Das Hiltl in Zürich ist das älteste vegetarische Restaurant der Welt und verzichtet großteils auf Ersatzprodukte.
Quelle: Hiltl

Vegetarisch à la 1898

Längst bevor die vegetarisch-vegane Küche aus gesundheitlichen, ökologischen oder gesellschaftlichen Gründen Trend wurde, kam diese im Hiltl in Zürich bereits auf den Tisch – und zwar ausschließlich. Das Restaurant wurde 1898 begründet und stellt damit das älteste vegetarische Restaurant der Welt dar. Über 100 vegetarische und vegane Gerichte stehen auf der Karte.

Welchen Stellenwert angesichts einer derart langen Tradition Ersatzprodukte wie Tofu oder hochverarbeitete Fleischersatzprodukte haben?
Worin das Geheimnis einer gelungenen vegetarisch-veganen Kreation liegt?
Mehr dazu hat der Redaktion 24 Stunden Gastlichkeit der Junior F&B Manager des Hiltl, Lukas Bernhardt, verraten.

Lukas Bernhardt, Junior F&B Manager im Hiltl in Zürich, über dessen vegetarisches Konzept
Quelle: Hiltl

„In den Anfangszeiten wurde das Hiltl im Volksmund abschätzig ‘Wurzelbunker’ genannt und viele Gäste, die als ‘Grasfresser’ verspottet wurden, betraten das Restaurant lieber durch den Hintereingang. Heute ist die vegetarische Küche weit mehr als ein Trend.“

Lukas Bernhardt, Junior F&B Manager, Hiltl

Herr Bernhardt, im Hiltl bieten Sie noch immer Speisen nach Rezepten aus den Anfängen Ende des 19. Jh. Was ist das beispielsweise?

Bei Hiltl fusionieren wir Tradition und Innovation, sodass wir ein breites Publikum ansprechen können. Im Mai haben wir unseren neuen Innenhof, genannt „Marthas Innenhof“, beim Haus Hiltl im Herzen Zürichs eröffnet. Er ist eine Hommage an Martha Gneupel, die erste Küchenchefin und spätere Ehefrau von Ambrosius Hiltl, dem Gründer des Hauses.
Natürlich wollten wir auch Gerichte von Martha wieder auf die Karte bringen. Der „Carfiol gebacken“ (s. Bild oben, links unten) ist ein gerösteter Blumenkohl auf einer Kräutercreme, serviert mit Bratkartoffeln, Haselnüssen und Ei.
Ein weiterer Klassiker von damals ist der Rohkostsalat: Wir richten das Gemüse rustikal an und servieren es mit einer Olivenöl-Kräutervinaigrette – gerade im Sommer eine wunderbare Vorspeise.

Wie kommen diese Klassiker im Gegensatz zu aktuellen Rezepten an?

Wir sind ein Traditionshaus und unsere Klassiker haben dementsprechend einen sehr hohen Stellenwert. Viele Gäste kommen extra für unsere Banane Madras oder das vegane Zürcher Geschnetzelte in unser À-la-carte-Restaurant.

Der Fokus Ihrer Küche liegt eher auf Gemüse als auf Ersatzprodukten – warum?

Wir kochen auf natürliche Weise vegetarisch und vegan. Der Fokus liegt nicht auf der Verarbeitung von Fleischalternativen, da Gemüse so vielfältig ist. Wir verarbeiten täglich rund zwei Tonnen Gemüse und Früchte frisch an unserem Hauptstandort.
Durch unterschiedliche Garmethoden oder Zubereitungsarten können wir Texturen und Geschmäcker kreieren, die unsere Gäste sehr schätzen.
Für gewisse Gerichte und um sicherzustellen, dass wir genügend Proteinquellen anbieten, verwenden wir jedoch auch Ersatzprodukte, die stets frei von unnötigen Konservierungs- und Zusatzstoffen sind. Natürlich gibt es bei uns auch keine genmanipulierten Lebensmittel.

Welche Art von Ersatzprodukten setzen Sie ein?

Wir arbeiten z. B. mit Seitan, Sojaprotein, Erbsenprotein. Wichtig ist uns dabei in erster Linie die Qualität. Unsere Partner sollen glaubhaft darlegen können, dass sie ihre Zutaten auf sozial und ökologisch verantwortungsvolle Weise beziehen, transparent arbeiten, auf Qualität und Handwerk bedacht sind und mit sauberen Rezepturen arbeiten. Bei vielen Produkten, wie beim Seitan, verwenden wir Bio-Qualität.

Inwiefern stellen Sie Ersatzprodukte auch selbst her?

Wir stellen keine Ersatzprodukte selbst her, bieten aber ein breites Angebot an Imitationen klassischer Gerichte. Bekannt und beliebt sind beispielsweise unsere Veggie-Burger-Patties oder das Cordon bleu, das wir mit Bio-Seitan herstellen.

