In einer vierteiligen Serie geht Dr. Steffen Schwarz auf Zubereitungsmethoden von Kaffee ein – dieses Mal: das Druckverfahren.
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Kaffee unter Druck

Als Autor für das Fachmagazin Kaffee & Co. widmet sich Dr. Steffen Schwarz, Geschäftsführer von Coffee Consulate, in regelmäßigen Beiträgen Themen rund um das beliebte Heißgetränk. In diesem Beitrag geht es um Druckverfahren.

Druckverfahren zur Herstellung von Kaffeegetränken zählen zu den modernsten Extraktionsmethoden. Den bekanntesten Vertreter der Druckverfahren stellt neben dem Espressoverfahren am Siebträger die Caffettiera-Herd-Kaffeekanne dar.

Neben den Siebträgermaschinen zählen im Weiteren die Kolbenkaffeemaschine (meist als „Vollautomat“ bezeichnet) sowie die Kapsel- oder Pouchsysteme zu den Druckverfahren. Neben den verbreiteten Verfahren mit erhöhtem Druck, die bei Espressomaschinen bis zu rund neun bar erreichen, bestehen auch Unterdrucksysteme, die im Vakuum dem Kaffeemehl seine löslichen Bestandteile entziehen.

Bei allen Druckverfahren wird die Extraktionszeit erheblich verkürzt. So dauert die Zubereitung wenige Sekunden statt mehrerer Minuten. Die Mahlung muss dabei deutlich feiner gewählt werden, um eine gewünschte Extraktionstiefe in dieser deutlich kürzeren Zeit durch die erheblich vergrößerte Oberfläche zu erreichen.

Exakter Extraktionsgrad

Wie auch bei den beiden anderen Extraktionsmethoden, der Auslaugung bzw. Mazeration und der Filtration, ist es von großer Bedeutung, einen korrekten Extraktionsgrad zu erzielen, also nicht in eine Überextraktion zu geraten. Eine Unterextraktion kann zur Qualitätsverbesserung in Kauf genommen werden. Der „Espresso ristretto“ (der „eingeschränkte“ Espresso), der meist mit halber Wassermenge des Espresso zubereitet wird, ist ein gutes Beispiel für die Hochwertigkeit eines unterextrahierten Espresso. Seine Vollmundigkeit und seine Balance dokumentieren die Sinnhaftigkeit einer Unterextraktion in der Kaffeezubereitung.

Die Extraktion wird dabei durch den Widerstand des Kaffeemehls und der Filterschicht gesteuert. Bei der optimalen Vermahlung entstehen kleinere Klümpchen, während eine starke Klümpchen-Bildung für eine zu feine Mahlung spricht. Sind hingegen keine Klümpchen erkennbar, ist die Mahlung zu grob gewählt und das Wasser wird bei der Extraktion zu schnell durch das Espressopulver gepresst und fließt hauptsächlich nur durch den interzellulären Raum, nicht jedoch durch den intrazellulären Raum der einzelnen Kaffeepartikel.

Korrekter Widerstand

Zu den optischen Kennzeichen einer korrekten Vermahlung kommen haptische Indikatoren hinzu. So soll das Espressomehl bei optisch erkennbarer Klümpchen-Bildung taktil noch eine leicht körnige Struktur aufweisen und nicht wie bei feinem Mehl oder Zimt staubfein gemahlen sein. Bei zu feiner Mahlung kann keine Körnigkeit zwischen den Fingern mehr wahrgenommen werden.

Das letzte Merkmal eines korrekten Widerstands ist die optisch wahrnehmbare Auslaufgeschwindigkeit, sowie die Farbe und die später stattfindende Entfärbung, die das Ende einer korrekten Extraktion markiert. Durch den Druck bildet sich bei den Espressomaschinen während der Extraktion die „Crema“ an deren Farbe, Konsistenz, Helligkeit, Grobporigkeit, Glanz und weiteren Faktoren detaillierte Aussagen zur Mischung, Röstgrad, Mahlgrad, Wassertemperatur, Frische des Kaffees nach der Mahlung etc. ablesen lassen. Hiermit bietet die Crema neben dem Ausfluss weitere optische Hinweise zur Extraktion.

