Cocktail Trends Bao Rosa Ike Paquemer
Quelle: Bao Rosa/Ike Paquemer

Cocktail Trends: Ein Drink für die Welt

„Wer die Welt der Kreativen hinter den Tresen verstehen möchte und wissen will, wohin sich die Szene entwickelt, verpflichtet sich „seine Neugier zu nähren, indem man dem Unbekannten trotzt und seine Komfortzone verlässt.“ Ike Paquemer klingt philosophisch, wenn er über die Wissenschaft der Mixologie redet. Es ist seine Leidenschaft und jede seiner Kreationen ist voller Ideenreichtum, Mut und strotzt von der Kreativität eines Enthusiasten.

Nach vier Jahren im Cocktail-Syndikat in Paris ist er in die Karibik zurückgekommen. Im Gepäck neue Techniken und viele Ideen, die er aus der Metropolregion mitgenommen hat. Metropolregion, so nennen die Einwohner der französischen Überseedepartments das Land um Paris. Seine Bar, das Boa Rosa in Fort-De-France, hat gerade eine neue Karte präsentiert, mit einfallsreichen Schöpfungen, die einige der globalen Trends, die seine Kollegen und Kolleginnen prognostizieren, einbinden.

„Ich möchte unsere Kunden beim Lesen des Menüs verunsichern, beim Anblick des Cocktails verzaubern und bei der Verkostung überwältigen.“

Ike Paquemer

Seine Leitmotive sind Ausgewogenheit und Innovation. Bei der Kombination aus mit Knoblauch aromatisiertem Weinbrand, Schokolade und Kürbis werden definitiv alle erwähnten Zustände erfahren.

New York, New York

In der Stadt, die niemals schläft, gibt es unzählige kulturelle Schmelztiegel, aus denen sich Cocktailtrends wie Lauffeuer in die Bars der Welt verbreiten. Xavier Herit arbeitet und lebt seit Jahren am Hudson River und hat viele Trends miterlebt. Aktuell beobachtet er, wie die Klassiker neu interpretiert werden: „Espresso-Martini, Cadillac-Margarita und eine klassische Margarita feiern ihr Comeback.“
Die Nachfrage nach alkoholfreien Cocktails und die kreative Vielfalt auf den Karten steigt. „Es ist wichtig, dass es viele Möglichkeiten gibt, um alle zufrieden zu stellen. Für jeden Anlass gibt es eine Zeit und eine Stimmung.“ 

Ein Trend, über den einige die Nase rümpfen, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. „Cocktails vom Fass werden in gut besuchten Lokalen immer beliebter. Ich habe viele Bars gesehen, die kohlensäurehaltige Cocktails und Margaritas vom Fass anbieten.“ Der Fachkräftemangel in der Branche macht auch an der Bar nicht halt und gutes Personal ist schwer zu finden.

Dabei kommt es auf die Location an. In klassischen und gehobenen Bars möchten die Gäste, dass ein Cocktail handwerklich zubereitet wird und nicht aus dem Zapfhahn kommt.
Auf großen Veranstaltungen, wie dem Kentucky Derby, kommt der Mint-Julep heutzutage aus dem Zapfhahn. „Das ist eine gute Möglichkeit, um eine gleichbleibende Qualität, in einem guten akzeptablen Zeitrahmen zu garantieren.“

Trotzdem suchen Gäste nach Unterhaltung an der Bar und darum ist es nicht verwunderlich, dass es eine größere Nachfrage nach Erlebnismomenten oder instagram-fähigen Techniken gibt, „besonders Smoking-Guns, Flammen oder ausgefeilte Shot-Präsentationen werden zunehmend beliebter.“ 

Trendsetter Toronto

Weiter im Norden designt und mischt Tao Zrafi zukünftige Trends. Der aus der Netflix-Reihe „Drink Masters“ bekannte Barkeeper arbeitet weltweit als Beverage Artist

„Neue Techniken werden weniger eingesetzt, es werden fortgeschrittene Techniken aus der Patisserie adaptiert, um die Getränke weiterzuentwickeln. Viele designen eigene Gläser für spezielle Cocktails, die auf die Präsentation abgestimmt sind.“ 

Syphon-Schäume von Espuma kommen wieder in den Trend. Neben einer zusätzlichen Geschmacksnote sorgt der Schaum für ein optisches Highlight und eine weitere Konsistenz. 
Das sieht Markus Leitner, Culinary Manager bei iSi genauso und weiß, dass die Geräte und Espumas aus vielen Bars nicht mehr wegzudenken sind, weil sie Cocktails aufwerten und sie um einen besonderen Effekt erweitern.

