dann so aus: Wenn man als Planer, Berater oder Kunde kompatible Hard- oder Software für ein Projekt sucht, dann achtet man nur auf die Gewährleistungsmarke HOOSY.“

Thomas Mertens, S.A:M-Strategy Consultants

Wie erleichtert und beschleunigt HOOSY den Prozess der Digitalisierung und Vernetzung?

Thomas Mertens: Hinter Hoosy verbirgt sich eine Alliance zertifizierter Anbieter, die Software, Hardware und Services liefert, die nach unseren zertifizierten Standards kommunizieren. Hinzukommt, dass Hoosy eine EUIPO-Gewährleistungsmarke ist, also ein Gütesiegel für technologieoffene Vernetzbarkeit. In der Praxis sieht das dann so aus: Wenn man als Planer, Berater oder Kunde kompatible Hard- oder Software für ein Projekt sucht, dann achtet man nur auf die Gewährleistungsmarke HOOSY. Somit kann jeder an dem Transformationshebel selbst Hand anlegen.

Rainer Herrmann: Die Prozesse müssen einfach dynamisiert werden. Ob wir dafür zwingend Big Data brauchen, bezweifle ich. Man muss die Daten erfassen, die man benötigt – und das möglichst genau und exakt. Das ist der Kern, um dann in Zukunft über KI nachzudenken.

Kai Hader: Allerdings scheitern wir heute meist bei der Drittgeräteintegration. Nicht immer lässt sich alles vernetzen.
Die Normung in Form von OPC-UA war der erste Schritt, aber ganz klar nicht der letzte. Wir haben von vornherein gesagt, es muss auch eine Möglichkeit geben OPC-UA via Cloud zu integrieren, denn wir können und werden es nicht schaffen, überall per LAN nachzuvernetzen – alleine der Investitionsaufwand ist für den einzelnen Anwender nicht zu stemmen.

Was würde so eine nachträgliche Vernetzung denn ungefähr kosten?

Kai Hader: Das kann man nicht pauschalisieren, aber bei einem durchschnittlichen Küchenbetrieb ist der Invest locker fünf- bis sechsstellig für Nachverkabelung und Co.

Kai Hader von Rational war Teilnehmer des Digi-Round-Tables rund um die Digitalisierung und Vernetzung der Hospitality-Branche.
(Quelle: Aktas)

„Nicht immer lässt sich alles vernetzen.
Die Normung in Form von OPC-UA war der erste Schritt, aber ganz klar nicht der letzte. Wir haben von vornherein gesagt, es muss auch eine Möglichkeit geben OPC-UA via Cloud zu integrieren, denn wir können und werden es nicht schaffen, überall per LAN nachzuvernetzen – alleine der Investitionsaufwand ist für den einzelnen Anwender nicht zu stemmen.“

Kai Hader, Rational

Marc-Oliver Schneider: Wobei die alte Technik oft gar nicht kommunizieren kann, die hat gar keine Buchse, wo man die Daten rausziehen kann.
Viele Hersteller machen ihre Geräte jetzt erst netzwerkfähig und kommen langsam mit Systemen auf Basis von der DIN 18898 in den Markt.

Rainer Herrmann: Nochmal: Dieser OPC-UA-Ansatz auf der unteren Schicht, also der physikalischen Schicht, ist nach Ansicht von Thomas und mir der falsche, wir müssen uns auf der Schicht der Semantik und Applikationen einigen, damit viele neue Ideen, Geschäftsmodelle und auch Super-Apps entstehen können.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Weitere Themen des Digi-Round-Table

Teil 2: Ist der Hype um die Datenhoheit berechtigt?
Teil 3: Sollte der Fachhandel mehr Verantwortung und Aufgaben bei der Digitalisierung übernehmen?
Teil 4: Was sind die To do’s auf Seiten der Planer, Industrie, Anwender und Systemintegratoren, um die Digitalisierung besser voranzutreiben?
Lesen Sie weitere Statements aus dem Digi-Round-Table-Gespräch in den Teilen 2, 3 und 4.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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