Wie lässt sich Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsgastronomie reduzieren? Fundierte Tipps dazu hat das Team von Community Kitchen bereits 2023 in dem 98-seitigen Handbuch „Gemeinsam Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsverpflegung reduzieren“ zusammengetragen, das man kostenlos online herunterladen kann.
„Wir stellen immer wieder verblüfft fest, dass fast jeder Konsument denkt, dass Lebensmittel über dem Mindesthaltbarkeitsdatum tödlich sind und deshalb sofort entsorgt werden müssen. Auch in Gesprächen mit Experten aus der Gemeinschaftsverpflegung tauchte das MHD häufig als einer der Gründe für die Entsorgung von noch verzehrfähigen Lebensmitteln auf.“
Günes Seyfarth, CEO und Gründerin Community Kitchen
Feedback gesucht für aktualisierte 2. Auflage
Nun ist eine zweite Auflage geplant, für die das Team weiteres Feedback aus der Praxis für die Praxis einarbeiten möchte.
Sie haben Tipps aus dem Buch bereits umgesetzt?
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Welche Herausforderungen gab es in der Praxis?
Wie haben Sie diese gemeistert?
Haben Sie mit gewissen Tipps schlechte Erfahrungen gemacht?
Sie praktizieren Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung, die bislang nicht thematisiert werden?
Das Team von Community Kitchen ist offen und dankbar für fundierte Kritik und Anregungen von Praktikern der Gemeinschaftsgastronomie, gerne per E-Mail an: [email protected].
Inhalt des Handbuchs
In der Publikation „Gemeinsam Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsverpflegung reduzieren“ finden sich viele Tipps und erprobte Handlungsweisen mit konkreten Praxis-Beispielen.
Eine Kernaussage: Lebensmittel retten heißt nicht zwingend, abgelaufene Lebensmittel zu verwenden. Community Kitchen München rettet diese oft weit vor Ablauf des MHD. Dafür gibt es Plattformen wie Querfeld, Etepetete, SPRK.global demand partner oder Überschussbörsen wie Leroma.
Zudem klärt das Buch über Mythen und gesetzliche Regelungen rund um die Haltbarkeit und das MHD auf.
„In unserer Arbeit mit Community Kitchen München stellen wir immer wieder verblüfft fest, dass fast jeder Konsument denkt, dass Lebensmittel über dem Mindesthaltbarkeitsdatum tödlich sind und deshalb sofort entsorgt werden müssen“, stellt Günes Seyfarth, CEO und Gründerin fest. Dieser Irrglaube trage sich auch in die Großküchen: In ihren für das Buch geführten Gesprächen mit Experten aus der Gemeinschaftsverpflegung tauche das MHD häufig als einer der Gründe für die Entsorgung von noch verzehrfähigen Lebensmitteln auf. In Kita- und Schulverpflegung gehe das sogar soweit, dass bereits gekochte Mahlzeiten, etwa Nudeln oder Tomatensauce, kein zweites Mal regeneriert werden dürfen, selbst wenn sie noch nicht beim Kunden, also den Kindern, waren.
Mythen und Tipps rund um das MHD
Lebensmittel retten heißt nicht zwingend, abgelaufene Lebensmittel zu verwenden. Community Kitchen München rettet diese oft weit vor Ablauf des MHD.
Laut Bundesgesetz ist es ausdrücklich erlaubt, Lebensmittel, die das MHD überschritten haben, weiter in Verkehr zu bringen, auch in der Gemeinschaftsverpflegung. Die rechtliche Grundlage dafür: Art. 2 Abs. 2, Buchstabe r, in VO (EU) 1169/2011, Stand: Mai 2023. Dort heißt es: „Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels [ist] das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält“.
Was das in der Praxis für die Gemeinschaftsgastronomie bedeutet, hat die Redaktion GVMANAGER im Folgenden zusammengefasst:
- Großküchen, insbesondere die Betriebsgastronomie, können problemlos MHD-überschrittene Lebensmittel verwenden, vorausgesetzt diese wurden sensorisch geprüft. Dieser Vorgang ist zu dokumentieren. Ein entsprechendes Dokument dafür stellt Community Kitchen in seinem Handbuch zur Verfügung.
- In Kliniken ist der Einsatz von MHD-Ware weniger zu empfehlen, ebenso bei GV-Betrieben mit besonders vulnerabler Zielgruppe (YOPIs).
