Die Infektionsgefahr durch Listerien sollte in der Gemeinschaftsverpflegung nicht unterschätzt werden - ein Update zu den Verzehrsempfehlungen.
Quelle: Felipe Caparrós

Listige Listerien? Aktuelle Verzehrsempfehlungen in der Gemeinschaftsverpflegung

Ob Räucherlachs, Rohmilchkäse oder verpacktes Hackfleisch und Salatmischungen – Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung, die YOPIs (Young, Old, Pregnant, Immunosupressed) verpflegen, z. B. kleine Kinder, ältere oder kranke Menschen und Schwangere, sollten sich sehr gut mit den sehr infektiösen Listerien und den geänderten Verzehrsempfehlungen auskennen.

Die Mikrobiologin Dr. Elke Jaspers hat uns ein Update zum Thema Listerien in der Gemeinschaftsverpflegung gegeben.
Quelle: Robert Schüller Media

„In einem sind sich die Experten einig: Zwar ist die häufigste Lebensmittelinfektion noch immer die Campylobacteriose. Doch die Listeriose hat die höchste Todesrate, die es insgesamt bei Lebensmittelinfektionen gibt.“

Dr. Elke Jaspers, Geschäftsführerin mikroLogos

Die infektiöse Dosis für eine Infektion durch Listeria monocytogenes ist erschreckend. Während gesunde Menschen zwar etwa 10.000 (104) Bakterien pro Gramm Lebensmittel vertragen, reichen bei Betroffenen aus Hochrisikogruppen wie Schwangeren bereits 10 dieser Bakterien pro Gramm Lebensmittel aus, um sie zu infizieren. Und auch die Sterberaten sind erschreckend. Einer Meta-Analyse aus 2023 von 13 Studien mit rund 12.000 Listeriose-Patienten zufolge starben fast 40 Prozent der über 60-jährigen infizierten Personen an einer Infektion durch Listeria monocytogenes (L. monocytogenes).

In einem sind sich die Experten einig: Zwar ist die häufigste Lebensmittelinfektion noch immer die Campylobacteriose. Doch die Listeriose hat die höchste Todesrate, die es insgesamt bei Lebensmittelinfektionen gibt.

Welche Bedeutung hat der Keim in der Gemeinschaftsverpflegung? Ein Update von Mikrobiologin Dr. Elke Jaspers, Geschäftsführerin von mikroLogos für die Leser des GVMANAGER.
Weiterführende Literaturtipps sind am Ende des Beitrags verlinkt.

Frau Jaspers, Listerien sind v. a. in der Verpflegung sogenannter YOPIs, also von kleinen Kindern, kranken Menschen und Senioren, eine große Gefahr – Tendenz steigend. Warum?

Grundsätzlich sind Menschen, die zu den Hochrisikogruppen gehören, gefährdet, leichter zu erkranken. Das gilt nicht nur für Listeria monocytogenes, sondern auch für andere Erreger, die Lebensmittelerkrankungen auslösen. Der Grund ist, dass beispielsweise bei kranken und älteren Menschen das Immunsystem geschwächt ist. Je älter wir werden, umso stärker verändert sich auch die Zusammensetzung der Darmmikrobiota, was ebenfalls die Immunabwehr vermindern kann. Denn eine gesunde Darmmikrobiota kann die Ansiedlungswahrscheinlichkeit und damit die Infektion durch pathogene, krankmachende Bakterien durchaus vermindern.

Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat herausgefunden, dass 90 Prozent der Listeriosen durch verzehrfertige Lebensmittel hervorgerufen werden. In unseren Zeiten haben verzehrfertige Lebensmittel an Attraktivität gewonnen – daher nehmen wohl auch die Infektionen durch L. monocytogenes zu.

Die Infektion wird immer dann besonders schwer, wenn das Bakterium invasiv wird, also durch die Darmwand in das Blut und zu anderen Organen gelangt. Dann spricht man von der sogenannten invasiven Listeriose. So kann das Bakterium auch zur Gefahr für das ungeborene Kind werden. Das sind sozusagen die „schweren Fälle“, in denen die Erkrankung lebensbedrohlich werden kann.

Was sind die Top 3 Risiko-Lebensmittel?

