Jedes Mal, wenn ein neuer Mitarbeiter ins Team wechselt, ein neues Küchengerät angeschafft wird oder auch, wenn es beinahe oder tatsächlich zu einem Arbeitsunfall gekommen ist, ist sie zu überprüfen: die Gefährdungsbeurteilung auch bekannt als GBU. Sie zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren, dazu sind auch Lebensmittelunternehmer laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet.
„Aufgrund des großen organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufwandes tut sich die Branche der Gemeinschaftsverpflegung eher schwer mit der Gefährdungsbeurteilung, da der Schwerpunkt mehr auf praxisrelevanten Themen liegt.“
Bernd Merker, VKK-Vorstandsmitglied, Betriebsleiter der Zentralküche Saarland des Schwesternverbands
Will man die Gefährdungsbeurteilung adäquat erarbeiten, sind zahlreiche Referenzdokumente mit Vorgaben und Empfehlungen zu studieren. Darunter fallen u. a.:
- die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1)
- einschlägige Rechtsverordnungen zum ArbSchG, wie
- die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV),
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV),
- Gefahrstoffverordnung (GefahrStoffV),
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV),
- Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV),
- Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV),
- Biostoffverordnung (BioStoffV),
- Mutterschutzgesetz,
- Jugendarbeitsschutzgesetz.
Bereits die Menge der angeführten Vorgaben und Empfehlungen lässt erahnen, dass die Erstellung der GBU eine umfangreiche und bürokratische Aufgabe ist.
Diesen Aufwand speziell Küchenleitern und Verantwortlichen von Großküchen sowie Gemeinschaftsgastronomie zu erleichtern, hat sich der Verband der Küchenleitung VKK, dessen Organ das Fachmagazin GVMANAGER ist, zur Aufgabe gemacht.
Kooperation aus Praxis (VKK-Mitglied) und BGN-Experte
So machte sich das darin erfahrene VKK-Mitglied Bernd Merker, Betriebsleiter der Zentralküche Saarland des Schwesternverbands, daran, eine fundierte Arbeitsvorlage zu erarbeiten. Sie soll die Grundlage für eine individuelle Gefährdungsbeurteilung anderer Großküchen oder Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie sein. Über einen Zeitraum von zwei Jahren feilte er zusammen mit Rolf Schwebel, dem bundesweiten Koordinator für das Gastgewerbe von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), der auch das Sachgebiet Gastgewerbe der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) leitet, an der umfangreichen Excel-Datei.
Arbeitsgrundlage zur Gefährdungsbeurteilung in der Großküche – Aufbau
Die Datei besteht aus einzelnen Tabellendokumenten, die den wesentlichen Teilbereichen einer Großküche gewidmet sind. Beispielsweise gibt es eigene Tabellenblätter für folgende Bereiche der Produktion:
- Anlieferung
- Lagerung
- Speisenvor- und -zubereitung
- Topfspüle und
- Verpackung
Die Gefährdungsbeurteilungen pro Teilbereich sind jeweils gleich gegliedert.
1. Es werden zunächst die möglichen Gefahrenquellen aufgelistet,
2. diesen dann jeweils die Gefährdungen bzw. Belastungen zugeschrieben, die auftreten können.
3. Adäquate Schutzziele werden zugeordnet.
4. Sehr umfangreich angeführt werden begleitende technische, organisatorische sowie personenbezogene Maßnahmen.
5. Ihren eigenen Handlungsbedarf eintragen können die Verantwortlichen in den anschließenden Spalten:
– Besteht Handlungsbedarf (ja/ nein)?
– Wer hat das Ganze bis wann durchgeführt?
– Wer hat die Wirksamkeit wann überprüft?
Um das Ganze zu veranschaulichen, ein Beispiel aus der Tabelle Speisenvor- und -zubereitung:
Die Beleuchtung wird hier als Gefahrenquelle angeführt, da es dadurch u. a. zu Ermüdung oder Konzentrationsstörungen kommen kann. Um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden, wird u. a. empfohlen, auf eine angemessene künstliche Beleuchtungsstärke von mindestens 500 lx zu achten, Schlagschatten zu vermeiden und ggf. eine zusätzliche Beleuchtung für Arbeitsbereiche mit besonderen Sehaufgaben zu installieren.
Wie erstellt man eine Gefährdungsbeurteilung für die Großküche und warum?
