HACCP, ein Thema, das für viele Köche und Küchenleiter noch immer abstrakt ist, wird künftig noch herausfordernder. Denn: fast alle Regelwerke zur Lebensmittelhygiene in Großküchen haben sich in den vergangenen drei Jahren geändert. Daraus resultieren vier wesentliche Neuerungen, wozu wir im Folgenden ein Update geben:
Was ändert sich in der Pflicht zur Hygienedokumentation für Großverbraucher und Profiküchen? Was wird einfacher, was umfangreicher?
„In Summe zwölf Regelwerke haben sich in den letzten Jahren verändert. Manche davon grundlegend. Das Konzept daran anzupassen, werden viele Betriebe alleine nicht schaffen. Vor allem vor dem Hintergrund von Fachkräfte- bzw. Personalmangel. Die Betriebe haben keine Zeit und keine Ressourcen für eine Fleißaufgabe, daher ist es besonders wichtig, einen schlanken Ansatz zu wählen. Es muss praxisgerecht sein – auch wenn das viele Personen in den Kontrollorganen leider (noch) nicht verstehen.“
Stefan Vornehm, Chefs Culinar Consulting
Nachgefragt bei: Stefan Vornehm, Chefs Culinar Consulting
Stefan Vornehm von Chefs Culinar Consulting gibt im Interview mit der Redaktion GVMANAGER einen Rückblick, ein HACCP-Update und einen Ausblick auf das neu geforderte Managementsystem für Lebensmittelsicherheit, das vor allem Care-Betriebe betrifft.
Herr Vornehm, fast alle Regelwerke zur Lebensmittelhygiene in Großküchen haben sich in den vergangenen drei Jahren geändert – können Sie kurz die wichtigsten ansprechen?
Seit den Nullerjahren etwa folgt das deutsche Lebensmittelrecht dem EU-Recht. EU-seitig sind das eigentlich relativ schlanke Zielvorgaben. Daraus wurden in Deutschland schließlich 40 branchenspezifische Leitlinien, z. B. für soziale Einrichtungen, die Gastronomie, den Einzelhandel, das Trinkwasser usw. Branchenrelevant für Großküchen ist u. a. die Leitlinie für soziale Einrichtungen und Dienste, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft der Hauswirtschaft. Diese wurde 2022 komplett aktualisiert und hat sich im Umfang mehr als verdoppelt. Darüber hinaus gibt es über 30 DIN-Normen im Bereich Lebensmittelhygiene, die thematisch aufgebaut sind, z. B. Temperaturen, Rückstellproben, Reinigung und Desinfektion.
Parallel dazu wurden 2020 und 2022 die EU-Leitfäden zum Thema „Managementsysteme für Lebensmittelsicherheit“ veröffentlicht, die u. a. Anforderungen an HACCP und PRP aufzeigen.
- 2020: Leitfaden für Managementsysteme für Lebensmittelsicherheit im Lebensmitteleinzelhandel, einschließlich Lebensmittelspenden: 2020/C 199/01
- 2022: Bekanntmachung der Kommission zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von guter Hygienepraxis und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelunternehmen: 2022/C 355/01
Die genannten EU-Leitfäden zielen auf eine Art neues Konzept der Lebensmittelsicherheit ab, das über das bisherige HACCP-Konzept hinausgeht. Gesetzliche Pflicht oder „nur“ Empfehlung?
Genau genommen ist ein EU-Leitfaden eine Kann-Regelung, ähnlich wie eine Hygiene-Leitlinie oder DIN-Norm. Aber die rechtlichen Vorgaben bestehen weitgehend aus Zielvorgaben wie: „Nicht sichere Lebensmittel dürfen nicht in Verkehr gebracht werden“. So kommt diesen „Hilfsnormen“ große Bedeutung zu.
Da Änderungen im EU-Recht oft Jahre von der Idee bis zu Realisierung brauchen, geht man oft den einfacheren und schnelleren Weg, wie hier über Leitfäden.
