Die Digitalisierung, der zunehmende Fachkräftemangel und sich immer schneller ändernden Anforderungen an Unternehmen fordern auch von Führungskräften neue Kompetenzen, die sie sich in modernen Führungsmodellen wie Teamlead und VOPA+ abschauen können. Bestehende Managementmodelle wie transaktionale und transformale Führung geben hier eine gute Basis, allerdings sind nicht alle Bestandteile in der Gastronomie so umsetzbar.
„Wichtig ist, dass wir uns immer wieder selber hinterfragen, um anpassungsfähig zu bleiben. Wer zukünftig Mitarbeiter halten möchte, muss dazu in der Lage sein loszulassen.“
Benjamin Bußmann
Die digitale Vernetzung ermöglicht flexible und dezentrale Arbeitsmodelle. Mitarbeiter können remote und aus dem Homeoffice arbeiten und Arbeitszeiten selbst festlegen. Dabei darf der Gast nicht aus dem Fokus geraten. Agile Arbeitsmethoden orientieren sich immer am Gast (Kunden) und können nur erfolgreich eingesetzt werden, wenn Teams auf eine gemeinsame Vision hinarbeiten. Vielversprechende Ansätze in der aktuellen sogenannten VUCA-Welt, die von Unsicherheit, Flüchtigkeit, Instabilität und Misstrauen geprägt ist, liefern hier Führungsmodelle wie etwa Teamlead und VOPA+.
Was steckt hinter dem Führungsmodell Teamlead?
Einen wichtigen Beitrag zu einem effektiven und zeitgemäßen Führungsverhalten liefert das Modell Teamlead. Unterteilt in sechs aufeinander aufbauende Systemfunktionen und 23 konkrete Führungsaufgaben stellt es Mikrosysteme wie Projektteams oder Abteilungen in den Mittelpunkt.
Die sechs Kernaufgaben von Digital Leadern sind laut Teamlead:
- Differenzmanagement: Setzt klare Grenzen und sichert Zielklarheit im Team.
- Ressourcenmanagement: Umfasst die bedarfsorientierte Verteilung von materiellen und immateriellen Ressourcen.
- Strukturmanagement: Legt klare Rollen und Verantwortlichkeiten im Team fest.
- Prozessmanagement: Bewältigt zeitliche Komplexität durch Ablaufplanung und Lösung von Anschlussproblemen.
- Reflexionsmanagement: Analysiert und verbessert die Funktionalität des Teams durch Monitoring und Steuerungssysteme.
- Entwicklungsmanagement: Verhindert Überlastung, delegiert Aufgaben bei Bedarf und schließt Projekte ab, wenn das Teamziel erreicht ist.
Im Gegensatz zu den klassischen Führungsmodellen antwortet das Modell Teamlead mit konkreten Aufgaben, um Reibungsverluste, Komplexität und Dynamik unter einen Hut zu bekommen. Es ergänzt die klassischen Führungsmodelle und unterstützt Führungskräfte dabei, Teams zu Top-Leistungen zu führen. Klassische Führungsmodelle bauen auf eine Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung auf. Es sind statische Modelle, die keine situativen Aspekte berücksichtigen und somit nur wenig Orientierung im Führungsalltag geben. Das Führungsmodell Teamlead dagegen strebt eine gezielte Selbststeuerung von Teams an, um Reaktionszeiten, Anpassungsfähigkeit und flexible Antworten auf unerwartete Ereignisse so kurz wie möglich zu halten.
Was steckt hinter VOPA+?
In einem agilen und digitalen Zeitalter reicht pures Vertrauen nicht mehr aus. Das Führungskonzept VOPA+ erweitert den zentralen Vertrauensaspekt um die Begrifflichkeiten Vernetzung, Offenheut, Agilität und Partizipation. Es soll dabei helfen, in einer volatilen Umwelt, die wiederum spezeille Anpassungen im Kontext Führung fordert, die Gegenwart und Zukunft optimal zu gestalten. Bisherige Hierarchiekonstrukte sollen aufgebrochen und agile und vernetzte Arbeitsstrukturen in bestehende Modelle eingepflanzt und (vor-)gelebt werden.
