Gerald Wüchner gilt als Pionier der mediterranen Küche und hat diese vor 25 Jahren in den Klinikküchen von ANregiomed eingeführt.
Quelle: ANregiomed

Der mediterrane Pionier

Dass er einmal großen Fleischportionen, Butter und Sahne abschwören würde, hätte Gerald Wüchner – gelernter Metzger und Koch sowie einstiger Jünger der Nouvelle Cuisine – vor 40 Jahren wohl nicht gedacht. Heute gilt der Küchendirektor des fränkischen Klinikverbundes ANregiomed als Pionier der mediterranen Küche in Kliniken und hat ein kulinarisch komplett anderes Verständnis.

„Generell muss die mediterrane Küche nicht dogmatisch gelebt werden. Auch der Genuss ist wichtig! Daher empfehle ich immer, 300 Tage im Jahr mediterrane Küche zu genießen und die restlichen 65 Tage zu sündigen.“

Gerald Wüchner, Küchendirektor, ANregiomed

Aha-Erlebnis durch Internationales Konsensus-Statement

Begonnen hat alles 1997. Damals fiel Gerald Wüchner das Internationale Konsensus-Statement über Olivenöl und die mediterrane Ernährung und deren positive Auswirkungen auf die Gesundheit in Europa in die Hände.
Für den damaligen Küchenchef im Klinikum Rothenburg ein Aha-Erlebnis: „Ich erkannte, dass wir mit der mediterranen Kost viele klassische Diätformen ersetzen können, ohne den Patienten das Gefühl des Verzichts zu geben.“ Zudem entdeckte er darin eine langfristige Ernährungsweise, die sich auch nach dem Klinikaufenthalt in den Alltag der einstigen Patienten integrieren ließe.

„Es bräuchte eine stärkere politische und wirtschaftliche Unterstützung für präventive Maßnahmen. Ich sehe es als Aufgabe von Klinikküchen, Patienten zu motivieren, sich selbst um ihre Gesundheit zu kümmern. Wir haben gelernt, Menschen kulinarisch zu verführen – wenn wir das mit Ernährungskompetenz kombinieren, könnten wir viel erreichen. So holen wir viele einstige Patienten durch Kochkurse zu uns zurück – rund 5.000 Teilnehmer kamen in den vergangenen 25 Jahren zusammen.“

Gerald Wüchner

Marketing für mediterrane Küche

Gemeinsam mit der Deutschen Herzstiftung hat Gerald Wüchner zwei Kochbücher über die mediterrane Küche herausgebracht.
Quelle: Deutsche Herzstiftung

Dass die mediterrane Kost heute in der Gemeinschaftsgastronomie so populär ist, ist auch dem unermüdlichen Marketing des Küchendirektors für sein Herzensthema zu verdanken. „Die mediterrane Küche ist für mich keine Arbeit, sie ist Teil meines Lebens und wird mich immer begleiten“, resümiert der 63-Jährige, der immer wieder in der Regional- und Fachpresse, in Radio und Regionalfernsehen auftaucht, zudem Kochbücher herausgibt und Kochkurse veranstaltet.

Nachgefragt bei: Gerald Wüchner, ANregiomed

Wie gelingt es, die mediterrane Küche trotz straffem Budget in Klinikküchen umzusetzen?
Was hatte die Einführung vor 25 Jahren mit der Digitalisierung zu tun?
Wie wurde Gerald Wüchner zum Marketingprofi?
Mehr dazu hat der Direktor der drei Klinikküchen Ansbach, Dinkelsbühl und Rothenburg der Redaktion GVMANAGER im Interview berichtet.

Viel Gemüse und Olivenöl sind die Basis der mediterranen Küche, die vor 25 Jahren von Gerald Wüchner bei ANregiomed eingeführt wurde.
Quelle: Wüchner

Herr Wüchner, Ihre anfängliche Begeisterung für die mediterrane Kost rührt daher, dass sie in Kliniken auch viele klassische Diäten ersetzen kann…

Die mediterrane Küche bietet eine langfristige Ernährungsweise, die Genuss und Gesundheit verbindet – und zudem rund 90 Prozent der Standarddiäten abdeckt. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht erhalten bei uns automatisch diese Kost. Nur sehr strenge Diäten bei Pankreatitis, schweren Allergien oder z. B. eine Kaliumarme Kost bilden Ausnahmen.

Wie gelingt die Kalkulation? Unter anderem braucht es vorrangig teures Olivenöl!

Mein Vorteil ist, dass ich eine große Menge Olivenöl – rund zwei Tonnen – kaufe und zwar direkt beim Produzenten, also ohne Zwischenhändler. Das erleichtert die Kalkulation ebenso wie der mit der mediterranen Kost einhergehende kleinere Fleischanteil. Beim Wareneinsatz liegen wir etwa im Bundesdurchschnitt – und punkten mit einem guten Konzept. So kann ich das auch gegenüber der Geschäftsleitung gut argumentieren.

