Deutschland ist für Julius Meinl ein Wachstumsmarkt. “Unser Ziel ist es, mit unserer Kaffeequalität und Expertise bei hochwertigen Gastronomen als Partner präsent zu sein”, erklärt Ingo Swoboda, Managing Director Julius Meinl Deutschland. Wir haben uns mit ihm über den Kaffeemarkt und Kaffee in der Gastronomie unterhalten.
Herr Swoboda, welche Bedeutung hat Kaffee aktuell in der Gastronomie?
Meiner Meinung nach sind Kaffee und Gastronomie in Deutschland eng miteinander verwoben. Man kann sich den Großteil der Gastronomie ohne den Verkauf von Kaffee kaum vorstellen, genauso wie Kaffee als Kulturgut in Deutschland nur schwer ohne die Gastronomie denkbar ist. In fast allen Gastronomiebereichen findet man Kaffee als das Konsumgut Nummer 1 im Bereich Heißgetränke. Deutschland ist Europas größter Kaffeemarkt, mit einem Verbrauch von 170 Litern pro Kopf im Jahr. Kaffee ist daher Teil unserer Kultur, egal ob im To-go-Geschäft, beim Frühstückskaffee oder im Sterne-Restaurant als Espresso oder Cappuccino.
Auch in Österreich, unserem Herkunftsland, ist Kaffee sehr bedeutend, nicht zuletzt wegen der Wiener Kaffeehauskultur, die offiziell zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Dementsprechend ist auch für uns als Unternehmen Julius Meinl die Gastronomiebranche unsere DNA. In vielen Ländern sind wir auch nur in der Gastronomie gelistet.
Welche Trends sehen Sie im Kaffeebereich, und welche davon bedient Julius Meinl bereits?
Die Trends lassen sich in Produkt-, Verpackungs- und Trinkvarianten unterteilen. Im Bereich Produkte dominiert das Thema Nachhaltigkeit mit Bio- und Fairtrade-Zertifizierungen. Während Bio-Fairtrade im Einzelhandel bereits weit verbreitet ist, wächst dieser Trend in der Gastronomie noch. Wir haben eine komplette Bio-Fairtrade-Linie für die Gastronomie eingeführt und planen das Gleiche auch im Einzelhandel. Ein Gradmesser für die Trends sind oft die Anforderungen großer Key Accounts, die zunehmend Bio- und Fairtrade-Produkte nachfragen.
Außerdem treiben gesetzliche Regularien den Bedarf nach nachhaltigem Verpackungsmaterial voran. Wir bieten beispielsweise heimkompostierbare Kapseln an. Unser Ziel ist es, auch bei den Folienverpackungen auf möglichst 100 % recyclebar umstellen.
Was die Trinkvarianten betrifft, beobachten wir Trends wie den Espresso Martini (dazu stellen wir auch ein Rezeptbuch zur Verfügung), und in den USA sowie Dubai ist Cold Brew Coffee bereits sehr beliebt. In Deutschland testen wir derzeit Cold-Brew-Maschinen und prüfen, ob wir diesen Trend weiterverfolgen.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für Café-Besitzer und die Gastronomiebranche allgemein?
Die deutsche Gastronomie steht seit Jahren vor Herausforderungen, insbesondere durch den Personalmangel, der durch die Corona-Pandemie verschärft wurde. Viele Aushilfskräfte sind während der Pandemie abgewandert und nicht zurückgekehrt, was den Fachkräftemangel verstärkte. Österreich ist weniger betroffen, da Gastronomie dort oft ein Ausbildungsberuf ist, während es in Deutschland häufig ein Aushilfsjob ist.
Zudem steigen die Betriebskosten durch höhere Löhne, Energiepreise und Lieferkettenprobleme. Dadurch sinkt entweder die Marge der Gastronomen, oder sie müssen die Preise anpassen.
Die Kunden gehen seltener aus und geben weniger Geld aus, was besonders für die mittlere Gastronomie ein Problem ist.
Julius Meinl unterstützt die Gastronomen finanziell, zum Beispiel durch Leasing- und Ratenkaufvereinbarungen für Kaffeemaschinen, mit Kaffeemühlen, Kaffeeporzellan usw., und bietet Schulungen für das Personal an, um eine konstante Kaffeequalität zu gewährleisten.
Wie sieht Julius Meinl die Entwicklung der Kaffeepreise und deren Auswirkungen auf die Gastronomie?
Die Preisentwicklung am Kaffeemarkt ist stark gestiegen – bei Robusta noch mehr als bei Arabica, was sich in der gesamten Wertschöpfungskette widerspiegelt. Unsere Empfehlung an Gastronomen ist, Preisanpassungen nur moderat und an die tatsächlichen Kostensteigerungen angepasst vorzunehmen. So bleibt man flexibel, falls sich der Weltmarktpreis wieder normalisiert.
Wir stehen in engem Austausch mit Kaffeebauern, die unter den klimatischen Bedingungen leiden, was die Ernteerträge beeinträchtigt. Zum Beispiel fällt nicht unbedingt die Anzahl der geernteten Kaffeebohnen geringer aus, sondern deren Größe. So benötigt man mehr Bohnen, um ein Kilo Kaffeebohnen herzustellen. Dazu kommen steigende Transportkosten und die Tatsache, dass Kaffee inzwischen oft mehrmals an der Börse gehandelt wird, was den Preis weiter treibt.
“Moderate Preisanpassungen können helfen, die Belastung für die Gastronomie zu reduzieren.”
Wie kann ein Gastronom das Thema nachhaltiger Kaffee erfolgreich umsetzen?
Es gibt viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit zu kommunizieren, von Hinweisen in der Speisekarte bis hin zu speziellen Aktionen. Julius Meinl bietet Gastronomen Aktionen wie eine Valentinstagskampagne, bei der die Gäste auf einen Kaffee eingeladen werden. Dabei geht es nicht nur darum, den Konsum zu fördern, sondern auch Geschichten, Emotionen und natürlich nachhaltige Aspekte zu vermitteln, die die Gastronomie ausmachen. Das Personal wird in regelmäßigen Schulungen geschult, um Kaffeequalität und Produktwissen zu steigern. Die Gastronomie lebt von Geschichten, und wenn das Personal den Mehrwert eines Produktes überzeugend vermitteln kann, dann ist die Preissensibilität der Gäste oft geringer.
Wie sehen Sie das Potenzial von Julius Meinl in Deutschland?
Julius Meinl hat eine lange Tradition und ist in Österreich Marktführer. Wir konzentrieren uns in Deutschland seit 16-17 Jahren auf die Gastronomie und haben etwa 1.200 Gastronomiebetriebe als Kunden. Seit zwei Jahren erweitern wir unser Engagement auf den Einzelhandel, was auch mit der Corona-Situation zusammenhängt. Deutschland ist für uns ein Wachstumsmarkt, und wir haben ambitionierte Pläne. Unser Ziel ist es, mit unserer Kaffeequalität und Expertise bei hochwertigen Gastronomen als Partner präsent zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Michael Teodorescu
Kaffeearomen
Welche Trends es vor allem beim Espresso gibt, haben wir in unserem Beitrag Espresso – Helle Freude zusammengetragen.