À-la-carte-Küche im Krankenhaus? Das Roomservice-Konzept „Ons menu vooru“ im Jeroen Bosch Ziekenhuis (JBZ) in den Niederlanden ermöglicht es den Patienten tagsüber ganz spontan Essen zu bestellen, was sie wollen, wann sie wollen, und mit wem sie wollen – also auch für externe Besucher. Bis zu 13-mal am Tag und mit max. 45 Minuten Vorlauf. Das Ganze basiert auf dem amerikanischen Roomservice-Konzept von Sodexo und wurde 2019 eingeführt.
Die Redaktion GVMANAGER war vor Ort und hat sich das Konzept live angeschaut.
„Bestellungen einen Tag im Voraus lehnen wir ab, denn der Patient soll wirklich das bestellen, worauf er Lust hat und entsprechend seinem Hunger.“
René de Bont, Leiter Ernährung & Catering, Jeroen Bosch Ziekenhuis
At your request von Sodexo als Vorbild
Im Jahr 2019 stand im Jeroen Bosch Ziekenhuis eine für die Gastronomie wegweisende Entscheidung an: Die nicht im Neubau integrierte Zentralküche sanieren? Oder etwas Neues wagen? In einem interdisziplinären Gremium kam man zu dem Schluss:
„Wir wollen, dass der Patient mehr Hoheit bei der Speisenauswahl hat. Und dass frisch gekocht wird.“
Im Austausch mit Sodexo, damals noch Betreiber der Klinik-Cafeteria, wurde man auf das amerikanische Roomservice-Konzept des Caterers aufmerksam. „At your request“ wurde 2009 von Sodexo entwickelt und erstmals 2011 in einer US-amerikanischen Klinik umgesetzt.
Das zugrundeliegende Prinzip des Roomservice-Konzepts: Der Patient gibt vor, was er essen möchte, wann, wo und mit wem. Innerhalb von maximal 45 Minuten nach der vereinbarten Zeit bekommt er das frisch zubereitete Essen serviert.
Inzwischen wird dieses Konzept in 50 Prozent der von Sodexo becaterten Kliniken in den USA eingesetzt, wobei es besonders gefragt ist in der Frauenheilkunde, Kinderkliniken und Häusern mit besonders kurzen Aufenthaltsdauern. In den Niederlanden ist es in zwei Häusern im Einsatz. Im JBZ läuft es unter dem Titel Ons menu vooru.
Geschulte Telefonhotline koordiniert

Wie funktioniert das Ganze? Mittels Tablets im Zimmer bestellen die Patienten zwischen 7 und 19 Uhr ihr Essen telefonisch selbst. Idealerweise so zeitnah wie möglich. „Bestellungen einen Tag im Voraus lehnen wir ab, denn der Patient soll wirklich das bestellen, worauf er Lust hat und entsprechend seinem Hunger“, erläutert René de Bont, Leiter Ernährung & Catering am JBZ.
Denn Knackpunkt des Systemwechsels war auch die Möglichkeit, dadurch Food Waste zu vermeiden. „So entfallen unter anderem sämtliche Reservemahlzeiten, die wir früher für Neuzugänge ab 16 Uhr bevorraten mussten“, veranschaulicht René de Bont, warum der Food Waste um gut 60 Prozent gesunken ist.
Was die Patienten essen und damit auch bestellen dürfen, wird im Aufnahmegespräch festgehalten und ins System übertragen. Teils bekommen sie dann auch eine Menükarte ausgehändigt, in der nur die passenden Speisen angezeigt werden, großteils steuert aber das Personal der Telefonhotline, ob die Speisenwünsche mit der medizinischen Indikation einhergehen. Die Hotline prüft zudem, ob der gewünschte Essenszeitpunkt realisierbar ist. Denn es braucht zum einen den Vorlauf von mind. 45 Minuten, zum anderen können maximal 20 Essen zum gleichen Zeitpunkt gebucht werden. Ist beispielsweise der Zeitslot 12 Uhr bereits ausgebucht, muss der Patient auf den nächsten Zeitslot um 12.05 Uhr ausweichen.
A la carte produziert innerhalb von 45 Minuten
In die Küche gelangen die Bestellungen digital, 45 Minuten vor dem Servierzeitpunkt werden dort die jeweiligen Bons ausgedruckt. In der Küche ist eine U-förmige Kommissionierung aufgebaut, mit der A-la-carte-Küche in der Mitte und Kühlvitrinen mit Getränken, Salaten, Milchprodukten, Frühstückskomponenten usw. am Rand.
Statt eines Transportbandes, ist entlang der Stationen eine Tablettrutsche zu finden, auf welcher die Mitarbeiter der Kommissionierung das Tablett entlang schieben und bestücken.
Bei der Endkontrolle werden zugleich die Trolleys so bestückt, dass der Service nicht kreuz und quer durch das 550-Betten-Haus laufen muss, aber die Servierzeitpunkte dennoch eingehalten werden können.


Servierclochen mit Metallkern
Damit die Warmspeisen in den kompakten passiven Trolleys warm bleiben, hat das JBZ Servierclochen mit einem Metallkern von temp-rite angeschafft. Letzteres wird zunächst im Spender auf 70°C vorgeheizt und dann nochmal ca. 12 Sekunden per Induktion aufgeladen. „So wird die Wärme zeitversetzt und wohldosiert abgegeben, ohne dass die Speisen zu sehr nachgaren“, erläutert René de Bont. „Die Kerne halten das Essen bis zu 85 Minuten auf über 60°C“, konkretisiert Niek van der Rijken, Country Manager Belgium and The Netherlands bei Temp-rite.