Wie erging es Ihnen, als die Olivenölpreise explodiert sind?

Das startete vorletztes Jahr mit einer Preiserhöhung von rund 20 Euro pro 5-Liter-Kanister. Für unser Zusatzgeschäft, den Verkauf von Olivenöl in den Bistros der Kliniken, ein herber Rückschlag. Viele Kunden wollten das nicht bezahlen, der Absatz ging zurück. Aber: Viele kamen wieder zurück. Die Qualität hat sich letzten Endes durchgesetzt.

Und in der Klinikküche erforderten die gestiegenen Ölpreise eben eine noch bessere Mischkalkulation.

Setzen Sie in der Klinikküche nur Olivenöl ein?

Olivenöl nutzen wir für Salate und zum Anschwenken von Gemüse. Für hoch erhitzte Zutaten nehmen wir Rapsöl, das eine ähnlich gute Zusammensetzung hat.

Wie haben sich die Beschaffung und der Wareneinsatz im Laufe der Jahre verändert?

Viele Gemüse und Olivenöl sind die Basis der mediterranen Küche, die seit 25 Jahren bei ANregiomed praktiziert wird.
Quelle: Wüchner

Die Qualität und Auswahl von Tiefkühl- und geschnittenem Frischgemüse hat sich enorm verbessert. Das erleichtert den Einsatz von frischen, gesunden Zutaten. Gering verarbeitete Convenience-Produkte sind in vielen Bereichen besser geworden, sodass sie sinnvoll integriert werden können.

Sie haben in der Anfangszeit zusammen mit der Deutschen Herzstiftung ein Starterkit entwickelt, damit auch andere Kliniken Ihrem Beispiel folgen können – wie war die Resonanz?

Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Herzstiftung kam durch den Kardiologen Dr. Ulrich Hildebrandt zustande. Wir haben 2003 gemeinsam begonnen, Herzwochen auf Kreta zu organisieren.
Und durch diesen Kontakt entstand auch die Idee für ein Starterkit. Dahinter verbirgt sich eine Art Schulungskonzept für Kliniken und GV-Betriebe, um die mediterrane Ernährung einzuführen. Die Resonanz war zunächst groß: Innerhalb von zehn Jahren habe ich etwa 50 Kliniken und Betriebe beraten, darunter das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und die DATEV in Nürnberg. Allerdings merkte ich, dass viele Kliniken weniger an der langfristigen Umsetzung der mediterranen Ernährung als an der damit verbundenen PR interessiert waren. Parallel ist meine berufliche Verantwortung durch die Expansion des Klinikverbundes gewachsen, weshalb das Projekt dann ausgelaufen ist.

Die mediterrane Küche hat vor 25 Jahren – nebenbei – auch die Digitalisierung in Ihrem Klinikum vorangetrieben, inwiefern?

Das stimmt! Vor 25 Jahren waren digitale Medien noch nicht selbstverständlich. Und so hat die Klinik Rothenburg ob der Tauber für unsere Vorträge über mediterrane Ernährung den ersten Beamer angeschafft. Ich persönlich habe damals zudem PowerPoint für mich entdeckt und mich darin weitergebildet.

Sie entwickelten sich auch vom Koch- zum Marketingprofi…

Meinen allerersten Vortrag vor rund 80 Gästen werde ich nie vergessen. Ich habe eine komplette Rede ausformuliert und nach dem Vorlesen von drei Sätzen gemerkt, dass das so nicht funktioniert und dann frei improvisiert. Seit diesem Tag habe ich nie mehr eine Rede aufgeschrieben. Ich buchte ein Rhetorik-Seminar und der Rest war Learning by doing. Inzwischen gebe ich auch Interviews im Radio oder Fernsehen und veranstalte Kochkurse.

Forellenfilet mit Pesto, Pfannengemüse und geschmorten Kartoffeln – mediterranes Gericht, komponiert und fotografiert von Gerald Wüchner.
Forellenfilet mit Pesto, Pfannengemüse und geschmorten Kartoffeln – mediterranes Gericht, komponiert und fotografiert von Gerald Wüchner. (Quelle: Wüchner)

Ich habe aber auch die Leidenschaft fürs Fotografieren entdeckt. So fotografiere ich sämtliche Rezeptbilder, ob für die Website, Broschüren oder das aktuelle Kochbuch, selbst. Das hätte ich mir wenige Jahre vorher nie vorstellen können. Aber es war mir wichtig, dass die Bilder realistisch sind und nicht von einem Food-Stylisten künstlich aufgehübscht.

Bei welchem nicht mediterranen Gericht werden Sie auch mal schwach?

Ich bin Franke durch und durch und kann nicht widerstehen bei gebackenem Karpfen. Und worauf ich mich auch freue, ist einheimischer Spargel mit Sauce Hollandaise – da darf es auch die nötige Butter sein.

Wobei sich auch Spargel nach mediterranem Konzept abwandeln lässt, z. B. mit Romana-Salat, Chili und einem Wachtelspiegelei.