Tao Zrafi über Cocktail Trends

„Am wichtigsten ist es, sein eigenes Ding zu machen, anstatt dem zu folgen, was andere gerade praktizieren.“

Tao Zrafi

Schäume haben seinerzeit den Weg aus dem El Bulli hinter die Tresen der Welt gefunden. „Das war zu einer Zeit, bevor ich überhaupt gelernt habe, wie man einen Cocktail ausbalanciert“, erzählt Tao schmunzelnd und ist froh, dass er dies zu seinem Arsenal an Techniken hinzufügen kann.

Fat-washing hält er nicht mehr für einen Trend. „Es ist eine spannende Technik, die wie Vieles andere aus der Konditorei stammt.“ Dass sie ein Ergebnis liefert, das anders erreicht werden kann, macht sie zu einem neuen Standard in Cocktailbars.
Die Zeit, wo jeder neue Gin, der auf den Markt kommt, bedenkenlos gekauft wird, ist seiner Meinung nach vorbei, weil es zunehmend schwerer wird den Überblick zu behalten. In den letzten Jahren ist festzustellen, dass die Verbraucher den Marken, denen sie immer vertraut haben, treu bleiben.

Schwedens Szene, nachhaltig und klar  

Björn Kjellberg mixt in der besten Cocktailbar Schwedens, dem Röda Huset, futuristische Drinks. Er hat eine Wiederbelebung von optischen Anreizen diagnostiziert. „Das liegt besonders an der Präsenz der Besucher in den Sozialen Netzwerken.“ Und die selbigen sind eben dafür verantwortlich, dass die Trends immer schnelllebiger werden. „Erst kam Absinth, anschließend Mezcal und Tequila, dann hatten wir amerikanischen Whiskey, Gin und so weiter.“ Die kurzlebigen Trends werden von Marken gesteuert und wer am meisten investiert und die besten Kampagnen macht, ist klar im Vorteil.

Der alkoholfreie Markt wird weiter wachsen und seine Position festigen. Dabei greift man die Essenz des Angebots an alkoholischen Getränken auf und wählt ein paar aus, die auch alkoholfrei das gleiche Erlebnis haben, nur eben ohne Alkohol. 

Cocktail Trends in Stockholm im Röda Huset
Der Meadowsweet Cherry Cocktail im Röda Huset.
Quelle: Röda Huset

In Schweden wächst, wie in vielen anderen Ländern, der Nachhaltigkeitsaspekt. „Wir müssen mehr darüber nachdenken, ob man Zutaten durch lokal verfügbare ersetzen oder diese nachahmen kann.“ Auch das Kopenhagener Noma hat einen Einfluss auf das Geschehen hinter der Bar.

Wie Xavier kann sich Björn eine Wiederauferstehung von Bars mit klassischen Cocktails vorstellen – „erweitert mit dem Wissen, den Praktiken, den Techniken und dem Zugang zu Produkten, die wir jetzt haben.“

In den letzten Jahren haben immer mehr Barkeeper Essen und Wein in ihr Repertoire aufgenommen. Im Gegenzug haben viele Restaurants ihre Getränkekarte um auf das Menü abgestimmte Cocktails erweitert. Passend zu dem Trend hat Alain Ducasse eine der einflussreichsten Barkeeperinnen, Margot Lecarpentier, zur neuen Head of Mixology seines globalen Gastronomieimperiums ernannt.

Auf der Seidenstraße nach Osten 

In Indien, im Sidecar, steht die beste Newcomerin hinter der Bar: Apoorva Kohli aus Neu-Delhi. Nach ihrer Reise zu einigen der angesagtesten und besten Bars der Welt sieht sie den Trend in der Molekulargastronomie. Neben Schäumen und einer Nachreifung in Fässern gibt es weitere interessante Verfahren. „Im Sips habe ich gelernt, wie man Dehydrierung richtig einsetzt und glaube, dass das interessant wird.“ Die Aromen werden intensiviert und können präziser eingebracht werden. Die Cocktailszene in Indien entwickelt sich ständig weiter, und die Mixologen experimentieren mit verschiedenen Techniken, um innovative Drinks zu kreieren. Besonders gefragt sind lokale Zutaten sowie moderne Abwandlungen klassischer Cocktails und nicht zuletzt wissen die Menschen nachhaltige Praktiken, die in den Bars angewandt werden, zu schätzen. 

