Chief Executive Officer Neil B. Jacobs ist seit 2012 bei Six Senses.
Quelle: Six Senses

Mission Wellness

Chief Executive Officer Neil B. Jacobs ist seit 2012 bei Six Senses. Davor hatte er Führungspositionen bei den Four Seasons
Hotels and Resorts
sowie der Starwood Capital Group inne. Er hat u.a. Hotelmanagement an der Westminster University studiert und spricht sechs Sprachen. Im Interview verrät er, was die Hotelgruppe Six Senses so erfolgreich macht – und warum nun die Metropolen dran sind.

Herr Jacobs, was bedeutet Six Senses für Sie?

Six Senses wird bald 30 Jahre alt und hat sich über die Jahre hinweg beständig entwickelt. Es begann als Resort-Unternehmen, vorwiegend in Südostasien, sowie auf den Malediven und im Oman. Meist mit Villen am Strand und mit einem großen Fokus auf nachhaltiges Wirtschaften, worüber vor 30 Jahren noch niemand wirklich sprach. Und sie waren von Anfang an im Spa-Bereich sehr gut. Es war sehr ökologisch und rustikal, was vor 30 Jahren irgendwie cool war. Im Jahr 2012, als wir Six Senses übernommen haben, waren wir der Meinung, dass alles großartig war, aber dass wir etwas verändern mussten. Wir wollten global und nicht nur in Asien tätig werden. Wir wollten verschiedene Konzepte anbieten,
nicht nur am Strand, sondern auch in den Bergen, in der Wüste und in der Stadt. Wir wollten den Fokus auf Spa als eine echte Wohlfühlplattform verlagern. Und wir wollten die Nachhaltigkeitsagenda weiterhin sinnvoll vorantreiben und das Design weiterentwickeln. Wir haben immer noch die Konzepte natürlicher und nachhaltiger Materialien unterstützt, aber
sie sollten mehr Design und weniger rustikal sein.

Und haben Sie Ihre Ziele erreicht?

Im Jahr 2012 hatten wir acht Hotels. Heute, 11 Jahre später, haben wir 25 Hotels in der ganzen Welt. Wir haben das getan, was wir in Bezug auf Design vorhatten. Wir sind in Städten wie Rom und Istanbul und wir sind dabei, in London zu eröffnen. Im Februar gehen wir nach Kyoto. Unsere Überzeugungen in Bezug auf Wellness und Nachhaltigkeit sind stärker denn je. Wir sind glaubwürdig, was unsere Nachhaltigkeitsstrategie angeht. Zum Beispiel geht ein Prozentsatz des Umsatzes, vertraglich festgelegt, an nachhaltige Projekte außerhalb des Hotels, in dem Land, in dem wir tätig sind. Im Vergleich zu anderen Hotelunternehmen bieten wir wahrscheinlich mehr Wellness an – sei es Ayurveda oder chinesische Medizin, Energiemedizin, Ernährungsprogramme, Schlafprogramme, funktionelle Medizin, und wir sind dabei, ein Programm für spirituelles Wohlbefinden einzuführen. Wir decken also alles ab und haben ein Team von Leuten, das wir unser WIT-Team nennen. Dieses Wellness Innovation Team beschäftigt sich ausschließlich mit der Forschung und der Erstellung von Programmen, die es uns ermöglichen, in diesem Bereich ganz vorne mitzuspielen.

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit in Ihren Häusern um?

Auf Hotelebene sind das kleine Punkte. Es gibt zum Beispiel einen Nachhaltigkeitsdirektor, den nur sehr wenige Hotelgruppen haben. Er sitzt im Vorstand und ist an jeder Entscheidung beteiligt. Und wir haben eine Permakultur, wir bauen also unser eigenes Essen an. Selbst in Rom, also in der Stadt, bauen wir Lebensmittel auf den Dächern an. In New York sagten die Leute zu mir: „Lass uns doch einen Pool auf dem Dach bauen!“ Ich sagte: „Nein, ich will keinen Pool, ich will einen Bio-Garten.“ Als wir Six Senses 2012 kauften, floss das gesamte eingenommene Geld an die Zentrale. Wir haben das sofort gestoppt. Jetzt muss ein halbes Prozent der Gesamteinnahmen in Nachhaltigkeitsinitiativen fließen, die nicht zum Hotel gehören. Jedes Hotel ruft seine eigenen Projekte ins Leben. Zum Beispiel beteiligen wir uns auf den Malediven an Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Meer. Auf Unternehmensebene konzentrieren wir uns auf große Initiativen, die wir dann dem Hotel auferlegen. So haben wir uns in den letzten drei bis vier Jahren sehr stark auf die Beseitigung von Plastik in allen Hotels konzentriert. Dabei sind wir sehr systematisch vorgegangen, indem wir in jedem Hotel eine Bestandsaufnahme jedes Stücks Plastik gemacht haben. Vor rund zwei Jahren hatten wir 70 % des gesamten Plastiks eliminiert.