Generell muss die mediterrane Küche nicht dogmatisch gelebt werden. Auch der Genuss ist wichtig! Daher empfehle ich immer, 300 Tage im Jahr mediterrane Küche zu genießen und die restlichen 65 Tage zu sündigen. Das heißt an jedem Sonn- und Feiertag des Jahres darf es ruhig ein Schweinsbraten, Currywurst oder Schäufele sein. Einmal pro Woche kann man sozusagen das Ventil öffnen. Und so kommt man ohne Verbote gut durchs Jahr und wird unterm Strich eine Verbesserung spüren.

Sie sind gelernter Metzger. Wie stehen Sie zu Fleischersatzprodukten?

Grundsätzlich bin ich dafür offen. Wobei ist festgestellt habe, dass es sehr gute Produkte gibt, aber auch weniger gute. Kürzlich haben wir eine vegane Aktion durchgeführt, bei der es neben anderen Gerichten, auch eine Currywurst gab. Wir haben dafür verschiedene Produkte getestet. Zwei fielen durch, aber eine, basierend auf Jackfrucht, war ausgezeichnet. Wenn ein Produkt qualitativ hochwertig ist, ohne viele Zusatzstoffe auskommt und ordentlich schmeckt, kann es eine sinnvolle Alternative sein.

Was halten Sie von Fernsehköchen?

Deren Ernährungskompetenz lässt in meinen Augen stark zu wünschen übrig. Sätze wie Butter bestehe großteils aus Wasser, oder da müsse man nicht sparen des Geschmacks wegen, kann ich nicht mehr hören. Leider wird hier viel Blödsinn erzählt und die Zuschauer glauben es natürlich. Hier wird eine große Chance vertan, eine genussvolle und gesunde Ernährungsweise zu vermitteln.

Das könnten und sollten wir Klinikköche besser machen!

Wer waren Ihre prominentesten Gäste?

Im Hilton in Düsseldorf – unter Günter Scherrer – habe ich für das schwedische Königspaar und Rod Stewart gekocht. Und für den Hund der Sängerin Nena habe ich auch ein Steak gebraten.

Sie sind bereits 63 Jahre alt, wie geht es mit Ihrem Konzept bei ANregiomed weiter, wenn Sie in Ruhestand sind?

Natürlich arbeite ich daran, ein Team aufzubauen, das die mediterrane Küche weiterführt. Mein Küchenleiter in Dinkelsbühl z. B. ist bereits seit Jahren eingebunden und lebt es ebenso wie ich.

Was mich positiv stimmt: Wir haben derzeit einige qualitativ sehr gute Bewerbungen auf dem Tisch für zwei Führungspositionen, die ich aus privaten Gründen neu besetzen muss. Hier zahlt sich unser Konzept sicherlich aus. Denn als Koch kann man sich bei uns gastronomisch voll ausleben, auch dank der wechselnden Aktionsessen und des Besucher-Bistros, das ich als Marketing für unsere Küche sehe.

Gibt es bereits ein konkretes Timing für Ihren Austritt?

Das ist noch offen, vielleicht reduziere ich erstmal schrittweise.
Jenseits des Arbeitsalltags gibt es viele Projekte, die mich interessieren, darunter kulinarische Reisen nach Griechenland mit Olivenöl-Tastings. Auch die Herzwochen auf Kreta werden weiterlaufen. Mir wird es im Ruhestand sicher nicht langweilig werden.
Aber eines ist sicher: Die mediterrane Küche ist Teil meines Lebens und wird mich weiter begleiten.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Vita von Gerald Wüchner

  • Gerald Wüchner begann seine berufliche Laufbahn als Metzger, merkte jedoch bald, dass dies nicht sein Weg war.
  • So schloss er eine Lehre als Koch in einem Kurhotel an.
  • Sein Küchenchef und Mentor, vermittelte ihn nach seiner Ausbildung an das Hilton in Düsseldorf – sein Debüt in der Welt der Sterneküche, als Teil des Teams unter Günter Scherrer.
  • Nach dieser Zeit zog es ihn weiter in die Schweiz, zu Mövenpick. Die Internationalität der Küchenteams und der Austausch mit unterschiedlichen Kulturen prägten ihn nachhaltig.
  • Weitere Stationen in Deutschland führten ihn peu à peu zurück ins heimische Franken.
  • Schließlich wechselte er aus privaten Gründen in die Gemeinschaftsgastronomie: Sein Einstieg – als stellv. Küchenleiter in eine Reha-Klinik und 1995 in die Klinik Rothenburg ob der Tauber – machte ihm erstmals bewusst, wie sehr Ernährung und Gesundheit zusammenhängen.
  • Seit dem Jahr 2011 ist er Küchendirektor des Klinikverbunds ANregiomed und setzt sich intensiv für die mediterrane Küche ein. Er hat das Konzept in den Kliniken etabliert, dafür vier Innovationpreise erhalten und zahlreiche Projekte zur Gesundheitsprävention mitentwickelt.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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