Abendessen im Krankenhaus ab 16.30 Uhr
Apropos Warmspeisen: Da in den Niederlanden klassischerweise erst abends warm gegessen wird, herrscht in der Küche ab 16.30 Uhr Rush-hour und damit auch Vollbesetzung. Produziert wird, wo möglich, frisch. Allerdings entstehen Schmorgerichte und passierte Kost bereits im Voraus und werden in kleinen Gebinden vakuumiert.
Im Schnitt 600 Hauptgerichte werden dann geschickt. Warum das, bei 550 Betten? Etwa 50 Essen pro Tag entfallen auf Besucher. Denn – genau wie beim amerikanischen Vorbild – wollte es auch das JBZ seinen Patienten möglich machen mit Angehörigen oder Freunden zu essen. „In Gesellschaft isst man einfach mehr und besser, als wenn man alleine isst“, erläutert René de Bont und ergänzt. „Oberste Prämisse ist, dass die Patienten mit genug Energie und Protein versorgt sind.“ Entsprechend finden auch Kontrollanrufe von Seiten der Telefonhotline statt, sollte ein Patient an einem Tag noch nichts zu essen bestellt haben. Zudem werden die Patienten animiert, nicht im Bett, sondern an dem dafür vorgesehenen Tisch im Zimmer zu essen. Um zu kontrollieren, was der Patient tatsächlich gegessen hat, räumt zudem nicht der Service, sondern die Pflege die Essenstabletts wieder ab und ergänzt ggfs. das Ernährungsprotokoll.


Höherer Personalbedarf, neue Servierwagen
Was brauchte es, um das Konzept einzuführen?
- „Wir haben die Küche hier ans JBZ verlegen müssen und entsprechend komplett neu gebaut“, berichtet René de Bont, der zusätzlich auch das Personal auf 174 Köpfe, wenn auch großteils in Teilzeit, aufstocken musste.
- „Früher war um 16 Uhr Arbeitsschluss, heute haben wir da Rush-hour“, veranschaulicht er die geänderten Prozesse beim Wechsel auf die ganztägige Frischküche.
- Neu hinzu kam auch der sogenannte Foodings Service, also das Transportieren der Speisen von der Küche zum Patienten.
- Für die ausgeklügelte Logistik brauchte es zudem eine neue Art von Speisentransportwagen. Die kompakten Trolleys wurden in enger Zusammenarbeit mit temp-rite individuell für das JBZ entwickelt und speziell gebrandet.
- Fachlich und personell wird das eigene Gastro-Team des JBZ zudem von einigen Sodexo-Mitarbeitern in den Abteilungen EDV, Diätetik und Einkauf unterstützt.
Fazit zum Roomservice-Konzept
Wie lautet das Resümee nach fünf Jahren Roomservice? „Die Patientenzufriedenheit ist deutlich gestiegen – und das hat sicher auch Einfluss auf die Genesung“, resümiert René de Bont.
Und die Kosten? Unter dem Strich ist das Konzept etwas teurer als das vorige. Allerdings liegt es in den Niederlanden in der Hand der Kliniken und nicht der Krankenkassen, das Verpflegungsbudget festzulegen. Und die Leitung des JBZ steht voll hinter dem Konzept und unterstützt es entsprechend. „Die Patienten sind glücklicher! Das kann man zwar nicht monetarisieren, ist uns aber das Geld wert“, schließt René de Bont.
Auf einen Blick
Ons menu vooru – Jeroen Bosch Ziekenhuis (JBZ), Den Bosch

- Versorgungsgebiet: 635.000 Einwohner
- Anzahl Betten: 550
- Patienten pro Jahr: 60.000 stationär, weitere 500.000 ambulant in den sogenannten Polis (Fachabteilungen) (ohne Verpflegung)
- Durchschnittliche Aufenthaltsdauer: 3 Tage (aber auch viele Patienten in Reha und Geriatrie-Abteilung)
- Produktionssystem: Optimal Frisch – Mischsystem aus Cook & Serve (Gemüse, Fisch, Tagesgericht) und Cook & Chill (teils Saucen, Schmorgerichte, konsistenzadaptierte Kost)
- Gastronomie-Team: 170 Mitarbeiter (MA) insgesamt, großteils in Teilzeit, bzw. 74 FTE; davon im Service: 47 MA, Telefonhotline: 26 MA, Küche: 63 MA, Spülbereich: 19 MA
Roomservice-Konzept „ons menu vooru“ (Unser Menü für Sie)
- Zwischen 7 und 19 Uhr kann der Patient essen, was, wann, wo und mit wem er will (Warmspeisen nur von 11.30 bis 18.15 Uhr)
- Bestellung erfolgt durch Patienten an Tablets im Zimmer
- Telefonhotline prüft Bestellungen auf medizinische Indikation (Allergien, Unverträglichkeiten, angeordnete Kostform)
- Patient erhält Essen innerhalb von 45 Min. nach der vereinbarten Zeit
- Max. 20 Patienten im ganzen Haus können zeitgleich essen
- Ausgeliefert wird in 24 individuell gefertigten Servierwagen, abgeräumt in 80 umgebauten Wagen (Altbestand)
- Externe Besucher können ebenfalls Essen bestellen (7 Euro warmes Hauptgericht, 5 Euro Snack wie Suppe und Brot) (10 % der Mahlzeiten)
- Speiseplanrhythmus: 365-Tage-Standardkarte bestehend aus beliebig kombinierbaren Komponenten (darunter alleine 30 Warmkomponenten), ergänzend 4 Saisonkarten

Der mediterrane Pionier
Gerald Wüchner hat die mediterrane Kost in der Küche von Kliniken salonfähig gemacht. Seit 25 Jahren lebt er sein Herzensthema. Mehr dazu lesen Sie hier.
Quelle: B&L MedienGesellschaft