Tanja Nißlein ist Projektleiterin bei der AGNF e. V. Fürth und plant das neue Inklusionshotel.
Quelle: Vowisol

Potenzial erschließen

Ein inklusives Tagungshotel in Fürth – das ist das Projekt, dem Tanja Nißlein als Leiterin vorsteht. Im Auftrag der AGNF e. V. Fürth wird das Tagungshotel Veranstaltungen beherbergen und auch externen Gästen offenstehen. Über ihre Arbeit im Impfzentrum während der Corona-Pandemie kam sie an die neue Position – ihr Chef Klaus Meyer wählte sie wegen ihrer umfangreichen Führungserfahrung in der Gastronomie dafür aus. Nun organisiert sie zusammen mit ihrer Kollegin Jasmin Langer die Umbau- und Renovierungsarbeiten im Gebäude, das voraussichtlich Ende 2024 eröffnen kann. Im Interview berichtet sie, was es bei der Planung eines Inklusionshotels zu beachten gibt, welche Rekrutierungsmöglichkeiten es gibt und wofür sich Förderung beantragen lässt.

Wie ist die Ausgangssituation mit dem Gebäude, Tanja Nißlein?

Wir haben ein altes Bestandsgebäude aus den 1940er Jahren, das in den 70ern mal um einen Bettenanbau erweitert wurde. Die Zimmer sind unglaublich winzig, kleiner noch als die Kabinen auf einem Kreuzfahrtschiff! Das müssen wir natürlich ändern, deswegen entkernen wir das Gebäude und legen Einzelzimmer zu Doppelzimmern zusammen. Geplant sind 33 Zimmer und im Anbau nochmal weitere 23 Zimmer. Außerdem haben wir vier Tagungsräume und eine Eventhalle.

Blick auf den Eingangsbereich des geplanten Inklusionshotels.
(Quelle: Vowisol)

Welche Vorgaben haben Sie seitens der Gestaltung?

Das ist alles sehr offengehalten, der Klaus Meyer vertraut mir und der Frau Langer und lässt uns das machen, wie wir es für richtig halten. Indirekt planen wir ja unsere eigene Zukunft, denn das Hotel wird auch eine Leitung samt Stellvertretung brauchen.

Wie möchten Sie Menschen mit Einschränkung dann künftig einsetzen?

Klassischerweise werden Menschen mit geistigem Handicap im Housekeeping eingesetzt und körperlich eingeschränkte Menschen in der Verwaltung und an der Rezeption. Wir sind da aber offen. Es ist mir wichtig, auf die Wünsche der künftigen Angestellten einzugehen: Es kann ja auch sein, dass mal jemand nicht vor 12 Uhr mittags arbeiten möchte – denjenigen muss man dann ja auch nicht zum Frühstücksdienst einsetzen.

Wie viele Mitarbeiter möchten Sie einstellen?

Wir werden 20 Mitarbeiter einstellen, acht davon mit einer Schwerbehinderung. Dieses Verhältnis ist auch notwendig, damit wir uns Inklusionsbetrieb nennen dürfen. Derzeit lassen wir uns auch von Martin Bünk von Inc‘otel beraten, da wir selbst keinen Inklusionsexperten im Haus haben.

Tanja Nißlein verantwortet als Projektleiterin die Entstehung des Inklusionshotels des AGNF e. V. Fürth.
Tanja Nißlein (Quelle: Tanja Nißlein)

„Menschen mit Handicap sind ein großes Potenzial, das bisher übersehen wurde, aber auch Mütter werden schändlich unterschätzt.“

Tanja Nißlein

Wie rekrutieren Sie dann Personal?

Wir arbeiten mit dem Berufsförderzentrum zusammen. Die haben sich bereiterklärt, Menschen für die Arbeit bei uns vorzubereiten. Wenn wir zum Beispiel Mitarbeitende im Service brauchen, bereiten sie ihre Schüler gezielt dafür vor.

Bekommen Sie Zuschüsse vom Inklusionsamt?

Das Amt bezuschusst in erster Linie den Arbeitsplatz: Es beteiligt sich an den Kosten für die Hardware, die wir anschaffen, um Menschen mit Behinderung beschäftigen zu können. Für die Inklusionsmitarbeiter selbst bekommt man einen sogenannten Minderleistungsausgleich – auch hier zahlt das Amt einen Teil des Gehalts, da von Menschen mit Einschränkung nicht immer die volle Leistung eines medizinisch gesunden Menschen erwartet werden kann.

Ist es aufwändig, das Gebäude behindertengerecht zu gestalten?

Für uns im Moment schon, da der Altbau keine Aufzüge hat und auf seinen fünf Ebenen alles andere als barrierefrei ist. Die Baumaßnahmen sind aber nicht nur für künftige Mitarbeiter notwendig: Auch Eltern mit Kinderwagen oder Senioren brauchen unbedingt Aufzüge! Sie profitieren ebenfalls von der Barrierefreiheit.

Sie wurden von der DHA zur Nachhaltigkeitsmanagerin ausgebildet. Wie setzen Sie Ihr Wissen nun praktisch um?

Nachhaltigkeit hat ja drei Dimensionen: Neben der Ökologie und der sozialen Nachhaltigkeit spielt auch die Ökonomie mit hinein. Natürlich müssen wir ökonomisch wirtschaften, aber ich hoffe auch, dass unser Hotel die Wirtschaft in der Umgebung positiv beeinflussen wird. Wir werden mit regionalen Lieferanten zusammenarbeiten und saisonales Essen anbieten. Für mich persönlich steht die soziale Nachhaltigkeit im Zentrum, denn jedes Projekt und jedes Unternehmen steht und fällt mit seinen Mitarbeitern. Jetzt, wo es an Fachkräften fehl, müssen Arbeitgeber ihre Komfortzone verlassen. Menschen mit Handicap sind ein großes Potenzial, das bisher übersehen wurde, aber auch Mütter werden schändlich unterschätzt. Für sie sollte es mehr Führungspositionen in Teilzeit geben, die sich dann beispielsweise zwei Frauen teilen.

Sie haben schon in einigen Führungspositionen gearbeitet. Welche Eigenschaften halfen Ihnen dabei?

Ich bin schon immer ein sehr strebsamer Mensch und bringe zu Ende, was ich anfange. Ich habe mich schon vor dem Abitur für die Gastronomie entschieden, bin dabeigeblieben und habe mich immer weitergebildet. Auch in den USA habe ich eine Zeitlang gelebt und gearbeitet – dadurch bin ich mit Menschen fast aller Kontinente in Kontakt gekommen und habe gelernt, mich in andere Perspektiven hineinzuversetzen. Dann kommt noch meine positive Grundeinstellung dazu: Ich konzentriere mich auf das Gute an einer Situation, nicht auf das Negative. Diese Eigenschaften haben mir, denke ich, bisher gut durchs Leben geholfen.

Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch, Tanja Nißlein!

info

Ein Handicap hat jeder

Michael Wörle arbeitet an der Prälat-Pichler-Berufsschule Augsburg und bildet auch Menschen mit Handicap für die Arbeit in der professionellen Küche aus. Worin das wahre Handicap im Umgang mit Menschen mit Einschränkung besteht, erzählt er im Interview.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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