Im Fasskeller von Auerbachs Keller findet die Fasskellerzeremonie statt.
Quelle: Auerbachs Keller Leipzig

Wo der Teufel trinkt

Auerbachs Keller ist ein Stück Geschichte, das man in Leipzig besuchen muss. Johann Wolfgang Goethe und Martin Luther tranken hier – und der Legende nach auch Dr. Faust und der Teufel Mephistopheles. Im Interview berichtet René Stoffregen, seit 2018 Geschäftsführer von Auerbachs Keller, wie das Wirtshaus seinen Ruhm erlangte – und wie 500 Jahre Geschichte für die Gäste erlebbar werden.

Herr Stoffregen: Sie arbeiten seit über 27 Jahren in Auerbachs Keller. Fühlen Sie sich wie ein Teil der Geschichte?

Das kann man so sagen – ich bin einer der langjährigsten Mitarbeiter. Ich habe in Leipzig Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Gastronomie studiert und nebenbei als Aushilfe in der Mephisto Bar gearbeitet. Nach dem Studium war ich ein Jahr in London, aber dann bat mich der Sohn des damaligen Geschäftsführers, in Auerbachs Keller anzufangen. Nun bin ich seit 1996 hier festangestellt und immer wieder ein Stück aufgestiegen. 2016 haben die damaligen Inhaber der Familie Rothenberger beschlossen, sich zurückzuziehen und mir die Nachfolge angeboten, die ich dann 2018 übernahm.

René Stoffregen leitet Auerbachs Keller seit 2018 als Geschäftsführer.
René Stoffregen (Quelle: Auerbachs Keller Leipzig)

„Ich arbeite seit 27 Jahren in Auerbachs Keller und fühle mich als ein fester Teil des Restaurants. Seit 2018 bin ich Geschäftsführer.“

René Stoffregen

Die meisten Leute kennen die Geschichte von Goethes Faust – aber erzählen Sie doch nochmal: Wie genau kam Auerbachs Keller zu seinem Ruhm?

Es fing alles mit einer geschickten Täuschung an: Gegründet wurde Auerbachs Keller bereits 1525. Schon damals gab es die Legende, dass Dr. Faust mit einem Teufel auf einem Fass aus einem Wirtshaus geritten sei – aber von Auerbachs Keller oder Mephisto war noch keine Rede. Zum 100-jährigen Jubiläum des Lokals – das war 1625 – gab der damalige Wirt Johann Vetzer bei dem Maler Andreas Brettschneider zwei Bilder in Auftrag: Darauf sieht man den Teufel Mephisto und Dr. Faust auf einem Fass aus Auerbachs Keller reiten. Die Gemälde wurden auf das Jahr 1525 zurückdatiert – und schon stand der Mythos. Anderthalb Jahrhunderte später kam dann Johann Wolfgang Goethe nach Leipzig – das war im Jahr 1765. Er hat die beiden Bilder von Andreas Brettschneider bei uns hängen sehen und wurde davon zu seinem Bühnenstück Faust inspiriert. Und auf den Erfolg des Dramas folgte der Ruhm von Auerbachs Keller.

Gibt es die Gemälde noch?

Natürlich, sie hängen in den Historischen Weinstuben. Aber da gibt es noch mehr zu sehen: Im Raum Alt-Leipzig sind große Wandmalereien, welche die Stadt um die Jahrhundertwende zeigen – also 1880-1890. Im Fasskeller haben wir einen Kronleuchter, der aus einem einzigen Lindenstamm besteht und mit Schnitzereien verziert ist. Darauf sieht man Faust und mehrere Gestalten auf einer Wolke reiten, gelenkt wird sie natürlich von Mephisto. Das ganze Ensemble scheint auf ein Wandbild zuzufliegen, auf dem die Walpurgisnacht abgebildet ist. In dieser Nacht hat Dr. Faust angeblich von Hexen einen Verjüngungstrunk bekommen, der seine ganzen Abenteuer erst möglich machte. Gretchen hätte sich wohl kaum in einen alten Mann verliebt!