Rechtlich verpflichtend sind Hilfsnormen aber nicht – im Gegensatz zum HACCP-Konzept und der Pflicht zur Guten Hygienepraxis. Diesen liegt die europäische Lebensmittelhygiene VO 852/2004 zugrunde.
Im Fall des Falles greift die Rechtsprechung aber – sofern es keine rechtlichen Vorgaben gibt – im zweiten Schritt auf Leitlinien, DIN-Normen und die EU-Leitfäden zurück, wenn es vor Gericht geht. Die Lebensmittelkontrolle empfiehlt die Leitlinien und DIN-Normen schon seit einer Weile. Künftig werden auch die beiden EU-Leitfäden eine große Bedeutung bekommen. Und spätestens in zehn Jahren wird es ganz normal sein, dass die Betriebe einen Managementansatz haben (müssen).
Abgesehen davon geht es bei den Hygienevorgaben ja nicht nur darum, die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sondern ein Mindestmaß an Prävention und damit den Schutz der Gesundheit und des Lebens zu leisten – das sollte nicht vergessen werden.
Was sind die wichtigsten Neuerungen?
Im Grunde gibt es vier wichtige Änderungen.
Nachweis der Lebensmittelsicherheitskultur
Gemäß der europäischen Lebensmittelhygieneverordnung (EU-VO 852/2004) muss seit 2021 schriftlich festgehalten werden, wer im Betrieb welche Verantwortlichkeiten hat. Damit liegt die Verantwortung nicht unbedingt bei den Küchenleitungen, sondern bei den Geschäftsführungen. Die sind sich dessen oft aber nicht bewusst.
Neue Regelung für die „Umverteilung von Lebensmitteln“
Werden Lebensmittel gespendet, z. B. an die Tafel, gibt es dafür neue Mindestanforderungen – sowohl für die Spender als auch für die Betriebe, die Lebensmittelspenden entgegennehmen.
Vereinfachter Ansatz für ein Managementsystem
Verpflegungsbetriebe verfügen oft nicht über die „wissenschaftliche Kenntnisse und Ressourcen, um im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Anwendung eines Managementsystems für Lebensmittelsicherheit eine Gefahrenanalyse durchzuführen“.
Daher müssen die Betriebe keine Risikobewertung vornehmen und sie dürfen Gefahrengruppen (z. B. biologisch) anstatt einzelner Bakterienarten benennen.
Flexibler Ansatz
Nicht mehr alle Betriebe benötigen ein HACCP-Konzept; bei kleineren Betreiben reicht ein PRP-Konzept aus. Der Leitfaden „Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit“ von 2022 zeigt vier Gefahrenstufen auf:
- Einstufiger Ansatz (Gute Hygienepraxis reicht aus, kein HACCP)
- Zweistufiger Ansatz (GHP und oPRP*, kein HACCP)
- Dreistufiger Ansatz (GHP und HACCP) – gesetzliche Mindestanforderung
- Vierstufiger Ansatz (GHP, oPRP und HACCP)
(*oPRP sind operative PRPs, also etwa produktbezogene Hygieneaspekte im Unterschied zu normalen PRPs, die allgemein gelten. Bislang spielen oPRPs in Küchen aber keine Rolle.)
Betriebe sollen auswählen, zu welcher Gefahrenstufe sie gehören.
Zum einen muss die sogenannte Lebensmittelsicherheitskultur nachgewiesen werden. Gemäß der europäischen Lebensmittelhygieneverordnung (EU-VO 852/2004) muss seit 2021 schriftlich festgehalten werden, wer im Betrieb welche Verantwortlichkeiten hat. Das ist gut für sämtliche Küchenleitungen. Denn es wurde klargestellt, dass die Hauptverantwortung als Lebensmittelunternehmer nicht bei ihnen liegt, sondern bei den Geschäftsführungen – die sich dessen nicht bewusst sind.
