Andrè Domke ist ausgebildeter Koch und IHK-zertifizierter Fischsommelier.
Quelle: Andrè Domke

Im Gespräch: Fischsommelier André Domke

Nur etwa 200 IHK-zertifizierte Fischsommeliers gibt es auf der Welt. André Domke ist einer davon: Im Jahr 2010 bildete sich der Koch und Restaurantmanager zum Fischsommelier weiter. Sei es in seinen Restaurants oder privat: Täglich pflegt er Umgang mit dem Genussprodukt. Im Interview spricht er über seinen Weg zum Fischexperten und seine tiefe Verbindung zum Fisch als Nahrungsmittel. Auch seine Expertise teilt er mit uns: Woran erkennt man frischen Fisch? Was ist ein Drucktest? Welcher Fisch ist nachhaltig – und was bedroht die Bestände wirklich?

Herr Domke, wie sieht der Alltag eines Fischsommeliers aus?

Ein Großteil ist Verwaltungsarbeit. Ich betreibe auf Usedom mehrere Fisch-Erlebnis-Restaurants: Domkes Fischhus im Seebad Ahlbeck, Domke am Meer im Seebad Bansin und Domkes Fischpavillon im Seebad Heringsdorf. Eine Räucherhalle kommt demnächst dazu. Außerdem machen meine Gastroteams auch Caterings. Anfangs habe ich selbst in meinen Restaurants gekocht, doch dann kam ein großer Ansturm Gäste – ich eröffnete noch ein Restaurant und noch eins – und heute koche ich leider nicht alles selbst. Stattdessen führe ich die Buchhaltung, bestelle die Ware, kontrolliere sie und organisiere Events und Caterings.

Restaurant von Andrè Domke
Restaurant von André Domke (Quelle: André Domke)

Sie sagen, Sie prüfen die Ware. Sicher geht es dabei um Frische. Woran erkennen Sie einen frischen Fisch?

Es gibt mehrere Merkmale, an denen man die Frische erkennt. Zunächst ist da der Geruch: frischer Fisch riecht nach nichts – außer nach Meer. Sobald ein fischiger, öliger oder sonstiger Geruch in der Luft liegt, ist die Ware alt. Das, was wir als typischen Fischgeruch kennen, ist eine Art Leichengeruch, der bei der Zersetzung durch Bakterien entsteht. Dieser Prozess darf noch nicht begonnen haben, wenn Sie Ihren Fisch entgegennehmen.

Außerdem kann man einen Drucktest durchführen: Drückt man den Daumen auf den Rücken eines Fisches, dann darf sich keine Delle bilden. Der Fisch muss sofort wieder die Struktur annehmen, die er vorher hatte.

Ja, es gibt weitere Merkmale. Bei frischem Fisch sind die Flossen weich, flauschig und feucht. Die Kiemen haben eine rötliche Farbe. Die Augen sind glasklar und voll. Erfüllt der Fisch alle diese Merkmale, dann ist es ziemlich sicher fangfrisch. Zur Sicherheit schicke ich aber regelmäßig Proben ins Labor. Dort wird der Fisch genau geprüft. Für Endverbraucher ist das nicht möglich, aber wenn Sie in größerem Stil mit Fisch arbeiten, dann sollten Sie sicherstellen, dass das bezogene Produkt einwandfrei ist.

Wenn man den Fisch in der Auslage an der Frischetheke sieht, sind die Kiemen aber nicht immer leuchtend rot…

Das stimmt. Es liegt daran, dass der Fisch auf Eis gebettet wird. Das Eis entzieht ihm die Farbe. In diesem Fall ist das aber nicht schlimm, denn das Eis sorgt dafür, dass die Kühlkette eingehalten wird. Anders sieht das aus, wenn ein Trawler direkt vom Meer kommt und den Fisch nicht auf Eis gelegt hat: dann sollten die Kiemen rötlich sein.

Sashimi aus rohem Fisch wird nicht erhitzt und ist daher besonders empfindlich für Verderb. Wie erkenne ich, dass ich ein sicheres Produkt habe?

Nicht nur Hitze tötet Bakterien, sondern auch Kälte. Fisch für Sushi und Sashimi sollte gefroren geliefert werden. Dann taut man ihn schonend im Kühlschrank auf und serviert ihn sofort. Auch im gefrorenen Zustand sterben Bakterien ab – oder bilden sich gar nicht erst. Fisch mit langem Transportweg – zum Beispiel Thunfisch – wird immer gefroren angeliefert. Der wird direkt nach dem Fangen mit der Leine ausgenommen, filetiert und eingefroren.

Lassen Sie uns über den beliebtesten Fisch in Europa sprechen: den Lachs. Woher kommt er und warum mögen wir ihn so gern?

