Forschende fordern: Pflanzliche Lebensmittel mรผssen gรผnstigerย und Mehrwertsteuer angepasst werden
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Forschende fordern: Pflanzliche Lebensmittel mรผssen gรผnstigerย und Mehrwertsteuer angepasst werden

Das Forschungsprojekt HoMaBiLe der Universitรคt Greifswald, der Technischen Hochschule Nรผrnberg und der Tollwood GmbH Mรผnchen geht nach drei intensiven Jahren zu Ende. Forschende haben nach den wahren Kosten der Lebensmittel gefragt: โ€žHow much is the dish?โ€œ โ€“ MaรŸnahmen zur Erhรถhung der Biodiversitรคt durch True Cost Accounting bei Lebensmitteln (HoMaBiLe) โ€“ das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium fรผr Bildung und Forschung gefรถrdert.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz prรคsentierten Prof. Dr. Tobias Gaugler (TH Nรผrnberg), Lennart Stein (Universitรคt Greifswald) und Daniela Schmid (ehemals Tollwood) die zentralen Ergebnisse und Meilensteine des Projekts, das die wahren Kosten von Lebensmitteln sichtbar macht. Das Projektteam fordert, dass pflanzliche und รถkologisch hergestellte Lebensmittel gรผnstiger werden sollten. Dazu mรผsse die Mehrwertsteuer auf diese Produkte gesenkt werden; tierische Produkte dagegen sollten hรถher besteuert werden, da die Folgekosten fรผr Umwelt, Klima und den Menschen grรถรŸer sind.ย 

Wissenschaftlicher Durchbruch: Umwelt- und Sozialkosten auf dem Preisschild

โ€žIm Rahmen von HoMaBiLe haben wir die Umwelt- und Sozialfolgekosten der Lebensmittelproduktion erstmals umfassend quantifiziert und in Euro und Cent greifbar gemachtโ€œ, erklรคrt Prof. Dr. Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nรผrnberg. So wird der aktuelle Supermarktpreis eines Lebensmittels dem Preis gegenรผbergestellt, den es eigentlich kosten mรผsste, wenn alle durch die Produktion entstehenden Schรคden mit eingerechnet wรผrden. Die Forschenden hatten untersucht, was die Folgen fรผr Klima, Wasser, Boden und Gesundheit die Gesellschaft kosten wรผrden.ย 

Dabei konzentrierten sich die Forscher vor allem auf die negativen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion. โ€žPflanzenbasierte Produkte verursachen dabei deutlich geringere Folgekosten als tierischeโ€œ, sagt Prof. Dr. Tobias Gaugler. Zudem schneiden Bio-Produkte im Durchschnitt besser ab als konventionell hergestellte Lebensmittel. Herausforderungen und damit Anknรผpfungspunkt fรผr kรผnftige Forschung bestรผnden allerdings nach wie vor in der Berechnung der Folgekosten fรผr Pestizide, multiresistente Keime und das Wohl der Tiere. So fehlt es bei den Themen Pestizide und multiresistente Keime vor allem an der Datengrundlage und der Messbarkeit. Beim Tierwohl stellt sich die ethische Frage, inwieweit dies quantifiziert werden kann.ย 

Ein Hรถhepunkt des Projekts war die enge Zusammenarbeit mit der Supermarktkette Penny. โ€žIm August 2023 wurden in รผber 2.000 Filialen in einer Aktionswoche neun Produkte zum โ€šwahren Preisโ€˜ angeboten โ€“ diese Preise mussten die Kunden auch tatsรคchlich an der Kasse zahlenโ€œ, berichtet Lennart Stein von der Universitรคt Greifswald. Daraus entstanden eine breite Diskussion und auch erstmals gesellschaftliches Bewusstsein fรผr die wahren Kosten unserer Ernรคhrung.ย 