Als zweites gibt es eine neue Regelung für die „Umverteilung von Lebensmitteln“. Werden Lebensmittel gespendet, z. B. an die Tafel, gibt es dafür neue Mindestanforderungen – sowohl für die Spender als auch für die Betriebe, die Lebensmittelspenden entgegennehmen.
Die letzten zwei Neuerungen sind eine Vereinfachung – zumindest für einen Teil.
Vereinfachung klingt prima! Worum geht es und wer profitiert davon?
Für Betriebe mit sogenannter Einzelhandelstätigkeit, worunter laut der EU-Leitlinie auch gastronomische Betriebe und die GV fallen, gilt künftig ein vereinfachter Ansatz für ein Managementsystem. Die Begründung: Verpflegungsbetriebe verfügen oft nicht über die „wissenschaftlichen Kenntnisse und Ressourcen, um im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Anwendung eines Managementsystems für Lebensmittelsicherheit eine Gefahrenanalyse durchzuführen“. Das heißt im Klartext, dass von Großküchen weniger erwartet wird als von z. B. einem industriellen Lebensmittelproduktionsbetrieb, der ganz andere Strukturen und Fachkräfte hat, etwa Mikrobiologen.
Sie müssen folglich keine Risikobewertung vornehmen. Zudem können sie Gefahrengruppen (z. B. biologisch) anstatt einzelner Bakterienarten betrachten.
Bezieht sich das auf die klassische Analyse biologischer, chemischer und physikalischer Gefahren wie im HACCP-Konzept gefordert?
Ja, generell ist zu unterscheiden zwischen Gefahr und Risiko. Gefahr ist der Umstand an sich, also die Möglichkeit, dass beispielsweise Listerien in den Speisen sind, und Risiko ist die Wahrscheinlichkeit, wie oft eine Gefahr vorkommt und seit kurzem auch die Auswirkung einer Gefahr auf die Gesundheit der Menschen. Listerien kommen sehr selten vor, haben aber die höchste Todesfallrate. Solche Daten zu berücksichtigen und vor allem richtig zu bewerten, fällt dem Koch natürlich schwer, weil er nicht über diese Informationen verfügt. Und da das für die Praxis auch nicht so relevant ist, wie klare Grenzwerte und stimmige Korrekturmaßnahmen, hat man das für Verpflegungsbetriebe vereinfacht.
Ein Tipp für die nächste Kontrolle: Unbedingt gleich vorne ins Konzept schreiben, dass es nach dem vereinfachten Managementansatz gemäß EU-Leitfaden „Managementsysteme für Lebensmittelsicherheit“ von 2020 aufgebaut ist!
Was hat es mit den Gefahrengruppen auf sich?
Es reicht aus, die Gefahrenart zu benennen, also im Falle von mikrobiellen Belastungen wäre das „biologische Gefahr“. Das Konzept muss nicht unterscheiden zwischen Listerien, Salmonellen usw., da die vorbeugenden Maßnahmen im Prinzip dieselben sind.
Diese Ansage von EU-Ebene ist eine große Erleichterung für Betriebe. Gleichwohl muss ein Konzept natürlich auch Schutzmaßnahmen gegen Listerien enthalten. Dafür ist aber nicht entscheidend, explizit eine Analyse von Listerien vorzunehmen, sondern dass die Basishygiene im Betrieb von allen wirklich gelebt wird.
Und was ist die zweite große Neuerung, welche die Hygienedokumentation erleichtert?
Der „flexible Ansatz“, dem zufolge nicht mehr alle Betriebe ein HACCP-Konzept benötigen. Schon mit Einführung der einst starren Verpflichtung wurde kritisiert, dass das gar nicht für alle Lebensmittelbetriebe Sinn macht, etwa die Pommesbude oder die Kneipe. Das wurde jetzt auch schriftlich in einem EU-Leitfaden festgehalten. Für kleinere Küchen reicht fortan ein PRP-Konzept aus.
Je nach Risikopotenzial unterscheidet man dabei vier Stufen (s. Tabelle o.) mit unterschiedlichen Anforderungen, die auch in der deutschen Leitlinie für soziale Einrichtungen schön dargestellt sind.
