Eine Betriebsgastronomie mit weniger Fläche, Technik, Invest und Personal – bei besserem Service? Wie das gelingen kann, zeigt das öffentliche Gastronomiekonzept des R’N’B im Kustermannpark in München aus der Feder von Thomas Kisters. Während der Corona-Zeit konzeptioniert, hatte es bereits die sich ändernden Gegebenheiten im Blick.
Eine der Besonderheiten des absolut reduzierten Konzepts: Auf Frontcooking und überladene Ausgabetheken und Vitrinen wird komplett verzichtet. Genau das spart im Gegenzug Investitionskosten und Personal. Geschwindigkeit in die Micro-Kitchen bringt zudem die Komponente der Digitalisierung.
„Durch die kleinere Fläche sind die Prozesse gebündelt, die Laufwege geringer und folglich der Personalbedarf ebenso. Wir können die gesamte Manpower in der Küche konzentrieren. Von dort zur Ausgabe hin ist es nur ein Handgriff.
Thomas Kisters, Geschäftsführender Gesellschafter, Tailor Made Catering
Durch dieses System, kombiniert mit dem Check-In-System und der Essensbestellung per App, schaffen wir es, unseren Gästen das Essen innerhalb von drei Minuten nach Bestellung am Tisch zu servieren.“
Ein paar beeindruckende Zahlen zur Micro-Kitchen im Kustermannpark gefällig?
- Ein Mittagessen ist innerhalb von drei Minuten nach Bestellung beim Gast – Fullservice serviert.
- Ein Team von drei Mitarbeitern leistet 300 Mittagessen täglich – hohe Handwerklichkeit und Spülen sowie bedienter Service inklusive.
Wie das konzeptionell gelingt?
Was die Herausforderungen bei der Planung der Gastronomie im Bestandsgebäude Kustermannpark waren?
Wie sich das Konzept modifizieren lässt?
Welche Servicelevel möglich sind?
Mehr dazu haben Sebastian Herrmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Reisner und Frank, sowie der gastronomische Betreiber Thomas Kisters, Geschäftsführender Gesellschafter von Tailor Made Catering (tmc), dem GVMANAGER exklusiv berichtet.
Nachgefragt zum Gastro-Konzept des R’N’B Kustermannpark bei Sebastian Herrmann und Thomas Kisters
„Von den Abläufen her ist das Konzept im Prinzip eine Mischung zwischen À-la-carte-Küche und Eventgeschäft, also nichts Neues. Aber in Kombination mit der digitalen Komponente und den damit verbundenen Einsparpotenzialen ist es komplett neu. Und wenn man solche Wege geht, darf man sich nicht zu große Ziele setzen. Aber ich bin superzufrieden, denn das Konzept ist eigentlich noch besser und effizienter, als wir es ursprünglich gedacht haben.“
Sebastian Herrmann, Geschäftsführender Gesellschafter, Reisner und Frank
Herr Herrmann, welche Herausforderungen in puncto Planung brachte das Objekt Kustermannpark?
Sebastian Herrmann: Die Gegebenheiten vor Ort. So hatten wir die Aufgabe, in ein ehemaliges Foyer, also eine unproduktive Fläche eine Gastronomie zu installieren und diese als Mietfläche zu erschließen. Eine besondere Herausforderung waren dabei die sehr geringe Raumhöhe und die verschachtelte Grundfläche. Entsprechend hängt die Lüftungshaube an mancher Stelle viel zu tief, und wir mussten Ausnahmen in puncto Arbeitsstättenrichtlinie beantragen.
Eine weitere Herausforderung war die Logistik. So lag die einstige Gastronomie in einem ganz anderen Gebäudeteil – und die Warenanlieferung ebenfalls. Da kein anderer Lieferpunkt installiert werden konnte, mussten wir eine Wegeführung durchs Gebäude zur neuen Gastronomie erarbeiten.
Entstanden ist eine Micro-Kitchen mit One-Stop-Flex-System. Was verbirgt sich dahinter?