- Vernetzung: Die Kommunikation ist durch die flächendeckende Einführung des Internets schneller denn je. In der Kommunikation ist darauf zu achten, dass zielgruppengerecht kommuniziert wird. Für die Kommunikation nach außen, zu den Kunden und jenen, die es werden sollen, ist Social Media nicht mehr wegzudenken. Ob Instagram, TikTok oder Businessplattformen wie Linkedin oder XING, Kommunikation findet digital statt. Innerhalb der Organisation und mit den Stakeholdern kann Kommunikation auf mannigfaltigen Systemen erfolgen. Klassischerweise werden Informationen über Intranet oder per E-Mail geteilt. Social Software kommt bereits im überwiegenden Teil der Unternehmen zum Einsatz.
- Offenheit: Für (Digital-)Leader ist es unerlässlich, offen und transparent zu kommunizieren. Dafür können die bereits beschriebenen Kanäle zum Einsatz kommen. Damit Mitarbeiter ihr volles Potenzial ausschöpfen können, ist es vorteilhaft, dass Informationen proaktiv von Führungskräften zur Verfügung gestellt werden. Optimale und effiziente Ressourcennutzung und Entscheidungswege sind nur möglich, wenn die Mitarbeiter auch die Anforderungen ihrer Führungskraft kennen.
- Partizipation: Hierarchisch geprägte Strukturen sieht das Modell VOPA+ nicht vor. Stattdessen sollen Gedanken und Ideen von Mitarbeitern ernstgenommen und gehört werden. Wirkliche Teilhabe inkludiert Wertschätzung des Mitarbeiters und lässt die gesamte Belegschaft an Entscheidungen mitwirken.
- Agilität: Als Agilität bezeichnet man die Eigenschaft von Teams und Organisationen, in von Unsicherheit gezeichneten Zeiten schnell, effizient und nach Kundenbedürfnis auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Klar abgegrenzte Aufgabenverteilungen und Handlungsbereiche lassen die Effizienz des Unternehmens nicht abnehmen. Begangene Fehler können im eigenen Handlungsraum autonom behoben und erkannt werden.
- „+“: Das neue Führungsverständnis ist geprägt von Vertrauen, hierfür steht das „+“. In Organisationen, in denen von den Führungskräften vorgelebt wird, dass das entgegengebrachte Vertrauen die Grundlage der oben aufgeführten Punkte ist und Kontrollme-chanismen abgebaut werden, etabliert sich ein neues Führungsverständnis. Das Vertrauen in die eigene Arbeit und die Arbeit der Mitarbeitenden, unabhängig ob im virtuellen oder analogen Raum, ermöglicht autonomes Arbeiten.
Über den Autor
Benjamin Bußmann hat den Corona-Leerlauf genutzt, um seinen Bachelor in BWL mit dem Schwerpunkt marktorientierte Unternehmensführung zu machen. Seine Erkenntnisse, wie künftig Leadership in unserer Branche aussehen sollte, hat er für den GVMANAGER zusammengefasst.
Unter dem Titel „Neues Leadership in aktuellen Arbeitswelten – Führungskraft 4.0 in der Gastronomie & Hotellerie“ hat Benjamin Bußmann im Oktober seine Bachelorthesis an der Hochschule für angewandtes Management bestanden. Gestartet hat er das Projekt, auf Empfehlung eines Kollegen, mitten im Corona-Lockdown und Leerlauf. Ein Jahr später wurde das Ganze zu einer großen Herausforderung: Es galt Studium und Vollzeitjob als Bereichsleitung Catering parallel zu meistern. Seine Erkenntnisse möchte Benjamin Bußmann mit seinem Artikel, der in GVMANAGER Ausgabe 1-2/2024 erschienen ist, gerne in die Branche tragen. Sein Appell: „Wichtig ist, dass wir uns immer wieder selber hinterfragen, um anpassungsfähig zu bleiben. Wer zukünftig Mitarbeiter halten möchte, muss dazu in der Lage sein loszulassen.“
Quelle: Benjamin Bußmann
Weiterbildungs-Navi
Die Serie „Weiterbildungs-Navi“ aus dem GVMANAGER führt Verantwortliche durch das Dickicht der Weiterbildungs-Chancen und -Hürden. Sie erfahren u. a., wie Weiterbildung zum Profilierungs- und Bindungs-Tool wird, welchen Nutzen Digitalisierung bringt oder wie man aus dem Gros der Coaching-Angebote die besten Weiterbildungspartner wählt. Hier gelangen Sie zu Teil 1, dem Weg zum Systematischen Konzept.