Und für wen ist dann das noch komplexere Managementsystem für Lebensmittelsicherheit empfehlenswert?
Ein solches macht Sinn für, z. B.
- Betriebe ab einer bestimmten Größe, wie großen Schul- und Kitacaterern,
- Zentralküchen, die andere beliefern – und damit auch der EU-Zulassungspflicht unterliegen,
- Klinikküchen,
- Küchen in Senioreneinrichtungen und
- Küchen in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Zum einen werden mehr Menschen versorgt; zum anderen haben wir es hier mit Menschen zu tun, die ein geschwächtes Immunsystem haben können und deswegen eines besonderen Schutzes bedürfen.
Was ist beim Aufbau des Managementsystems gegenüber dem klassischen HACCP-Konzept on top zu leisten?
Erst einmal ist es wichtig, dass es überhaupt ein HACCP-Konzept gibt oder eines, das rechtskonform ist, auf dem man aufbauen kann. Das ist bei weitem noch nicht in allen Betrieben der Fall. Immer wieder fallen der Lebensmittelkontrolle Betriebe auf, die gar kein oder ein völlig veraltetes HACCP-Konzept haben.
Wo hakt es denn noch in puncto HACCP-Konzept?
Teils fehlen ganz wichtige Inhalte wie die CCPs, also die kritischen Kontrollpunkte, die aus der Analyse biologischer, chemischer und physikalischer Gefahren hervorgehen. Für viele ein zu abstraktes Thema. Wobei die Menge der CCPs eigentlich unwichtig ist. Wichtig ist, zu wissen, welche Gefahren bestehen – und wo der Verantwortungsbereich der Küche liegt. Dass dieser eben nicht an der Küchentür endet, sondern bei der Abgabe der Speisen an interne oder externe Kunden.
Teils werden ganze Bereiche bei der Gefahrenanalyse vergessen. Oder es fehlen vorbeugende Maßnahmen. Oder es sind keine Grenzwerte definiert, wie Temperaturwerte oder Warmhaltezeiten. Schlussendlich muss dann im Tagesgeschäft überprüft werden, ob auch alles eingehalten wird, was man sich auf die Fahne geschrieben hat. Und zuguterletzt müssen Korrekturmaßnahmen umgesetzt werden, erst damit bietet ein HACCP-Konzept tatsächlich den Schutz, für den es ja erstellt worden ist. Und all das muss schriftlich bzw. digital dokumentiert sein.
Wie komme ich dann vom HACCP-Konzept zum Konzept für Lebensmittelsicherheit?
On top kommt das Thema Lebensmittelsicherheitskultur.
- Es gilt also festzulegen, wer wofür verantwortlich ist beim Prozess der Lebensmittelproduktion und dem Inverkehrbringen.
- Es empfiehlt sich, das nicht an konkreten Mitarbeitern festzumachen, sondern an deren Position. Beispielsweise der Küchenleiter verantwortet XY, der Geschäftsführer Z.
- Das Ganze ist zusätzlich als Flussdiagramm darzustellen, also als bildliche Darstellung des gesamten Ablaufs, der in der Verantwortung des Betriebs steht. Denn vom Wareneingang bis hin zum Konsumenten kommen viele Aufgaben zusammen, die nicht allein die Küche betreffen. In der Klinik hat man vielleicht noch eine Wirtschaftsleitung zwischen Geschäftsführung und Küchenleitung geschaltet, in Pflegeheimen die Pflegedienst- oder Wohnbereichsleitung. In dieses Diagramm kann man beispielsweise auch direkt die CCPs eintragen und bekommt eine gute Übersicht. Beispiele, wie sich das gestalten lässt, finden sich übrigens in der neuen Leitlinie für soziale Einrichtungen und Dienste.
