Alkoholfreies Bier im Glas
Quelle: Big Nazik – stock.adobe.com

Mehr Charakter

Die Technik, die auf Molekularsieben basiert, gibt Brauern ein neues Werkzeug an die Hand, um den Geschmack von alkoholfreiem Bier dem von alkoholischen Bier anzunähern. Die ersten Tests zeigten, dass der süßliche, würzige Geschmack, der alkoholfreies Bier oft kennzeichnet, damit reduziert werden kann.

Wenn man sich die Zutaten – Wasser, Getreide, Hopfen und Hefe – ansieht, denkt man es sich vielleicht nicht, aber Bier ist ein komplexes Getränk. Es besteht aus Tausenden von verschiedenen molekularen Komponenten, die eine komplexe Geschmackskomposition bilden. Das ist einerseits das Schöne daran: Mit kleinen Anpassungen an den Zutaten oder im Brauprozess kann man ein völlig anderes Endprodukt erzeugen. Gleichzeitig macht es diese Komplexität aber auch schwierig, genau das Ergebnis zu erzielen, das dem Brauer vorschwebt.

Süßer Nachgeschmack

Nehmen wir alkoholfreies Bier: Viele alkoholfreie Biere haben einen eher süßen Nachgeschmack. Der stammt von der zuckerhaltigen Flüssigkeit, die ein Zwischenprodukt im Brauprozess ist. Beim Brauen von Lagerbier wandelt die Hefe fast den gesamten Zucker in Alkohol und andere Bestandteile um. „Aber bei der biologischen Herstellung von alkoholfreiem Bier unterdrücken die Brauer die Aktivität der Hefe, um die Bildung von Alkohol zu verhindern“, erklärt die Forscherin Deborah Gernat. „Eine der Folgen davon ist, dass die Aldehyde nicht mehr in neutrale oder in charakteristische Bieraromen umgewandelt werden, was zu dem süßen Nachgeschmack von alkoholfreiem Bier führt.“

Längst nicht alle Bierliebhaber schätzen diese Süße. Leider ist es für Brauer schwierig, diesen Geschmack in alkoholfreiem Bier zu vermeiden. „Es gibt Möglichkeiten, das zu tun, zum Beispiel das Erhitzen des Suds. Aber damit kann man nicht gezielt bestimmte Moleküle entfernen“, erklärt Deborah Gernat. „Darüber hinaus werden durch die Erhitzung auch andere Komponenten entfernt oder deren molekulare Zusammensetzung radikal verändert. Das kann einen großen Einfluss auf die endgültige Farbe oder den Geschmack des Bieres haben.“ Auch die Entalkoholisierung, bei der dem Bier nachträglich Alkohol entzogen wird, hat weitreichende Folgen für den Geschmack.

Moleküle einfangen

Um spezifische Anpassungen vornehmen zu können, benötigen die Brauer neue Techniken. Und sie sind vorhanden im Bereich der Prozesstechnik. Die Forschungsgruppe des TU Delft-Forschers Marcel Ottens hat viel Erfahrung auf diesem Gebiet und arbeitet schon seit Jahren mit Heineken zusammen. Da ist es nur logisch, dass Deborah Gernat, die selbst Brauerin und Bioverfahrenstechnikerin ist, ihre Doktorarbeit bei ihm gemacht hat. In den vergangenen Jahren erforschte sie ein physikalisches Phänomen, die Adsorption, bei der bestimmte Aromastoffe mit Hilfe von Molekularsieben eingefangen werden können. „Andere Eigenschaften, wie Farbe und Bitterkeit, verändern sich dabei nicht, sodass der ursprüngliche Charakter des Bieres erhalten bleibt“, sagt Deborah Gernat.

In ihrer Forschung konzentrierte sich die Expertin auf die Erfassung der sogenannten Strecker-Aldehyde, die bekanntlich für den süßen Geschmack von alkoholfreiem Bier verantwortlich sind. Sie testete verschiedene Arten von sogenannten Adsorbentien, um zu sehen, welche Wirkung sie haben, und fand ein Material, dass die Strecker-Aldehyde auf eine ganz spezielle Weise einfangen konnte. „Es ist ein Zeolith, ein Mineral, das auch in der Natur vorkommt. Nur kleine, flüchtige Aromamoleküle können in die Poren des Zeoliths eindringen, andere Moleküle bleiben in der Flüssigkeit“, erklärt Deborah Gernat. Die Zeolithe können die Form einer Art Pulver annehmen, das aus dem Bier herausgefiltert wird, nachdem es seine Arbeit getan hat. Oder die Brauer können ein „Filterbett“ aus Granulat erzeugen, durch das sie das Bier leiten.

Forscherin Deborah Gernat (Quelle: TU Delft)
(Quelle: TU Delft)

„Andere Eigenschaften, wie Farbe und Bitterkeit, verändern sich dabei nicht, sodass der ursprüngliche Charakter des Bieres erhalten bleibt.“

Deborah Gernat

Geschmackstest

Ein Geschmackstest mit einem Gremium zeigte, dass die Technik funktioniert: Die Verkoster empfanden weniger Süße, und ihre Bewertungen für verschiedene Geschmackskategorien lagen näher an denen des Lagerbiers als die des alkoholfreien Biers, auf das die molekulare Sichtungstechnik nicht angewendet worden war. „Ich habe auch ein Prozessdesign gemacht, und die Technik sollte relativ einfach in den Produktionsprozess zu integrieren sein“, kündigt Deborah Gernat an.

Die Technik muss allerdings noch weiterentwickelt werden. „Die Zeolithe, die ich in meiner Forschung verwendet habe, wurden für die Trennung von Gasmolekülen hergestellt. Der Massentransport im Inneren des Materials muss noch weiter verbessert werden.“ Außerdem sind es nicht nur die Aldehyde, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen alkoholfreies Bier anders empfinden als alkoholisches Bier. „Alkohol selbst verursacht ein wärmendes Gefühl im Mund und hat auch einen Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung. Wie genau das funktioniert, ist ein wichtiges Forschungsthema.“

Quelle: TU Delft/Heineken

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