Sebastian Herrmann: Eine minimalistisch ausgestattete Küche, deren Geräte, nicht nur zum Vorbereiten und Kochen, sondern auch für die Ausgabe genutzt werden. Eine separate, technisch ausgestattete Ausgabelinie mit Frontcooking gibt es hier nicht mehr, sondern nur noch einen Übergabe- oder Verkaufstisch.
Thomas Kisters: Die reduzierten Küchen- und Ausgabeflächen sind auch ein finanzieller Vorteil. Ein Ausgabecounter mit Abluft usw. kostet schnell mal 80.000 Euro, und dann ist noch keine Ausgabetechnik dabei, keine Instandhaltung und keine Energiekosten. Durch die Zentralisierung brauchen wir eine geringere Ausstattung. Das kann bis hin zum Geschirr reichen. Denn wenn die Kreisläufe bis hin zur Spüle schnell genug sind, brauche ich auch weniger Teller.
Durch die kleinere Fläche sind die Prozesse gebündelt, die Laufwege geringer und folglich der Personalbedarf ebenso. Wir können die gesamte Manpower in der Küche konzentrieren. Von dort zur Ausgabe hin ist es nur ein Handgriff.
Und was bedeutet One-Stop-Flex-System?
Sebastian Herrmann: One-Stop in dem Sinne, dass der Gast an einem Ort, in diesem Fall dem Verkaufstisch, alle Speisen bekommt. Er geht also nicht nochmal an eine Salatbar und auch an keine separate Kasse.
Das One-Stop-Flex-System ermöglicht drei Servicelevel. Erstens den gerade geschilderten Selfservice. Bei der zweiten Stufe, genannt Service Light, räumt eine Servicekraft das Geschirr abschließend ab. Im Kustermannpark hat sich die dritte Form etabliert, Fullservice, der stark dem Ablauf im Restaurant ähnelt, abgesehen vom digitalen Bestellprozess.
Thomas Kisters: Durch dieses System, kombiniert mit dem Check-In-System und der Essensbestellung per App, schaffen wir es, unseren Gästen das Essen innerhalb von drei Minuten nach Bestellung am Tisch zu servieren.
Wie gelingt diese enorme Geschwindigkeit?
Thomas Kisters: Erstens durch die komprimierte Fläche, wie schon angesprochen.
Zweitens durch ein reduziertes Speisenangebot. Pro Tag gibt es zwei vegetarisch-vegane Basisgerichte sowie eine Bowl, die sich durch Toppings wie Fleisch, Fisch oder Grillkäse ergänzen lassen. Den Warenkorb und damit auch die Produktion auf ein Minimum zu begrenzen und die Vielfalt über das Topping zu schaffen, macht personell viel aus. So setzen wir im Kustermannpark tatsächlich nur einen Koch und eine Küchenhilfe bei aktuell rund 300 Mittagessen ein. Das gelingt u. a. auch, weil der Koch den schwachen Montag und Freitag bereits für sein Mise en place nutzt.
Der dritte Aspekt für mehr Geschwindigkeit ist die Vorbestellung per App – wobei die Quote noch ausbaufähig ist. Bei der Kapazitätsabschätzung setzen wir parallel aber auch auf KI. Werden Wetter, Brückentage und eine Historie von derzeit etwa drei Monaten einbezogen, liegen die Prognosen schon ziemlich gut – besser als das Bauchgefühl der Köche. Ist auch noch die Tiefgarage an unser System angeschlossen, wissen wir ziemlich genau wie viele Mitarbeiter im Gebäude sind und können noch besser kalkulieren.
Es gibt eine sehr kompakte Spülküche mit Haubenspülmaschine, gerade ausreichend für die aktuell 300 Essen. Warum hat man sich gegen eine Bandspülmaschine entschieden?