- Ergänzend braucht es schriftliche Regelwerke in Form von Arbeitsanweisungen, die jeder kennen muss und die geschult werden müssen. Übrigens sollten das keine Romane sein, sondern maximal eine bis zwei Seiten, die aushängen und sich auch im Vorbeigehen mal schnell überfliegen lassen.
- Zuguterletzt sollte direkt im Konzept festgeschrieben werden, dass es mindestens jährlich auf Aktualität zu prüfen ist.
- Ein vollständiges Managementkonzept der Lebensmittelsicherheit umfasst zudem ein PRP-Konzept.
Was ist ein PRP-Konzept?
PRP steht für Prerequisite Programs oder Präventivprogramme. Da kann sich meist keiner etwas drunter vorstellen. Dabei sind das ganz einfach die Grundvoraussetzungen, um sichere Lebensmittel produzieren zu können. Das beginnt bei der baulichen Beschaffenheit: Hat man genügend Räume zur Verfügung und sind diese entsprechend beschaffen. Es geht weiter mit technischen Aspekten: Gibt es Wartungsverträge, z. B. für die Lüftung. Aber auch Reinigung, Desinfektion und Schädlingsbekämpfung sowie mikrobiologische Kontrollen zählen dazu; die Auswahl der passenden Lebensmittel, die Qualifikation und Hygiene des Personals, die Trinkwasserversorgung, die Entsorgung uvm. Ein PRP-System ist also sehr facettenreich und kann bis zu 60 Seiten haben aus bis zu 20 einzelnen PRPs, also Grundvoraussetzungen bestehen. Aber: Vieles davon besteht ja bereits, wie die Reinigungspläne oder Schädlingsbekämpfung. Folglich wird oft auch vorhandenes Material zusammengetragen und um die Verantwortlichkeiten ergänzt.
Wie aufwändig ist der Schritt vom HACCP-Konzept zu dem der Lebensmittelsicherheit?
Um nochmal zusammenzufassen. In Summe zwölf Regelwerke haben sich in den letzten Jahren verändert. Manche davon grundlegend. Das Konzept daran anzupassen, werden viele Betriebe alleine nicht schaffen. Vor allem vor dem Hintergrund von Fachkräfte- bzw. Personalmangel. Die Betriebe haben keine Zeit und keine Ressourcen für eine Fleißaufgabe, daher ist es besonders wichtig, einen schlanken Ansatz zu wählen. Es muss praxisgerecht sein – auch wenn das viele Personen in den Kontrollorganen leider (noch) nicht verstehen.
Könnte man sich digitale Unterstützung holen?
Die Hygiene-Managementsysteme und Apps, die ich kenne, sind leider unvollständig bzw. einseitig auf die Dokumentation ausgelegt. Bei genauerem Hinsehen lässt sich mit keinem Tool ein rechtlich belastbares Konzept zur Lebensmittelsicherheit erarbeiten. Mal fehlt eine Gefahrenanalyse, mal die Möglichkeit, eigene Korrekturmaßnahmen anzugeben. Also dass beispielsweise eine Speise entsorgt wie verfahren werden muss, wenn Temperatur X nicht erreicht wird, um eine Gesundheitsgefahr wirksam auszuschließen.
Sicher punkten Apps mit der Möglichkeit der Mehrsprachigkeit und der Fälschungssicherheit, aber: Geht es darum, ein ganzheitliches System der Lebensmittelsicherheit aufzusetzen, ist es besser, einen Berater hinzuzuziehen, dann ist die Aufgabe nach drei bis fünf Tagen konzentriertem Arbeiten bewältigt.
Empfiehlt es sich, im Betrieb einen HACCP-Beauftragten einzusetzen, um den Überblick zu behalten?
Auf alle Fälle. Der Ansatz, HACCP-Beauftragte in Care-Betrieben und auch großen Betrieben anderer Teilbereiche wie Schulverpflegung und Betriebsgastronomie, Schul- und Kita-Caterern, Unternehmen mit mehreren Betrieben oder Zentralküchen zu installieren, hat sich bewährt – unter einer Voraussetzung: Diese müssen von der Leitung unterstützt werden, während die Verantwortung bei der Leitung bleibt. HACCP-Beauftragte sollten nicht die Verantwortung tragen, da sie die „Kümmerer“ sind. Und: Laut Prof. Weyland sind Hygiene- und HACCP-Beauftragte, die in einer Stabsfunktion tätig sind, wichtige Entlastungszeugen im Infektionsfall.
