Ende 2022 wurden durch die Gastronomie am Klinikum detaillierte Analysen der Lebensmittelabfälle in der Zentralküche am Universitätsklinikum Freiburg in die Wege geleitet – initiiert durch Joachim Tschocke, Leiter der Wirtschaftsbetriebe. Federführend verantwortlich für die Messungen war Jochen de Rossi, Produktionsleiter in der Zentralküche, der 2018 schon einmal Messungen in Eigenregie vorgenommen hatte. „2022 haben wir die Abfallmessungen dann mit Unterstützung von Green Guides durchgeführt“, erklärt er und ergänzt: „Wir haben bei den vorherigen Messungen Streichfette, Marmeladen und Co. auch gesammelt und gewogen. Allerdings haben wir diese in der Statistik als ,ungeöffnete Lebensmittel‘ zusammen mit anderen Komponenten aufgeführt. Die Spezialisten von Green Guides sind durch eine Komponentenmessung sehr in die Tiefe gegangen und haben diese Produkte in ihrer detaillierten Auswertung separiert – etwas, das sehr zeitintensiv war.“
Doch genau diese „Detailverliebtheit“ der Green Guides ist das, was für einen Aha-Effekt bei Jochen de Rossi und seinen Kollegen gesorgt hat. Das insbesondere so viel Streichfette – auch wenn in Einzelportionen verpackt – nach Frühstück und Abendessen zurück in die Küche kommen, sei ihm und seinem Team gar nicht bewusst gewesen. Betriebsblindheit, die zu unnötigen Abfällen führt – wie er einräumt.
Maßnahmen zur Abfallreduktion
Auf Grundlage der entstandenen Abfälle wurden Maßnahmen ergriffen, die seitdem dazu beitragen, die Lebensmittelverschwendung Stück für Stück zu verringern. „Fünf Prozent des Gesamtvolumens an Abfällen der Zentralküche konnten wir dank der Zusammenarbeit mit Green Guides bereits reduzieren“, beziffert Jochen de Rossi. Mehr sei natürlich erstrebenswert und das Ziel.
Das Team will sich stetig weiter verbessern. „Vor allem in großen Einrichtungen mit vielen Schnittstellen und Bereichen benötigt es Zeit, um alle Prozesse optimal aufeinander abzustimmen. Die Erfahrung zeigt, dass eine Reduktion von bis zu 30 Prozent möglich ist, doch dies erfordert schrittweises Vorgehen und die konsequente Weiterentwicklung aller Beteiligten“, weiß Torsten von Borstel von Green Guides aus Erfahrung. Potenziale sieht Jochen de Rossi z. B. noch bei den Punkten Überproduktion und bei der Überschreitung des MHD.
Größter Erfolg – Mittagessen
Die größte Abfallmenge entsteht bei der Patientenverpflegung des Universitätsklinikums Freiburg – gemessen am Gewicht – insbesondere zur Mittagszeit. Eine sehr wesentliche Maßnahme, die zur Reduktion ergriffen wurde: Die Tagessuppe kommt nicht mehr pauschal für jeden Patienten auf das Tablett; auch auf dem Speiseplan ist diese in Schriftform nicht mehr zu finden. Stattdessen bestellen die Menüassistentinnen die Suppe auf aktive Nachfrage der Patienten. „Dadurch bestellen nur die Patienten die Suppe, die sie auch wirklich essen wollen“, erklärt Jochen de Rossi und ergänzt: „Dadurch kochen wir mittlerweile nur noch die Hälfte der Suppenmenge wie vor der Messung.“ Ein ergänzender positiver Nebeneffekt: Die Zeit zum Portionieren der Suppe verringert sich und auch weniger Geschirrteile müssen gespült werden, was letztlich auch einen positiven Einfluss auf die Ressource Personal hat.
Aktuell befindet sich das Team um Jochen de Rossi zudem dabei, sämtliche Rezepte zu überarbeiten und so anzupassen, dass künftig zusätzliche unnötige Abfälle vermieden werden können. Der Aufwand, der dahintersteckt, ist aufgrund der Rezeptmenge immens.
So wurden bereits teilweise Komponenten ausgetauscht, Gewichte verändert, der Kellenplan wurde angepasst und das Verhältnis Stärkebeilagen zu Sauce wurde nachjustiert. „Wenn man viel Reis auf den Teller gibt, aber nur wenige Sauce, kann man sich vorstellen, dass der trockene Reis letztlich als Tellerrest zurück in die Küche kommt“, wirft Jochen de Rossi ein.