„Die Verbraucher sind offener dafür, verschiedene Spirituosen jenseits der traditionellen Favoriten zu probieren.“


Apoorva Kohli

Ein Trend aus den USA setzt sich in einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt fort und die Nachfrage nach Tequila und Margaritas steigt. Dabei bieten besonders Premium und handwerklich hergestellte Produkte eine besondere Geschmacksvielfalt für anspruchsvolle Gäste. Bei Apoorva ist der Cilantaro, natürlich ein Tequila Cocktail, derzeit am gefragtesten. 

Vom Chao Phraya an die Skyline

Agavenbrände, wie Tequila und Mezcal, werden auch weiter östlich stärker nachgefragt und das, obwohl Philipp Bischoff die mexikanischen Klassiker noch nicht in der gewünschten Vielfalt beziehen kann. Philipp leitet den BKK-Social Club im Four Seasons Bangkok. In der Metropole am Golf von Thailand lebt über die Hälfte der Landesbevölkerung und sie gehört zu den am meisten besuchten Städten der Welt. Er ist Fan von der Einfachheit. „Ich glaube, dass wir alle die Grundlagen richtig beherrschen sollten, bevor wir sehr experimentell werden.“ Aus dem Grund arbeitet er mit einfachen und etablierten Methoden wie Sous Vide, Infusionen und Fat-Washed. „Unsere Gäste bringen ihr wertvollstes Gut zu uns, ihre Zeit. Also müssen wir diese Zeit respektvoll behandeln und die bestmöglichen Erinnerungen schaffen“, erklärt Philipp Bischoff.

„Unsere Gäste bringen ihr wertvollstes Gut zu uns, ihre Zeit. Also müssen wir diese Zeit respektvoll behandeln und die bestmöglichen Erinnerungen schaffen.“

Philipp Bischoff

In den vergangenen Jahren haben die Gäste sich, wenn auch unfreiwillig, dank diverser Lockdowns verstärkt mit der Zubereitung von Cocktails und der Auswahl von Spirituosen beschäftigt, dadurch haben sie heute höhere Erwartungen. „Es geht nicht nur um die Getränke, sondern um das Gesamterlebnis.“

Cocktail Trends sind …

Wer mit sechs Experten aus der ganzen Welt spricht, bekommt ebenso viele unterschiedliche Aussagen zu der Zukunft der Mixologie. Egal, ob es die Neu-Interpretation von Klassikern ist, die Lust auf Agavenbrände, Genuss ohne Alkohol, Regionalität und Nachhaltigkeit, eines vereint alle: Die Leidenschaft für die Arbeit hinter der Bar, die Begeisterung Neues auszuprobieren, die eigene Arbeit weiterzuentwickeln und damit den Gästen ein Erlebnis zu kredenzen, das diese so schnell nicht mehr vergessen. 

Barkeeper streben danach neue Techniken zu praktizieren und den eigenen Wissensschatz zu erweitern – wie ein Maler, der seiner Farbpalette weitere Farben hinzufügt. Alles, was gut angewendet wird, kann dazu beitragen den individuellen kulinarischen Stil zu kommunizieren. 
Die Lust und Hingabe ein Produkt zu verarbeiten und daraus etwas Einzigartiges zu schaffen ist überall zu spüren.

Sebastian Heuser

Als Hotelbetriebswirt bringt unser Autor Sebastian Heuser 15 Jahre praktische Erfahrung im Einkauf, Projektmanagement und Controlling im internationalen Umfeld mit, das er inzwischen als freier Journalist zu Papier bringt.
Darüber hinaus widmet er sich weiterer gastronomischen Themen wie Spirituosen, Cocktail Trends usw.

beenhere

Alkoholfreie Drinks

Zu den zahlreichen Cocktail Trends zählen auch die alkoholfreien Varianten. Die Expertin Nicole Klauß erklärt uns im Interview die gastronomische Umsetzung dazu.

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