Anlässlich 15 Jahren GV-Manager des Jahres, einer Auszeichnung des Fachmagazins GVMANAGER für herausragende Führungskräfte der Gemeinschaftsgastronomie, haben wir ehemalige Preisträger um einen Rückblick gebeten. Mit dabei: Mathias M. Meyer, im Jahr seiner Auszeichnung 2016 noch Leiter Hochschulgastronomie, wenig später wurde er Geschäftsführer des Studierendenwerks Erlangen-Nürnberg.
Warum hat sich Mathias M. Meyer über die Auszeichnung als GV-Manager gefreut, und auch wieder nicht?
Wie ergeht es einem Top-Gastronomen an der Spitze eines Studierendenwerks?
Warum ist er mega-stolz auf sein Gastro-Team?
Und was hat sich nach 100 Jahren Studierendenwerk eigentlich gastronomisch verändert?
Mehr dazu hat Mathias M. Meyer der Redaktion im exklusiven Interview berichtet:
Herr Meyer, bei Ihnen ging es nach der Auszeichnung als GV-Manager des Jahres 2016 beruflich steil bergauf – wie war das damals?
Rückblickend kann ich gar nicht so genau sagen, ob mich damals die Auszeichnung GV-Manager des Jahres und weitere, die folgten, weitergebracht hat oder eher nicht. In der Situation habe ich mich auf jeden Fall gefreut, war stolz wie Oskar. Doch da ich just in der Zeit meiner Auszeichnung den nächsten Schritt machen wollte, zum gesamtverantwortlichen Geschäftsführer meines Studierendenwerks, hat es mir – zumindest kurzfristig – eher den Stempel des Top-Gastronomen noch intensiver aufgedrückt. Das Studierendenwerk jedoch suchte jemanden, der Wohnheime baut, Psychologische Beratungen an die Anforderungen der Zeit anpasst und auch vor BAföG und KiTas keine Angst hat.
Aber letztendlich ist es so gekommen, wie ich er mir gewünscht, erkämpft und erarbeitet habe.
Kam Ihnen die gastronomische Erfahrung an der Spitze des Studierendenwerks nicht auch zugute?
Ich habe mit allen Stakeholdern unseres Studierendenwerks ein gutes Verhältnis – da ist mir die Kundenorientiertheit aus der Gastronomie sicher eine große Hilfe. Und auch während Corona – in meiner Zeit als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Geschäftsführungen der Bayerischen – hat mir die in der Gastronomie erlernte Flexibilität geholfen.
Gibt es rückblickend besondere Höhepunkte?
Echte Highlights gab und gibt es viele, mein tolles Team, welches uns sicher durch die Pandemie und die Krisen begleitet hat. Mit André Müller habe ich jetzt einen Nachfolger, der mir den Rücken frei hält für meine Aufgaben in der Geschäftsführung, und der die Hochschulgastronomie selbstständig weiter voranbringt. Sicher ganz anders, als ich es machen würde, aber mindestens genauso innovativ und kommunikativ wie ich – nur sicher mit etwas mehr Ohr an unseren Studierenden.
Sehen Sie Ihr Team also gut aufgestellt für die Zukunft?
Es macht mich glücklich oder auch ein bisschen stolz, dass in unserem jungen Team Hochschulgastronomie tolle Kollegen in der Verantwortung sind, die ich teilweise selbst ausbilden, teilweise bei ihrem Werdegang unterstützen durfte. So unser aktueller Leiter Einkauf und Produktionsplanung, Dominic Mikolajetz oder auch unser Mensaleiter am Langemarckplatz, unser Flaggschiff, Smaijl Alijaj, ein Quereinsteiger, der, zusammen mit einigen engagierten Ex-Auszubildenden, erfolgreich die Prüfung zum Koch abgelegt hat und somit den Grundstein zu seiner heutigen Position gelegt hat. Heute ist er, zusammen mit Joachim Jahn, ein langjähriger Weggefährte von mir, auch ein erfolgreicher Ausbilder, der zuletzt, mit viel Herzblut, eine Auszubildende aus Venezuela zu Höchstleistungen und Bestnoten angespornt bzw. trainiert hat. Überhaupt arbeiten wir an der Internationalisierung unseres Azubiteams – zwei Vietnamesen, zwei Oberbayern und eine weitere aus Venezuela, mit viel Liebe und Ausdauer, denn ich bin mir sicher, dass wir trotz der oben genannten KI-Einführungen langfristig gutes und engagiertes Fachpersonal benötigen.
Das Studierendenwerk Erlangen-Nürnberg feierte kürzlich 100-Jähriges. Hat sich das Speisenangebot sehr verändert?
In alten, handschriftlichen, Nachkriegs-Aufzeichnungen unseres Küchenchefs der Mensa Weinstadel in Nürnberg habe ich interessante Querverbindungen zu unseren heutigen Angeboten in der Hochschulgastronomie gefunden. Es gab „Linsen und Spotzen“, „Bohnenkern und Klöß“, „Kartoffelsupp’n – ohne Wurst, dafür mit Brot. Die Gerichte waren also eher vegetarisch, und wenn überhaupt, wegen des Aromas mit Bündla, also Räucherbauch, ergänzt.