Kontrollierte Extraktion

Die Siebkammer ist bei den Drucksystemen in der Regel zylindrisch angelegt. Idealerweise ist diese an allen Stellen von gleicher Tiefe beschaffen, also in keinem Fall konisch, da dadurch ungleiche Extraktionen erreicht werden. Die häufig genutzten Eintassensiebe stellen solche konischen, verjüngt zulaufenden Systeme dar, die aufgrund ihrer geometrischen Beschaffenheit immer zu einer ungleichen Extraktion führen, also über- und unterextrahierte Bereiche aufweisen. Über- und unterextrahierter Kaffee kann sich nicht ausgleichen, anders, als dies in rein mathematischen Systemen möglich ist.

Die Extraktion lässt sich dabei mit dem Kochen von Spaghetti vergleichen. Werden 1 kg Spaghetti mit einer Kochzeit von fünf Minuten exakt fünf Minuten lang gekocht, sind diese „al dente“. Werden hingegen 500 g nicht gekocht und die anderen 500 g hingegen 10 Minuten lang gekocht, sind die letzteren „al kukidente“ und die ersten noch völlig fest – das Ergebnis besteht damit aus „Schleim mit Stäbchen“ und nicht aus perfekten „Spaghetti al dente“.

Die Temperatur, insbesondere die Temperaturkonsistenz, stellt einen weiteren zentralen Faktor für eine kontrollierte Extraktion dar. Temperaturen von 91-94°C haben sich als guter Ausgangswert für eine konsistente und balancierte Brühung erwiesen. Wesentlich ist dabei zugleich eine Konsistenz innerhalb des Kaffeebettes, da sich bei zahlreichen Brühvorgängen heißere und kältere Bereiche in der Brühkammer finden, die damit zu einer ungleichmäßigen Extraktion mit Über- und Unterextraktion führen. Einige Kaffees führen sogar bei einer Temperatur von unter 90°C zu einem perfekten Ergebnis in der Tasse.

Design-Klassiker

Die Caffettiera, der auf den Herd gestellte Espressokocher, zählt ebenfalls zu den Drucksystemen. Im Gegensatz zu den modernen Espressomaschinen ist hier der Druck jedoch direkt mit der Temperatur gekoppelt. Die bekannteste Marke dieser Espressokocher oder Moka-Express Kaffeebereiter ist „Bialetti“ – ein Klassiker, den weltweit wohl fast jeder Kaffeeliebhaber kennt. Verschiedenste Formen und Farben sowie Sondermodelle wurden von Bialetti und den zahlreichen Nachahmern entwickelt.

Das achteckige Model, das Alfonso Bialetti im Jahre 1933 entwickelt hat und seit 1945 im großen Stil gebaut wird, ist ein Kaffeedesignklassiker und findet sich in nahezu jedem italienischen Haushalt sowie dem MoMA (Museum of Modern Art) in New York. Rund 2,5 bar Druck erreicht die Kanne, je nach verwendetem Kaffee, Mahlgrad, Fettgehalt und Verdichtung. Das Versprechen „in casa un espresso come al bar“ („zu Hause einen Espresso wie im Café“) konnte die Caffetiera eigentlich nicht erfüllen, fehlt ihr doch dazu der notwendige Druck von ca. 9,0 bar, um eine für einen Espresso typische Crema zu erzeugen.

Kuriosität am Rande: Renato Bialetti, der Sohn des Unternehmensgründers und Erfinders Alfonso, der 2016 verstarb, ließ sich in einer als Urne umgebauten „La Moka“ in der Familiengruft beisetzen.

Druckverfahren punktet

Die klassischen Handhebel-Espressomaschinen sind weitestgehend von den halbautomatischen Espressomaschinen verdrängt worden. Das Unternehmen Bosco aus Neapel baut noch immer einige der klassischen Handhebelmaschinen, von denen auch Francis Ford Coppola ein Exemplar sein Eigen nennt.

Die Kolbenkaffeemaschinen bieten einen gleichförmig gestalteten Kolben und lassen anders als die Espressomaschinen den Bezug einer langen Tasse Kaffee zu. Damit sind sie in der Lage eine perfekte Tasse Café Crème zuzubereiten, die ebenfalls durch den Druck eine Crema auf der Oberfläche der Tasse erzeugt. Drucksysteme sind wegen ihrer hohen Geschwindigkeit, Konsistenz, sowie der Erzeugung von geschmacksintensiven Kaffees die beliebteste Zubereitungsmethode in der Hotellerie, Gastronomie, Bäckereien und in Büros.

info

Serie rund um Zubereitungsmethoden von Kaffee

In weiteren Teilen dieser Serie zur Zubereitung von Kaffee behandelt Dr. Steffen Schwarz die Methoden: Filtration, Extraktion sowie die Auslaugung.

Quelle: Dr. Steffen Schwarz/Coffee Consulate

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