Bildung und Praxis: Tollwood als Schlรผsselakteur 

โ€žWir stehen vor groรŸen รถkologischen und gesundheitlichen Herausforderungen, die nur gelรถst werden kรถnnen, wenn die Preise die Wahrheit sprechen und das aktuelle Agrar- und Ernรคhrungssystem grundlegend reformiert wirdโ€œ, erklรคrt Daniela Schmid, die als Projektleiterin bei Tollwood das Projekt HoMaBiLe praktisch begleitete. Um diese komplexen Zusammenhรคnge einer breiten ร–ffentlichkeit zugรคnglich zu machen, setzte Tollwood auf kreative und niederschwellige Bildungs- und AufklรคrungsmaรŸnahmen. Zentral waren dabei interaktive Installationen auf den Tollwood Festivals in Mรผnchen, darunter der โ€žTante-Emma-Ladenโ€œ (Sommer 2022), der โ€žTrue Cost Gardenโ€œ (Sommer 2024) und รถffentliche Diskussionen, wie die Podiumsdiskussion auf der BioFach im Februar 2023 รผber die wahren Kosten der Nutztierhaltung. โ€žUnser Ziel war es, das Thema greifbar zu machen, damit die Menschen Zusammenhรคnge verstehenโ€œ, betont Daniela Schmid.ย 

Ein weiterer Meilenstein war der neu entwickelte Bio-Speiseplaner im Projekt โ€žBio fรผr Kinderโ€œ. Dieses umfassende Online-Tool unterstรผtzt Kitas und Schulen dabei, Speiseplรคne ohne hohe Folgekosten umzusetzen. Das Tool setzt dabei auf eine biologische, regionale, saisonale und pflanzenbetonte Ernรคhrung und bietet praxisnahe Unterstรผtzung durch digitale Schulungen und Coaching-Programme. โ€žNachhaltiges Essen darf kein Hexenwerk sein โ€“ es muss schmecken und einfach umzusetzen seinโ€œ, erklรคrt Daniela Schmid.ย 

Politische Implikationen: der Auftrag an die Politik 

Die Ergebnisse des HoMaBiLe-Projekts zeigen klar: Die Mehrzahl der Verbraucher ist weder bereit noch in der Lage, die wahren Kosten von Lebensmitteln zu tragen. โ€žHier liegt die Verantwortung bei der Politikโ€œ, fordert Prof. Dr. Tobias Gaugler. โ€žEs braucht Rahmenbedingungen, die nachhaltige Lebensmittel gรผnstiger und umweltschรคdliche teurer machen.โ€œ Neben der Senkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche und der Erhรถhung auf tierische Produkte fordert das Projektteam eine stรคrkere Honorierung von ร–kosystemdienstleistungen wie den Schutz des Grund- und Trinkwassers oder den Schutz der Artenvielfalt und eine massive Fรถrderung des รถkologischen Landbaus. Insbesondere die Essensversorgung in Kitas und Schulen mรผsse in den Fokus rรผcken, ergรคnztย Daniela Schmid. โ€žDie Politik muss Standards schaffen, die Umwelt, Gesundheit und Genuss vereinen, und durch Coaching-Programme den Umstellungsprozess begleiten.โ€œย 

Fazit: Zeit fรผr Verรคnderung 

Die Forschenden und Bildungsakteure des HoMaBiLe-Projekts sind sich einig: Die Zeit drรคngt. โ€žWir haben keine Zeit zu verlieren, wenn wir die Zukunft unseres Planeten sichern wollenโ€œ, warnt Lennart Stein. โ€žEs braucht nicht nur mehr Aufklรคrung, sondern auch konkrete politische Entscheidungen, die den Wandel erleichtern und fรผr alle vereinfachen.โ€œ 

Das HoMaBiLe-Projekt hat gezeigt, wie notwendig es ist, die wahren Kosten von Lebensmitteln offenzulegen und auf gesellschaftlicher Ebene MaรŸnahmen zu ergreifen, die Umwelt und Gesundheit gleichermaรŸen schรผtzen. Die effektivsten Hebel liegen nun bei der Politik โ€“ fรผr eine nachhaltige Zukunft, in der die Preise die Wahrheit sprechen. 

info

Ausgezeichnetes Festival

Als erstes Festival hat Tollwood 2023 den Internorga Zukunftspreis gewonnen. Dasย โ€žKonzept, das Kulturgenuss, Lebensfreude und Engagement fรผr die Umwelt vereintโ€œย hat die Jury in der Kategorie Gastronomie & Hotellerie รผberzeugt.ย 

Quelle: Tollwood

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