Welche Produkte im Hotel betrifft das?

Die Dinge, die die Gäste betreffen, waren nie ein Thema. Wir hatten noch nie Plastikstrohhalme oder -shampooflaschen.
Das mit den Gästen war also eigentlich einfach. Was schwieriger war, war die Lieferkette. Wenn wir mitten im Nirgendwo
waren und die Fischer mit dem Fang in einer Plastikbox und Styropor ankamen, sagten wir: Nein, das nehmen wir nicht.
Aber das ist die Lebensgrundlage dieser Menschen. Wir mussten also eine Menge Ausbildung in diese Sache investieren.
Wenn man in die Küchen von Spitzenköchen geht und sagt, dass sie nicht mehr Sous Vide kochen dürfen, weil da sehr viele Plastiktüten verbraucht werden, schauen sie dich an und fragen: „Was meinst du?“ Aber jemand hat schon gekocht, bevor es Plastiktüten gab, oder? Es gab 18 Punkte, die immer noch problematisch waren. Und wir nannten sie die „18 most unwanted“. Wir haben Plakate in einem Western-Cowboy-Stil daraus gemacht: „Die 18 Unerwünschtesten“. Und was war der schlimmste Übeltäter? Die Nespresso-Kapsel. Nespresso gibt sich große Mühe, sie bieten zum Beispiel Recycling an. Aber an einigen der Orte, wo wir tätig sind, gibt es kein Recycling. Eine andere schrecklich Sache waren die Wattestäbchen. Du denkst, es ist einfach sie zu wechseln, aber das ist es nicht.

Sie erwähnten, dass Sie auch immer mehr in Städten eröffnen. Wie kommt es dazu?

Die Triebfeder für das urbane Konzept war, dass es Leute gibt, die in unsere Resorts gehen und dort fünf, zehn Tage verbringen, manchmal auch länger. Und sie machen dort Wellness-Programme. Sie fühlen sich gut, gehen nach Hause, und dann: nichts. Eine Möglichkeit, wie es besser funktionieren könnte, ist die Verbindung mit der Stadt, und ihnen die Möglichkeit geben, das Programm fortzusetzen. In unseren Stadthotels werden wir nächstes Jahr, wenn London eröffnet wird, etwas namens Six Senses Place einführen. Das ist in erster Linie ein Club mit fortgeschrittenem Wellness-Programm. Die Zielgruppe ist also nicht der Hotelgast, sondern die Community, die Gäste, die uns kennen, und nach London, Paris oder Kyoto zurückgekehrt sind. In der Stadt kommen mehr Menschen zusammen, als es in einem Resort möglich ist. Wir sind in erster Linie ein Resort- Unternehmen, aber Stadthotels sind hilfreich, um die Werte der Marke zu stärken.

In Deutschland haben wir ja Fachkräftemangel. Wie sieht es in Ihren Häusern aus?

Ich denke, das ist ein globales Problem. Im Gastgewerbe hat sich das Problem durch Covid noch verschlimmert. Viele
junge Leute haben die Branche während der Pandemie verlassen. Sie haben andere Jobs gefunden usw. Niemand ist also davor gefeit. Besonders im Westen fragen potenziellen Mitarbeiter: Was ist Ihre grüne Politik? Was ist Ihre
Nachhaltigkeitskonzept? Nachhaltig zu sein hilft uns also, bei der Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern. Wellness ist
ebenfalls ein Thema. Wir haben für unsere Mitarbeiter etwas namens Mission Wellness geschaffen. Es findet sowohl auf Hotelals auch auf Unternehmensebene statt. Und es geht nicht nur darum, dass sie eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio
erhalten. Das ist schön, aber du benutzt es oder du benutzt es nicht. Aber im Hotel haben wir jeden Tag etwas. Man zwingt die Leute auch irgendwie dazu. In unserer Branche gibt es viel Fluktuation: das neue Hotel in der Nachbarschaft bietet Ihnen 10 oder 20 Euro pro Woche mehr, und dann gehen Sie dorthin. Wir glauben, dass uns Nachhaltigkeit und Wellness angesichts der heutigen Herausforderungen bei der Einstellung und Bindung von Mitarbeitern hilft. Wir versuchen also, die emotionale Karte zu spielen, denn ja, das Geld ist wichtig, aber es gibt auch andere wichtige Dinge.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle: B&L MedienGesellschaft

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