Nachgefragt bei: Bernd Merker, VKK-Vorstandsmitglied, Betriebsleiter Zentralküche Saarland, Schwesternverband
Herr Merker, welchen Mehrwert hat der Küchenleiter dank Ihrer Vorlage bei der Erstellung einer eigenen Gefährdungsbeurteilung?
Küchenleitungen können die Vorlage mit geringem Aufwand an ihre aktuellen örtlichen Gegebenheiten anpassen, da es in unserer Branche viele Überschneidungen gibt.
Was genau ist noch anzupassen bzw. ausfüllen?
Der Verantwortliche muss seinen Tätigkeitsbereich, verwendete Küchengeräte, vorhandene bauliche Gegebenheiten und daraus resultierende spezifische Gefährdungen auf seine Situation anpassen und nicht zutreffende Punkte aus der Vorlage streichen sowie das Deckblatt und die Maschinenliste anpassen.
Welchen Eindruck haben Sie – ganz ehrlich – wie korrekt Gefährdungsbeurteilungen in der Großküchenpraxis tatsächlich erstellt und gelebt werden?
Aufgrund des großen organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufwandes tut sich unsere Branche eher schwer, da der Schwerpunkt mehr auf praxisrelevanten Themen liegt.
Wo besteht noch großes Verbesserungspotenzial oder Unwissen?
Verbesserungspotenzial besteht bei der Ausbildung von branchenspezifischen Fachkräften in der Thematik der Gefährdungsbeurteilung und des Arbeitsschutzes.
Viele Küchenleitungen wissen zudem nicht, dass sie sich über die BGN Informationen und Vorlagen besorgen oder bei Fragen auch an Rolf Schwebel wenden können. Bei konkreten Fragen empfiehlt es sich, die regional zuständige Aufsichtsperson zu kontaktieren, da sie den Betrieb zumeist kennt und auf die individuellen Gegebenheiten mit auch persönlicher Beratung vor Ort eingehen kann.
Welche Konsequenzen drohen, wenn leichtfertig auf Gefährdungsbeurteilungen verzichtet wird?
Solange „nichts passierte“, herrschte oftmals die Meinung „wo kein Kläger, da kein Richter“. Allerdings gibt es große arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen, vor allem wenn es zu einem Vorfall bzw. Unfall kommt. Hier stehen der Arbeitgeber und die Führungskraft in der Haftung, was vielen Verantwortlichen nicht bewusst ist.
Haben Sie ein konkretes Beispiel für mögliche Konsequenzen?
Kommt es z. B. zu einem Arbeitsunfall mit Personenschaden, der hätte vermieden werden können, so ist zu prüfen, ob der Unfall schuldhaft – insbesondere fahrlässig – zustande gekommen ist. Dabei ist immer der Einzelfall zu prüfen und ob in diesem die rechtlich verbindlichen Anforderungen zur Arbeitsschutzorganisation eingehalten wurden. Liegt Fahrlässigkeit vor, können straf-, zivil- und ordnungsrechtliche Konsequenzen in Betracht kommen. Mögliche Rechtsfolgen können sein: Geldstrafe, Regressansprüche der Berufsgenossenschaft, Freiheitsstrafe sowie Konsequenzen aus dem Arbeitsvertrag.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Arbeitsvorlage zur Gefährdungsbeurteilung in der Küche
- Herausgeber: Verband der Küchenleitung VKK
- Beteiligte: Rolf Schwebel, Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), und Bernd Merker, Schwesternverband
- Format: Excel-Tabelle mit 16 Tabellenblättern zu den verschiedenen Bereichen Produktion und Lagerlogistik (Inkl. 6 Teilbereiche), Transportlogistik, Verwaltung, Unterhaltsreinigung, Speisenausgabe und Organisatorisches
- Kosten: 30 Euro (VKK-Mitglieder), 55 Euro (Nicht-Mitglieder)
- Bestellung: Andrea Mager, VKK-Geschäftsstelle, Tel. (06126) 988 250, [email protected]
- Zustellung: per E-Mail oder postalisch (USB-Stick oder ausgedruckt)
Quelle: B&L MedienGesellschaft
Update Warmhaltetemperaturen
Mal heißt es 60°C, mal 65°C, an anderer Stelle ist die Rede von 72°C – bei welchem Schritt der Speisenproduktion ist welche Temperatur vorgeschrieben? Sein Wissen darüber teilt VKK-Vorstandsmitglied Jochen Mayer, der die Seite der Großverpfleger u. a. im DIN-Arbeitskreis Außer-Haus-Verpflegung/Temperaturen vertritt, im Beitrag „Alles auf Temperatur?“.