Hier in Europa essen wir vor allem den Europäischen Lachs, auf Latein Salmo Salar. In Nordamerika gibt es fünf weitere Wildlachssorten, die alle sehr schmackhaft sind, sich aber von der europäischen Variante unterscheiden. In Europa kennen wir die aber kaum, der Transportweg wäre auch nicht verantwortungsvoll. Der Lachs, den wir hier essen, wird in Skandinavien, Schottland, Island und Russland gefangen. Dort wird er professionell gefangen oder in Aquakultur gezüchtet. Den Lachs aus Europa können Sie bedenkenlos essen, er hat eine sehr gute Qualität. Übrigens hat das Lachsessen für uns eine lange Tradition: Vor der Industrialisierung war der Rhein der lachsreichste Fluss Europas. Damals gab es keinen skandinavischen Import, der Lachs schwamm vor unserer Haustür. Leider siedelte sich dann die Industrie im Ruhrgebiet an. Da der Lachs sehr reine Gewässer braucht, ist er bei uns ausgestorben.

Das ist traurig, führt uns aber zur Frage der Nachhaltigkeit: Viele Fische sind bedroht, die Gewässer überfischt und dreckig. Wie nachhaltig kann der Konsum sein?

Was den Lachs betrifft, machen sie das in Skandinavien sehr gut und professionell. Der Transportweg ist überschaubar, wenn man ihn vergleicht mit Importen von anderen Kontinenten. Es gibt zwei Siegel, an denen Sie das Mindestmaß an Artenschutz und ökologischer Verantwortung erkennen: Das MSC- und das ASC-Siegel. MSC steht für nachhaltige Befischung der offenen Meere und Ozeane. ASC steht für verantwortungsvolle Aquakultur.

Was unterscheidet Wildfang von Fisch aus Aquakultur?

Wild gefangener Fisch hat sich ganz anders ernährt und viel mehr Bewegung gehabt. Daher sind seine Nährwerte anders und sein Fettgehalt unterscheidet sich, er kann höher oder niedriger sein. Da es sich um ungesättigte Omega-3-Fette handelt, sind sie in jedem Fall sehr gesund. Wenn ich die Wahl habe, ziehe ich wilden Fisch vor.

Zurück zur Frage der Überfischung: Wenn es Siegel für nachhaltigen Fang gibt, warum sind dann einige Bestände in der Nord- und Ostsee so bedroht?

Das liegt nicht an den Fischern, sondern an den Räubern. Nein, keine Menschen – ich spreche von Kormoranen und Robben. Ein Kormoran frisst zwei bis drei Kilo Fisch am Tag. Er hat eine ätzende Magensäure und scheidet eine todbringende Brühe aus. Schauen Sie mal, wo die Tiere nisten. Da sind alle Bäume tot. Prinzipiell habe ich nichts gegen Kormorane und Robben. Ich finde aber, sie sollten reglementiert werden. Anders als die Fischer machen sie keinen Unterschied zwischen jungen Fischen und ausgewachsenen Tieren. Sie nehmen auch keine Rücksicht auf Laichgebiete und Schonzeiten. Daher bedrohen sie die Bestände stärker als die Fischer.

Woher bezieht man seinen Fisch am besten?

Vom Fachhändler oder vom Fischer. Niemand hat soviel Expertise wie diese beiden, die sich auf Fisch spezialisiert haben. Wenn Sie einen guten und vertrauenswürdigen Fachhändler oder Fischer in Ihrer Umgebung finden, kaufen Sie dort ein. Seine Produkte sind sicherer, nachhaltiger und schmackhafter.

Essen Sie persönlich viel Fisch?

Ja, jeden Tag. Fisch ist ein gesundes und edles Naturprodukt. Aber die Meere haben mehr zu bieten als Fisch: Sie liefern auch Muscheln, Algen, Krabben, Weichtiere und andere Schalentiere. Auch das sind vorzügliche Zutaten für eine gesunde und leckere Ernährung!

Mögen Sie auch vegane Fisch-Alternativen?

Nein, das sind stark verarbeitete Produkte. Ich ziehe natürliche Speisen vor.

Was ist Ihr Lieblingsprodukt mit Lachs?

Es muss nicht immer kompliziert sein. Was mich betrifft, esse ich gerne ein Lachs Carpaccio. Da kommt Meersalz und Zitronenpfeffer auf den Fisch, etwas gehobelter Käse drüber, dazu Rucola, Pinienkerne und Olivenöl. Ein tolles Gericht, einfach der Hammer!

Lachs-Carpaccio ist eins der Lieblingsgerichte von Fischsommelier Andrè Domke.
Lachs-Carpaccio (Quelle: André Domke)

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Quelle: B&L MedienGesellschaft

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