Gibt es dann auch besondere Events, welche die legendenreiche Ausstattung nutzen?

In unserem Fasskeller findet die Fasskellerzeremonie statt. Sie startet in der Mephisto Bar, die in der Mädler-Passage gleich neben dem Restaurant liegt. Dort erhalten die Gäste einen Begrüßungscocktail. Anschließend steigen sie in den Fasskeller hinab, wo sie ein Buffet oder Menü erwartet. Nach dem Essen gibt es 500 Jahre Geschichte pur mit Zitaten aus Goethes Faust in Form eines kleinen Schauspiels. Und weil Dr. Faust im Drama verjüngt wird, dürfen das auch unsere Gäste erleben: Vom Fasskeller geht es durch eine Tür und einen schmalen Gang im Gemäuer nämlich noch eine Etage tiefer: Dort ist unsere Hexenküche. Darin steht ein Kessel mit Zaubertrank, erleuchtet von Kerzen. Unsere Gäste müssen eine Zauberformel aufsagen und den Verjüngungstrunk schlürfen. Als Beweis, dass die Verjüngung erfolgreich war, müssen sie im Fasskeller auf das große Fass klettern. Das ist immer sehr lustig, wenn dann leicht angetrunkene Gäste auf das Fass klettern und sich vorstellen, sie könnten darauf nach draußen reiten.

Das klingt spektakulär – und sehr aufwändig. Was kostet es und wie oft findet das statt? Wer übernimmt das Schauspiel?

Die Veranstaltung kann von Firmen und Gesellschaften gebucht werden, aber auch für kleine Gästegruppen gibt es Termine. Zur Adventszeit empfehlen wir die Buchung ein Jahr im Voraus. Die Fasskellerzeremonie gibt es für Gruppen ab 25 Leute und sie kostet 62 Euro pro Person. Wir haben zwei Zeremonienmeister, die sich den Job teilen. Das sind freischaffende Künstler, die nicht direkt bei uns angestellt sind. So halten wir es auch mit den ganzen anderen Schauspielstücken, die es bei uns gibt: Bei uns kann man eine „Luther-Führung“ buchen und das Theater-Dinner „Die Luthers privat“, wozu es ein Menü aus unserer Küche gibt. Außerdem haben wir den Stadtrundgang „Kein Lotterleben“ mit dem historischen Altbürgermeister und Bauherrn Hieronymus Lotter. Wir bieten auch „Mephistos Kaffeeklatsch“ an, „Dr. Faust’s Kindergeburtstag“ und ein Programm mit Besuch des Leipziger Zoos. Unser Ziel ist es, wieder mehr Leipziger in unsere Gewölbe zu locken.

Moment – Martin Luther war also auch bei Ihnen zu Gast?

Allerdings – er war ein guter Freund des Gründers von Auerbachs Keller, Dr. Heinrich Stromer. Wir haben im historischen Teil ein Lutherstübchen, in dem es nachweislich ein Treffen mit Martin Luther gab. Das ist auch auf einem Gemälde von unserem Hausmaler Volker Pohlenz festgehalten, das den Titel „Das geheime Treffen“ trägt und in dem Lutherstübchen hängt.

Wenn Sie von den Historischen Weinstuben sprechen, bedeutet das, dass Auerbachs Keller in seinen Anfängen kleiner war?

Nein, zu Beginn gab es nur die Gewölbe im Keller, wo heute etwa 150 Personen Platz haben. Dazu gehören neben dem Fasskeller das Lutherstübchen, der Raum Alt-Leipzig und der Goethe-Keller. Das geht über zwei Stockwerke tief in den Keller hinein. Und noch weiter darunter – wo auch heute noch die Hexenküche liegt – gab es Geheimgänge, die zur Universität und zum Alten Rathaus führten. Denn damals gab es eine Ausgangssperre. Die hielt aber städtische Angestellte, Studenten und Professoren nicht vom nächtlichen Trinken ab – sie huschten der Legende nach durch die Gänge zurück zum Arbeitsplatz.  