- Gaststättenbetriebe müssen nicht gesondert darauf hinweisen, falls sie eine Zutat mit abgelaufenem MHD im Essen verwenden, allerdings obliegt ihnen die besondere Sorgfaltspflicht.
- MHD-überschrittene Waren sollten im Lager gekennzeichnet werden (z. B. an einem festgelegten Ort mit Vermerk).
- Lebensmittel, die das Verbrauchsdatum überschritten haben, dürfen per Gesetz nicht mehr verwendet werden – mit einer Ausnahme: Wird das Lebensmittel vor Ablauf des Verbrauchsdatums eingefroren, darf es auch nach dem Datum in gastronomischen Betrieben verarbeitet werden. Beim Einfrieren ist das Datum zu vermerken und die Rückverfolgbarkeit des Lebensmittels muss sichergestellt sein. Wurde das Lebensmittel aufgetaut (regeneriert), muss es innerhalb von 48 Std. verzehrt werden!
Praxiserfahrungen der Gemeinschaftsgastronomie gebündelt
Das Handbuch wurde dabei aus der Praxis für die Praxis erarbeitet. So sind zum einen eigenen Erfahrungen von Community Kitchen bei der Verarbeitung geretteter Lebensmittel in seinem Restaurant und in einer Münchner Schule eingeflossen, zum anderen die Erfahrungen von Netzwerktreffen Münchner GV-Betriebe.
Ergebnisse aus Netzwerktreffen
So fanden zwischen Februar und Ende August 2023 Vor-Ort-Besuche und Gespräche mit Verpflegungsverantwortlichen verschiedener Teilbereiche der Gemeinschaftsgastronomie statt, von städtisch-öffentlichen Kantinen, über Kita- und Schulküchen, bis hin zu Krankenhäusern und Seniorenheimen. „Ergänzend führten wir drei Roundtables durch, die rege angenommen wurden und uns wertvolle Einblicke und Anregungen von Expert:innen aus der Gemeinschaftsverpflegung einbrachten“, berichtet Günes Seyfarth, die seit über zehn Jahren Lebensmittel rettet.
Aus den Gesprächen mit über 30 verschiedenen Verpflegungsverantwortlichen wurden sogenannte „Knackpunkte in der Reduktion von Lebensmittelverschwendung in der Gemeinschaftsverpflegung” herausgearbeitet – unterteilt in Art und Ort der Gemeinschaftsverpflegung. So limitiert beispielsweise die meist mangelnde fachliche Kompetenz bestimmte Maßnahmen in Kitas und Schulen. Denn ein Mindestmaß an Fachwissen im Bereich der Lagerung, (Weiter-)Verarbeitung und Zubereitung von Lebensmitteln ist unabdingbar, wenn die Küche weniger Lebensmittel verschwenden will. Wie diesem Manko zu begegnen ist, dazu liefert die Publikation für diesen Punkt sowie die sieben weiteren Knackpunkte viele hilfreiche Tipps.
Lebensmittelretter Community Kitchen
Community Kitchen gilt nicht nur in München, sondern bundesweit als Leuchtturm in puncto Lebensmittelrettung. Zwischen 15 und 20 Tonnen Lebensmittel – pro Woche – holte das Team bis Ende 2024 bei verschiedenen Kooperationspartnern ab; in erster Linie Überhangware, also Lebensmittel, die überproduziert wurden und auf dem Müll landen würden. Diese wurden in der Produktionsküche im Shaere verarbeitet und vor Ort im Restaurant serviert bzw. als selbstgemachte Produkte wie Rettermüsli verkauft. Dafür wurde die Initiative 2022 beispielsweise mit dem Bundespreis „Zu gut für die Tonne“ ausgezeichnet.
Küche schließt, Beratung geht weiter
Ende 2024 läuft der befristete Zwischenmietvertrag in dem ehemaligen Neuperlacher Allianz-Gebäude aus, weshalb auch Küche und Restaurant vorerst schließen. Community Kitchen ist derzeit in einer Phase der Neuorientierung, wird dem Thema Lebensmittelverschwendung aber treu bleiben, unter anderem in Form von Beratungsleistungen.
Denn ihr Wissen teilen die Gründerinnen Günes Seyfarth und Judith Stiegelmayr sowie ihr Team im Dienste der Sache gerne mit anderen. Daher ist als aktuelles Projekt auch die Aktualisierung des Handbuchs geplant.
Quelle: B&L MedienGesellschaft