Sebastian Herrmann: Mit einer Bandspülmaschine ist man viel unflexibler und bindet zugleich viel Personal. So brauche ich mindestens zwei Spülkräfte, eine für den reinen und eine für den unreinen Bereich. Im Kustermannpark wird derzeit nur eine Spülkraft eingesetzt, die zeitversetzt als Servicekraft im Gastraum fungiert.
Stand auch zur Diskussion, den Spülservice extern auszulagern, wie im Münchner Konradhaus oder den Bavaria Towers?
Thomas Kisters: Ab einer gewissen Essenszahl ist das eine Option. Und genau das macht die Lösung so modular und zukunftsfähig. Denn wir haben heutzutage eine enorme Spanne zwischen den Essenszahlen am Montag und am Dienstag. Folglich könnte man auch an den Schwachlasttagen weiterhin selbst spülen – mit bedarfsgenauer Spültechnik und an den starken Tagen mit einem Mietservice arbeiten.
Es geht folglich darum, die Kapazitäten so variabel wie möglich aufzustellen – beim Spülen und auch beim Ausgeben.
Wie kam es zur Idee, Spülen und Service am Gast personell zu bündeln?
Thomas Kisters: Personal nur für zwei Stunden täglich zu bekommen, ist schwierig. So entstand die Überlegung, Service und Spülen zu kombinieren. Gegebenenfalls könnten noch zwei Stunden Kaffeeservice oder mehr angehängt werden.
Was bedeutet das für die Qualifikation des Personals?
Sebastian Herrmann: Man braucht für diesen Job keine hochqualifizierten Servicekräfte. Sie müssen keine Bestellung am Tisch aufnehmen und dem Gast auch keine Fragen zu den Zutaten beantworten – das erledigt die App. Der Service ist – ganz unromantisch – nur für den Transport zuständig. Die einzige Herausforderung liegt darin, Personal zu finden, das nicht nur gerne im stillen Kämmerlein arbeitet, sondern auch in Gesellschaft von Gästen.
Sie haben Anschlüsse für einen Pizzacounter vorgesehen, aber noch nicht installiert. Warum?
Thomas Kisters: Dafür sind die Essenszahlen noch zu gering. Aber der Weg geht dahin, mit der maximalen Auslastung zu planen, und mit der tatsächlichen Ausstattung abzuwarten.
Sebastian Herrmann: Früher plante man umgekehrt und baute die Küchengeräte direkt für die Maximalkapazität ein. So stand manch Ofen jahrelang still oder war komplett überdimensioniert. Geschickter ist es, die Anschlüsse zu legen, ein Plätzchen zusätzlich vorzuhalten und an die später nötige Abluft zu denken.
Inwiefern waren Sie in die Gestaltung des Gastraums involviert?
Thomas Kisters: Als Innenarchitekt war CSMM mit an Bord. Allerdings haben wir das Gastronomiekonzept und den roten Faden des Interieur Designs vorgegeben. Hier hat meine Frau mit ihrem Unternehmen Kisters-Konzept GmbH eine wesentliche Rolle gespielt und war quasi das Bindeglied der Planung und Umsetzung, um hier von Anfang an die gastronomischen Aspekte im Fokus zu behalten.
Impulse hinsichtlich der Raumkonzeption – was die Platzierung der Vitalbar, Ausgabetheken und Wasserspender betrifft – sind hier aus Betreibersicht gerade zu Beginn eines Projekts unabdingbar und für den späteren Erfolg ausschlaggebend.
Glauben Sie denn generell, dass der Trend in der Gemeinschaftsgastronomie, speziell der Betriebsverpflegung, weg vom Frontcooking geht?
Thomas Kisters: Ich war früher ein absoluter Fan von Frontcooking, doch das passt nicht mehr zu unseren heutigen Herausforderungen, alleine angesichts des Personal- und Platzbedarfs.