2025 feiert Auerbachs Keller sein 500-jähriges Jubiläum – das wird sicher spektakulär, oder?

Das hoffe ich sehr, denn wir planen Großes. Das Jubiläum ist offiziell an Ostern 2025. Bis dahin zählen wir nach Art eines Adventskalenders die 500 Tage bis zum Jubiläum herunter – und an jedem Tag gibt es ein Statement von einer bekannten Persönlichkeit, die sich Auerbachs Keller verbunden fühlt. Wir haben auch ein Jubiläumslogo entworfen, das im Restaurant, auf einer Straßenbahn und auf einer Münze zu sehen sein wird – einer Sonderprägung. Es gibt Events wie einen Poetry-Slam für Studenten und im Anschluss ist ein „Großer Schlampamp“ buchbar mit 3-Gänge Menü und endlos Wein aus dem verzauberten Tisch. Es gibt auch einen neuen Imagefilm, der hoffentlich bald in Leipziger Kinos und beim Rennbahn-Aufgalopp zu sehen sein wird. Eine große Sache ist auch die eventuelle Neuauflage von „Faust n ‘Roll – das Rockmusical“ mit einer weiblichen Mephista.

Jetzt hat die ganze historische Bedeutung uns von dem abgelenkt, was das Herz eines Wirtshauses ausmacht – nämlich dem Essen. Was genau bieten Sie an?

Wir bieten deftige Hausmannskost nach sächsischer Art an. Unser Tagesgericht ist meistens der Wildschweinbraten – ein absoluter Dauerbrenner. Der kostet auch exakt 17,65 Euro und das entspricht zusammengelesen der Jahreszahl, zu der uns Goethe besucht hat – nämlich 1765. Ansonsten haben wir auch Sächsischen Sauerbraten, der anders als im Rheinland nicht mit Rosinen zubereitet wird, sondern mit viel Pilzsauce übergossen wird.

Woher beziehen Sie Ihre Zutaten – gibt es Standards wie Regionalität oder biologische Erzeugung?

Das fände ich schön, aber leider gibt es in dem Segment keine Lieferanten, die unserem Bedarf gerecht werden. Wenn wir unsere Wildschweine regional beziehen würden, dann gäbe es bald keine mehr in Sachsen. Daher beziehen wir unser Fleisch deutschlandweit und manchmal kommen auch Tiere aus Polen. Ein ähnliches Problem haben wir mit biologischen Waren: Wir bestehen auf der Garantie, dass unser Bedarf konstant gedeckt wird – und das können die Lieferanten nicht gewährleisten, leider. Ein Beispiel: Wir geben jährlich 36.000 Rouladen raus und 14.000 Kilogramm Rotkohl. Das sind enorme Mengen.

Das Menü klingt sehr fleischlastig – bieten Sie auch vegane und vegetarische Gerichte an?

Aktuell haben wir zwei vegane und drei vegetarische Gerichte auf der Karte. Wir haben allerdings unseren Küchenchef Sven Hofmann auf eine Schulung zum veganen Koch geschickt, um mehr Wissen ins Haus zu holen. Jetzt versuchen wir, ein veganes Gulasch aus Sojageschnetzeltem zu entwickeln. Das ist gar nicht so einfach, denn die Standzeit ist ganz anders als bei Fleisch. Wir wissen nicht, wie lange wir es warmhalten können, ohne dass die Qualität leidet. Ansonsten wollen wir Gerichte entwickeln, die mehreren Anforderungen zugleich gerecht werden: Sie sollten also vegan sein und auch für Allergiker geeignet – das heißt z. B. pflanzlich und ohne Nüsse oder Milch. 

Vielen Dank für das Gespräch, René Stoffregen!

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