Fraglich ist nur, ob es künftig dann statt der HACCP-Beauftragten vielleicht FSMS- oder MSLS-Beauftragte geben wird.
Für diejenigen, die fachlich tiefer einsteigen möchten, bieten Sie auch Seminare an. Was ist deren praktischer Mehrwert?
Unser Anspruch ist es zum einen, dass die Teilnehmer über die aktuellsten rechtlichen Neuerungen informiert werden. Dafür veranschlagen wir bei HACCP-Beauftragten einen ganzen Tag. Darüber hinaus bringt ein solches Seminar ein anderes Bewusstsein für das Thema. Viele haben überhaupt keine Vorstellung davon, wie teuer so ein Infektionsfall werden kann und welche Konsequenzen das für sie hat. Folglich steht die Rechtsprechung auch auf der Agenda. Aber wir üben am zweiten Tag auch praktisch, wie man ein HACCP-Konzept erstellt. Am dritten Tag geht es rund um PRP und viele praktische Aspekte. Dabei wird viel diskutiert und die Leute können auch Situationen aus ihrem Betrieb besprechen. Das Seminar lebt folglich aus einer Kombination von fundiertem Input und regem Austausch.
Nicht umsonst sind unsere HACCP-Seminare, die wir seit 1997 durchführen, noch immer die mit Abstand meistbesuchten Seminare in unserer Akademie. Ab 2025 werden wir dann auch ein neues Seminar anbieten, in dem es konkret um das Thema „Managementsystem für Lebensmittelsicherheit“ gehen soll.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Über Stefan Vornehm
Stefan Vornehm hat schon als Kind gerne gekocht, gebacken und fand die Vorräte der Mutter ganz faszinierend, weshalb ihm seine Eltern auch eine Koch-Karriere prophezeiten. Stattdessen startete er ein BWL-Studium, schwenkte dann aber doch auf seine Leidenschaft um und studierte Oecotrophologie. Aufgrund seines Faibles für das Thema Unternehmensberatung landete er im Anschluss bei der Betriebsberatung von JOMO Soft (heute Chefs Culinar Consulting), wo er Excel-gestützte Berechnungen und Analysen durchführte. 1996 kam er zur Hygiene. „Damals arbeiteten die großen Hygienekoryphäen sehr mit Angstmache. Dagegen wollte ich gastronomische Betrieb wappnen“, erinnert er sich und machte sich daran, Fachbücher aufzusetzen, teils noch mit Checklisten auf Diskette. 1997 schließlich konzipierte er mit die ersten Hygieneseminare und Beratungen in der Praxis. „Seitdem ist alles viel komplexer geworden. Aber durch die Globalisierung sind auch ganz andere Gefahren hinzugekommen“, so der Hygieneexperte, der als Gast in Restaurants durchaus auf Fingernägel und Sauberkeit der Toilette schaut. Für die Zukunft wünscht er sich, dass Kontrolleure mehr zu einem Miteinander mit Großküchen finden. „Gute Köche sollten nicht gleich dichtmachen müssen, nur weil sie hygienisch etwas falsch dokumentiert haben.“
Update Temperaturen beim Warmhalten & Co.
Mal heißt es 60°C, mal 65°C, an anderer Stelle ist die Rede von 72°C – bei welchem Schritt der Speisenproduktion ist welche Temperaturgrenze gefordert? Ein Update basierend auf der Publikation „Sicher verpflegt – Besonders empfindliche Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen“ sowie den drei DIN-Normen 10506 Lebensmittelhygiene, 10508 Temperaturen und 10536 Cook & Chill.
Quelle: B&L MedienGesellschaft