„Nicht unterschätzt werden sollten z. B. küchenfertige Salate, die in Großküchen ein oft genutztes Lebensmittel sind. Aber auch sie bergen mikrobiologische Risiken wie B. cereus und L. monocytogenes. Die Nachweisraten von L. monocytogenes liegen z. B. bei 2,3 % und 5 %.“

Dr. Elke Jaspers

Das kann man gar nicht mehr an drei Lebensmitteln festmachen, denn L. monocytogenes kann überall vorkommen. Die Bakterien sind in der Umwelt weit verbreitet und können auch über Biofilme in industriellen Produktionsanlagen in Produkte eingeschleppt werden. Sie verstecken sich in Nischen, die durch Reinigung und Desinfektion nur schwer zu erreichen sind, wie U-Rohre unter Transportbändern. Und so kann es zu kontinuierlichen Einträgen der Bakterien während der Herstellung der Lebensmittel kommen. Ein Beispiel dafür ist Tiefkühlmais, der vor Jahren zu L. monocytogenes-Ausbrüchen führte.

Hohe Nachweisraten des Keimes findet man z. B. in Hackfleisch; aber auch in rohen Fleischzubereitungen, Rohwürsten und Rohmilch. Ein Labor meines Vertrauens berichtet beispielsweise, dass sie das gefährliche Bakterium in 10-20 % der Proben von Hackfleischzubereitungen finden. Im Rahmen des Zoonose-Monitorings 2021 fanden die Lebensmittelüberwachungsbehörden in 21,5 % der Proben von Rinderhackfleisch L. monocytogenes, zudem enthielten 6,7 % der Proben krankmachende E. coli-Bakterien, so genannte STEC.

Die schon erwähnten verzehrfertigen Lebensmittel – also Lebensmittel, die nach der Verarbeitung nicht noch einmal einer keimabtötenden Behandlung unterzogen werden, können ebenfalls L. monocytogenes enthalten. Dazu zählen Feinkostsalate, Käse – aus Rohmilch, aber auch pasteurisierter Milch, vorgeschnittene Salate und Gemüse oder geschnittene Wurstprodukte sowie geräucherte Fischereierzeugnisse wie Räucherlachs. Nicht unterschätzt werden sollten z. B. küchenfertige Salate, die in Großküchen ein oft genutztes Lebensmittel sind. Aber auch sie bergen mikrobiologische Risiken wie B. cereus und L. monocytogenes. Die Nachweisraten von L. monocytogenes liegen z. B. bei 2,3 % und 5 %.

Welche einschlägigen Regelwerke sollten Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung in puncto Listeriengefahr konsultieren?

Die Betriebe sollten zwei wichtige Merkblätter des BfR kennen, von denen eines gerade auch Bestandteil einer aktuellen Caritas-Leitlinie (Arbeitsversion 2022) und der DIN 10506 (Lebensmittelhygiene – Gemeinschaftsverpflegung) geworden ist. Das ist das Merkblatt: „Sicher verpflegt“. Hier finden sich neben fachlichen Erklärungen wichtige Hinweise, welche Lebensmittel nicht an besonders empfindliche Personengruppen in der GV abgegeben werden sollten.

Ein zweites BfR-Merkblatt, dass bei der Listerien-Thematik hilfreich sein kann, auch wenn es „nur“ Verbrauchertipps sind, heißt „Schutz vor Lebensmittelinfektionen mit Listerien“ (s. Literaturtipps).

Woran kann man erkennen, ob ein Lebensmittel von Listerien befallen ist?

Leider gar nicht, denn das befallene Lebensmittel verdirbt davon nicht. Hinzu kommt, dass sich Listerien auch bei guter Kühlkette vermehren können, teilweise noch bei Temperaturen von bis zu -0,4°C.

Also konsequent auf derartige Lebensmittel in Großküchen verzichten, auch wenn sie z. B. zum Lieblingsessen von Senioren zählen wie Räucherlachs oder roher Schinken?