Sebastian Herrmann: Frontcooking hat ja eine spannende Historie. Es erlebte seinen Durchbruch etwa nach der Weltfinanzkrise, ab dem Jahr 2007. Was ist damals passiert? Die Betreiber mussten Geld einsparen – und haben verstärkt auf Convenienceprodukte gesetzt. Doch die Kunden haben den Qualitätsbruch bemerkt und realisiert, dass nicht mehr so frisch gekocht wird. Um deren Vertrauen zurückzugewinnen, hat man Frontcooking extrem forciert, um Frische erlebbar zu machen. Nicht selten wurde trotzdem weiterhin hinten gekocht und das Gericht nur noch im Wok durchgeschwenkt. Richtig frisch gekocht wurde somit nicht wirklich. Es war eigentlich nur Show und eine Verlagerung des Prozesses.
Trotzdem zeigen Sie auch im Kustermannpark Frische …
Sebastian Herrmann: Genau, durch die Luke in die Küche sieht man tatsächlich wie gerade frisch gekocht wird. Und statt eine Zwischenwand einzuziehen, könnte man auch den Blick in die Küche komplett freigeben. Das haben wir kürzlich bei einem Projekt in Bremen gemacht. Man sieht das frische Produkt also nicht mehr im, ich sage mal Spielzeug-Wok, sondern einfach zwei Meter weiter hinten in der großen Pfanne.
Sie haben auch eine modifizierte Variante des Konzeptes in der Betriebsgastronomie von Weitblick in Augsburg in Betrieb genommen. Hier sind Sie wieder einen anderen Weg gegangen …
Thomas Kisters: Genau, dort haben wir keinen Ausgabetisch mehr, sondern nur noch den Küchenpass. Ich bezeichne das gerne als Fenster direkt in die Küche, durch welches das Essen direkt vom Koch gereicht wird. Ich spare also nochmal Personal. Je nach Essenszahl und Auslastung kann es mehrere solcher Fenster geben, die entsprechend geöffnet werden oder geschlossen bleiben, beispielsweise montags und freitags. Diese Modularität ist auch in Multi-Tenant-Objekten ein Vorteil, die erst peu à peu bezogen werden. Hinzu kommt: Nach Ende der Ausgabezeit wird das Fenster geschlossen und der Gast merkt gar nicht, dass er sich in einer Gastronomie befindet.
Sehen Sie in Ihrem Konzept das der Zukunft?
Thomas Kisters: Ich gehe davon aus, dass der Ansatz der richtige ist. Aber das Konzept an sich werden wir mit steigenden Erfahrungswerten immer wieder modifizieren, und auch individuell auf den Kunden zuschneiden. Bereits jetzt überlegen wir im Hintergrund, was wir noch weiter optimieren können – bei gleichbleibender oder gar höherer Qualität.
Sebastian Herrmann: Wir sprechen hier von einem komplett neuen Konzept der Betriebsgastronomie. Wie effizient das Ganze ist, erleben viele oft erst vor Ort und haben regelrechte Aha-Erlebnisse.
Von den Abläufen her ist das Konzept im Prinzip eine Mischung zwischen À-la-carte-Küche und Eventgeschäft, also nichts Neues. Aber in Kombination mit der digitalen Komponente und den damit verbundenen Einsparpotenzialen ist es absolut innovativ. Ich bin superzufrieden, denn das Konzept ist eigentlich noch besser und effizienter, als wir es ursprünglich gedacht haben. Wir glauben, dass so eine Einheit bis zu 900 Personen sehr gut funktioniert. Steigen die Essenszahlen über 1.000 müsste man wahrscheinlich einfach die Einheit doppeln. In Summe wäre das aber immer noch günstiger und kleiner als alle anderen Lösungen. Und die überwältigende Nachfrage bestätigt uns darin, dass dieses Konzept absolut zukunftsweisend ist, selbst für größere Objekte.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Max und Maxl bei Axa
Eine weiteres neues Best-Practice aus dem Bereich Betriebsgastronomie, das auf eine eigene Produktionsküche vor Ort verzichtet, ist die Gastronomie Max und Maxl bei Axa in München.
Quelle: B&L MedienGesellschaft