Casino des Universitätsklinikums Freiburg auf dem Prüfstand
Als nächster Step steht gemeinsam mit den Green Guides eine Abfallmessung im Mitarbeitercasino an. „Ich gehe davon aus, dass dort vor allem die Überproduktion – aufgrund schwankender Essenszahlen – das größte Volumen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen generiert“, äußert Jochen de Rossi eine Vermutung. Denn die Mitarbeiter des Klinikums kämen eben nur ins Casino, wenn sie hungrig sind. „Die geschöpfte Portion des Mittagessens schaffen sie in der Regel dann auch. Tellerreste entstehen im Casino nur sehr selten“, weiß der Produktionsleiter.
Eine der Maßnahmen, die das Küchenteam hier zeitnah umsetzen will, ist die Verringerung des Speisenangebots zum Ende der Ausgabezeit. Um hier den Klinikmitarbeitern, die erst spät zum Mittagessen kommen, dennoch eine Auswahl – attraktiv präsentiert – anzubieten, werden künftig einfach die Behältergrößen zum Serviceende hin angepasst.
Einfluss nehmen
„Es war schon eine Herausforderung im täglichen Alltag, die Abfälle immer zu dokumentieren und festzuhalten“, blickt Stephanie Müller, Nachhaltigkeitsbeauftragte für die Gastronomie des Universitätsklinikums Freiburg, zurück. „Das darf man nicht vergessen, weil der Betrieb ja auch weiterlaufen muss“, erklärt sie den Grund, warum es wichtig ist, die Mitarbeiter bei einem solchen Projekt von Anfang an mitzunehmen. Der Austausch mit den Küchenmitarbeitern sei demnach wichtig gewesen – jeder konnte seine Ideen zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung einbringen.
Workshops mit allen Parteien – sprich Küchenmitarbeitern sowie Menüassistentinnen – fanden ebenfalls mehrmals statt: In diesen haben die Green Guides den einzelnen Personen auch die aus den Messungen abgeleiteten Maßnahmen vorgestellt, um dafür zu sensibilisieren.
„In einem Krankenhaus wird es immer die Situation geben, dass ein Patient aufgrund seiner Erkrankung eine Mahlzeit mal nicht zu sich nehmen kann– und das ist nicht immer vorauszusehen“, weiß Jochen de Rossi aus Erfahrung. „Nicht auf alles können wir Einfluss nehmen. Wir legen uns im Fokus deshalb genau auf die Punkte, die wir beeinflussen können: so nah wie möglich an den tatsächlichen Essenszahlen dran zu sein und die Überproduktion zu vermeiden.“
Künftig will das Team auch das Infotainment, also die Bildschirme am Bett der Patienten, nutzen, um einen Nudging-Aufruf zu machen, damit die Patienten nur so viel bestellen, wie sie brauchen. „Wir wollen in puncto Lebensmittelwertschätzung alle zusammen an einem Strang ziehen – und dazu gehören ein Stückweit auch die Patienten“, schließt der Produktionsleiter.
Auf einen Blick: Zentralküche des Universitätsklinikums Freiburg, Freiburg im Breisgau
- Leiter Gastronomie: Joachim Tschocke
- Produktionsleitung Zentralküche: Jochen de Rossi
- Produktionssystem: überwiegend Cook & Serve und Cook & Chill (für Patienten), Cook & Serve bzw. Hold (für Mitarbeiter)
- Verpflegungsphilosophie: bei der Zusammenstellung der Speisen wird auf Regionalität, Ausgewogenheit, jahreszeitliche Begebenheiten und Vielfältigkeit geachtet – unter Berücksichtigung ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse und Einhaltung der DGE-Qualitätsstandards; Beitrag zum Wohlbefinden und der Genesung
- Menüauswahl: Vollkost, Angepasste Vollkost, Vegetarisches Menü (nach Absprache: vegan), DGE-zertifizierte Menülinie, Sonderkostformen; Zugangsessen: vegetarisches Menü/angepasste Vollkost
- Essensbestellung: erfolgt über Menüassistentinnen am Vortag zw. 8 und 12.30 Uhr, Storno muss bis 10 Uhr erfolgen, da dann die Patientendatei zur Portionierung gedruckt wird
- Essenszahl: 1.400 Frühstücke und Abendessen pro Tag, 1.600 Mittagessen (Anzahl Betten: 1.500)
- Anzahl Mitarbeiter: (fest angestellt), davon ca. 50 Fachkräfte, 10 Köche; ca. 80 Aushilfen
Stadt Ulm senkt Abfallaufkommen an Schulen
An 38 Schulen hat die Stadt Ulm Abfallmessungen in Zusammenarbeit mit Green Guides vorgenommen. War eine Reduktion des Abfalls um zehn Prozent angestrebt, konnte die Stadt dieses Wunschergebnis sogar verdoppeln. Doch wie hat sie das gemacht? Mehr in diesem Beitrag.
Quelle: B&L MedienGesellschaft