Welchen Stellenwert haben in einer pflanzlich basierten Küche Gewürze und Konsistenzen und die Anzahl verschiedener Komponenten?

„Ein gelungenes vegetarisch-veganes Gericht lebt vom Spiel der Gegensätze: Knuspriges trifft auf Zartes, Süsse auf Säure, Cremigkeit auf Frische. Dabei geht es nicht um die schiere Anzahl an Elementen, sondern um deren gezielte Kombination. Die Kunst liegt in der Balance.“

Lukas Bernhardt, Junior F&B Manager, Hiltl

Gerade in der pflanzlich basierten Küche kommt der fein abgestimmten Komposition von Gewürzen, Konsistenzen und Komponenten eine besondere Bedeutung zu. Ohne tierische Produkte sind Textur, Tiefe und Aromenvielfalt entscheidend.

Ein gelungenes vegetarisch-veganes Gericht lebt vom Spiel der Gegensätze: Knuspriges trifft auf Zartes, Süsse auf Säure, Cremigkeit auf Frische. Dabei geht es nicht um die schiere Anzahl an Elementen, sondern um deren gezielte Kombination. Die Kunst liegt in der Balance; nur wenn sich die Komponenten gegenseitig ergänzen und verstärken, entsteht ein kulinarisches Erlebnis, das überrascht und begeistert.
So zum Beispiel bei unseren „Knusperli & Härdöpfelsalat“, wo wir ein Nori-Salz verwenden, um dem Gericht eine Meeresnote zu verleihen.

Das Hiltl gibt es seit 1898. Was hat sich seitdem in der Speisekarte und Nachfrage verändert? Sind gewisse Veggie-Trends ablesbar?


In den Anfangszeiten wurde das Hiltl im Volksmund abschätzig „Wurzelbunker“ genannt und viele Gäste, die als „Grasfresser“ verspottet wurden, betraten das Restaurant lieber durch den Hintereingang.

Heute ist die vegetarische Küche weit mehr als ein Trend. Wir bieten zeitgemäße Speisen und Getränke, die saisonal abgestimmt und nachhaltig sind. Unsere Produktauswahl ist modern, einfach und unkompliziert. Trends sind in der heutigen Welt der (sozialen) Medien schnelllebig und oft unvorhersehbar. Der anhaltende Fokus auf einen gesunden Lifestyle und Langlebigkeit jedoch bleibt. Und dafür ist unser Fokus auf gesunden Genuss ideal.

Was ist Ihnen wichtig bei der Zutatenbeschaffung?


Im Hiltl arbeiten wir bereits seit vielen Jahren mit zuverlässigen Partnern. Unser Portfolio besteht aus Produzenten, die denselben Qualitätsanspruch haben wie wir.
Bei neuen Partnerschaften achten wir darauf, dass das Hiltl-Leitbild sowie unsere Food & Beverage-Philosophie vorgestellt und übergeben werden. Wir sind stets bemüht, gemeinsam einen langfristig nachhaltigen Weg zu gestalten; selbstverständlich unter Berücksichtigung der sich wandelnden Makroumwelt und der relevanten Umweltfaktoren.

Was ist der Renner auf der Karte?

Wir bieten ein hybrides Angebot an. Unser Self-Service-Buffet ist definitiv am beliebtesten, besonders unsere Jalapeños sind heiß begehrt. In unserem bedienten Restaurant lieben die Gäste vor allem die Banane Madras oder das vegane Zürcher Geschnetzelte.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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Bild von Claudia Kirchner

Claudia Kirchner

Die Branche der Gemeinschaftsgastronomie begleitet Claudia Kirchner nun schon seit fast 20 Jahren, gestartet als journalistische Quereinsteigerin, wie im Fachjournalismus nicht selten. Dafür ist sie als Dipl.-Oecotrophologin quasi vom „Fach“. Und obwohl ihre Leidenschaft zu Studienzeiten eher der Ernährungsphysiologie und Mikrobiologie, denn der Haushalts- und Großküchentechnik galt, machte sie die redaktionelle Arbeit zu einer ausgewiesenen Technikexpertin. Als einstige FÖJ-lerin sensibilisiert für „Ökologie“, hat sie zudem deren „große Schwester“ – Nachhaltigkeit – frühzeitig in der Münchner Zentralredaktion zum Thema gemacht. Ihr Antrieb als Chefredakteurin des GVMANAGER, Redakteurin des Fachmagazins und Impulsgeberin der Zentralredaktion ist es, den Lesern praxistaugliche Tipps für den Umgang mit kleinen und großen Herausforderungen des Großküchenalltags an die Hand zu geben und spannende Einblicke in Erfolgsrezepte von Kollegen zu geben.

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