Selbst Süßes wie Grießbrei oder Arme Ritter mit Kompott, galten als vollwertiges Essen für alle. Nun Letzteres wird heute von Vegetariern oder besser Vegetarier*innen nicht unbedingt gerne als Essen gesehen.
Auch Nose to Tail gab es bereits – jedoch oldschool als Sülze mit Vinaigrette, Schweinsknöchla, Beuscherl mit Semmelkloß, Leber mit Püree und vieles mehr. Das würde heute wohl keiner mehr wählen. Natürlich ganz viel Sauerkraut und Weißkraut, sicher die wirkliche Ursache der Erderwärmung. Echte Fleischgerichte waren eher selten. Man sieht, ein Kreis schließt sich!
Also entwickeln wir uns kulinarisch weiter oder zurück?
Das ist eine gute Frage! Man hatte zwischenzeitlich die Tierhaltung optimiert, um dem in den 60ern stark wachsenden Fleischkonsum Herr, oder müsste man besser sagen, Frau oder gar Divers, zu werden?! Jetzt gehen wir Studierendenwerke wieder „back to the roots“: Bio, Strohschwein, Masthuhn-Initiative oder gar vegan sind die Schlagworte, industriell und voller Zusatzstoffe wird es erst, wenn es dann Plant-based wird! Unser Team begeistert hier immer wieder. Allerdings irritieren mich scheinbar ernst gemeinte Kommentare unserer Gäste, wie jüngst zu unserem deutlich ausgezeichneten veganen Gyros, klassisch serviert mit Krautsalat, Tomatenreis und veganem Zaziki: „War richtig lecker, nur das Fleisch war irgendwie anders!“
Sind Sie bei den Recherchen auch auf eine kuriose Anekdote gestoßen?
Schmunzeln musste ich beim Kommentar eines langjährigen Studierenden aus den 1960ern: „Ich hätte gerne die Hand kennengelernt, die mich über viele Semester hinweg verpflegt hat“, so sein Eintrag. Worauf er anspielt: Das eine Essen, welches die Mensa Weinstadel täglich offerierte, wurde einfach von einer Hand aus dem Fenster gereicht – Kundenkontakt: Fehlanzeige!
Ebenfalls sehr effektiv war die Form der Bezahlung. Wir waren damals zwar noch analog aber schon bargeldlos unterwegs: So holten sich die Studierenden einen Streifen Bons und legten einen in eine Schale.
Dann hat sich der Service also weiterentwickelt?
Jein. Es gab eine Zeit, da waren unsere Studierenden Essensempfänger, dann wurden sie auf einmal Gäste und das Personal geschult, um Serviceorientierung zu leben. Und heute? Geht es wieder back to the roots. Erst kam die Selbstbedienung auf, und jetzt digitale Self Scan-Kassen, die wir – selbstredend – auch schon im Einsatz haben. Es gibt nicht einmal mehr die Hand, die einen nährt. Der Kundenkontakt wurde, sicher aus anderen Gründen, reduziert. Ich hätte da eine Optimierungsidee: Das Ausgabefenster aus unserer Mensa Weinstadel von früher, ergänzt um einen Handyleser von heute, bei erfolgreicher Bezahlung kommt die Hand, oder vielleicht der Roboterarm und reicht das Essen. Als Innovationsfanatiker fände ich das spannend und effektiv, aber ich bin als alternder Gastronom froh, dass so etwas in den nächsten Jahren sicher nur als Pilot kommen wird. Allerdings wäre es tatsächlich eine Lösung vieler Probleme, denen wir uns heute stellen müssen, (Fach-)Kräftemangel, Kostendruck und vieles mehr! Auch hier schließt sich ein Kreis.
Ob die Kunden ein freundliches „Grüß Gott und guten Appetit“ vermissen werden? Wer weiß, denn mit den Kommilitonen in ihrer Mensa kommunizieren sie ja auch schon nur noch übers Handy…
Ihr abschließendes Resümee?
Wenn man langsam auf die letzte berufliche Zielgerade einbiegt und dann feststellt, dass das Ende seiner beruflichen Laufbahn im Spurt auf einen zu kommt, man gerne arbeitet und noch ganz viel vorhat, dann lernt man, wie viel oder besser wie wenig man wirklich dauerhaft beeinflussen kann. Die Welt um einen herum verändert sich so schnell, man kann das nicht nur an der Vergänglichkeit der letzten Pandemie, den aktuellen Krisen und Kriegen fest machen, nein auch am Wandel unserer Zeit oder besser dem Wandel der Verzehrs Gewohnheiten in den letzten Jahren.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Ausgezeichnetes Team Hochschulgastronomie
Was verbirgt sich hinter dem Projektteam Miteinander vom Studierendenwerk Frankfurt/M., das GV-Team des Jahres 2023 wurde? Hier geht’s zum Portrait.
Quelle: B&L MedienGesellschaft