Die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit liegt beim Lebensmittelunternehmer. Solides Fachwissen und Maßnahmen wie Eigenkontrollen können helfen, das Risiko für die eigenen Lebensmittel abzuwägen. Damit entscheidet jede Einrichtung dann individuell, welche Lebensmittel sie anbieten will und welche nicht. Hilfestellung bieten auch die oben genannten Merkblätter. Tatsächlich lohnt es sich, hier einmal genauer hinzuschauen, z. B. in das überarbeitete Merkblatt „Sicher verpflegt“ des BfR. Hier werden – was in den vorherigen Versionen nicht der Fall war – einige Rohmilchsorten erlaubt, konkret mindestens sechs Monate gereifter Rohmilch-Hartkäse wie Parmigiano Reggiano oder Grana Padano.

Warum ist mind. sechs Monate alter gereifter Rohmilch-Hartkäse plötzlich erlaubt?

Nach meiner Einschätzung hängt das unter anderem mit der langen Reifung zusammen, die zum einen ansäuert und auch für trockene Verhältnisse im Lebensmittel sorgt. Parmesan hat beispielsweise in der Regel aw-Werte zwischen 0,6 und 0,76. Und damit fällt dieses Lebensmittel nach EG-Verordnung in die Kategorie der Lebensmittel, die die Vermehrung von L. monocytogenes nicht begünstigen.

Generell gibt es laut der o. g. EG-Verordnung vier Kriterien für Erzeugnisse, die eine Vermehrung von L. monocytogenes nicht begünstigen:

  • pH-Wert ≤ 4,4
  • aw-Wert, also der Wassergehalt, ≤ 0,92
  • pH-Wert von ≤ 5,0 und einem aw-Wert von ≤ 0,94.
  • Erzeugnisse mit einer Haltbarkeitsdauer von weniger als fünf Tagen

Wie kommt man an diese Werte?

Möglicherweise hat der Hersteller sich mit der Thematik bereits befasst und entsprechende Tests durchgeführt, die bezüglich der Listerienthematik eine genauere Einschätzung des Risikos ermöglichen. Neben den oben genannten vier Kriterien aus dem europäischen Lebensmittelrecht können Hersteller auch sogenannte Challengetests durchführen, die belegen, ob ein Lebensmittel die Vermehrung von L. monocytogenes begünstigt. Dieses Tests sind jedoch teuer und grade erst „im Kommen“. Es kann sich jedoch lohnen, den Hersteller bzw. Lieferanten darauf anzusprechen.

Im Handel gibt es inzwischen auch sogenannten listerienfreien Lachs, wie beurteilen Sie diesen?

Ich habe dazu jüngst einen führenden Lebensmittelkontrolleur befragt, der eine solche Alternative nicht anerkennen würde. Seine Begründung: Es könnten auch noch andere potenziell krankmachende Bakterien enthalten sein, wie E. coli oder Salmonellen, die neben anderen Bakterien(gruppen) auch in den Richt- und Warnwerten der DGHM zu Räucherlachs genannt sind. Aber es gibt inzwischen vegane Ersatzprodukte auf dem Markt, deren Namen an „Lachs“ angelehnt sind und die teilweise auf große Zustimmung stoßen – und natürlich auch auf das Gegenteil.

Essen Sie selbst noch Räucherlachs vom Buffet?

Ich habe im Urlaub in einem netten Café Rührei mit Räucherlachs gegessen – war lecker. Aber das ist natürlich eine ganz andere Situation und nicht damit zu vergleichen, als Küche besonders empfindliche Personengruppen zu verpflegen.

Herzlichen Dank für das Gespräch! Claudia Kirchner

Weiterführende Literatur zu Listerien und Verzehrsempfehlungen in der Gemeinschaftsverpflegung

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Seminartipp

Interessiert an weiteren Infos rund um Listerien, Allergene und Lebensmittelsicherheit generell? Dann könnte das Seminar „Aktuelles zur Lebensmittelsicherheit in der Gemeinschaftsverpflegung“ am 23. April in Monheim a. Rhein etwas für Sie sein. Referenten sind Dr. rer. nat. Elke Jaspers sowie Robert Diede von Ecolab Deutschland, die beide bekannt für ihre anschaulichen und keinesfalls drögen Vorträge sind. Die Teilnahmegebühr beträgt 298 Euro. Anmeldung bis 12. April bei [email protected]. Weitere Infos.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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