Vertical Farming Systeme versprechen besonders nachhaltig zu sein. Inwiefern stimmt das? Prof. Dr. Heike Mempel weiß mehr dazu.
Quelle: Markus Spiske on Unsplash

Wie nachhaltig ist Vertical Farming?

Immer mehr Unternehmen, darunter Ikea oder Peter Pane, setzen auf Vertical Farming – also auf den Anbau von zum Beispiel Kräutern, Tomaten oder Salat in kontrollierter Umgebung. Dabei werden die Sorten in Innenräumen übereinander in mehreren Stockwerken gepflanzt. Dass Lebensmittel auf diese Weise inmitten von Großstädten – anstatt wie bisher in der traditionellen Landwirtschaft – geernet werden, ist längst kein Szenario der Zukunft mehr, sondern eines, das in der Gegenwart angekommen ist.

Expertin für Gewächshaustechnik: Prof. Dr. Heike Mempel. (Quelle: Mempel)

Die Systeme versprechen umweltfreundlich zu sein, vor allem im Vergleich zu herkömmlichen Anbaumethoden. Doch als wie nachhaltig sind Vertical Farming Systeme wirklich einzuordnen? Und welche Vor- und Nachteile bieten sie dem Indoor-Gärtner?

Wir haben mit Prof. Dr. Heike Mempel, Expertin für Gewächshaustechnik von der Hochschule Weihenstephan Triesdorf, gesprochen.

Frau Prof. Dr. Mempel, als wie nachhaltig sind Vertical-Farming-Systeme einzuordnen?

Für eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung sind ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen zu betrachten. Im Bereich der ökologischen Dimension schneidet das System vor allem im Bereich des geringen Wasserverbrauchs und des Verzichts auf Pflanzenschutzmittel und den effizienten Ressourceneinsatz sehr positiv ab.

Die größte Herausforderung stellt in diesem Punkt der hohe elektrische Energieverbrauch dar. Daher ist es nötig, diese Systeme mit erneuerbaren Energiequellen zu kombinieren, damit die genannten positiven Aspekte nicht aufgehoben werden. Vor diesem Hintergrund sollten Indoor Farmen zwingend mit regenerativen Energiequellen betrieben werden. Über 50 Prozent des Energieverbrauchs benötigt die Beleuchtung, weitere Verbraucher sind die Klimatisierung sowie die Entfeuchtung.

In der Zukunft sind aber noch energetische Optimierungen für Indoor Farming Systeme zu erwarten und in Kombination mit ganzheitlichen Energiekonzepten sollten Indoor Farming Systeme klimaneutral werden. Wir bemerken gerade stark steigendes Interesse an der Technologie. Dennoch Bedarf es für eine signifikante Verbreitung in Deutschland mehr Unterstützung und Förderung seitens der Politik, um Demonstrationsprojekte zu schaffen. Ebenso ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um die Potentiale den Abnehmern und Konsumenten näher zu bringen. Aus gesellschaftlicher Sicht kann Vertical Farming einen wichtigen Beitrag leisten, um den Pflanzenbau und die Bedeutung der Lebensmittelproduktion wieder stärker erlebbar zu machen. Für eine ganzheitliche Betrachtung sind noch zahlreiche Forschungslücken zu schließen.

Um wie viel geringer ist der Wasserverbrauch bei den Systemen im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft?

In Bezug auf den Wasserverbrauch sind hydroponische Indoor Farming Systeme (Anm. d. Red.: Hydroponischer Anbau bezeichnet den Anbau von Pflanzen ohne Erde. Die Wurzel wird dabei mit Nährstoffen und Dünger in flüssiger Form versorgt.) das effizienteste Kultursystem, wenn es um einen nachhaltigen Pflanzenanbau geht. Durch eigene Versuche mit Pak Choi bzw. Chinesischem Senfkohl konnten wir im Vergleich zum Anbau in einem herkömmlichen Gewächshaus eine Reduzierung von über 96 Prozent bestätigen. Bei optimaler Nutzung wird nur das Wasser benötigt, welches später in der Pflanze und im Erntegut vorhanden ist.

Bezogen auf kleine Indoor-Farmen in Restaurants oder privat, aber auch auf die landwirtschaftliche Produktionsmethode: Wo liegen aktuelle Vorteile und welche Nachteile gibt es beim Vertical Farming?

Durch den geschützten Anbau (Controlled Environment Agriculture) mit Ausschluss der Globalstrahlung (Sonnenstrahlung) und einem mehrschichtigen, hydroponischen Kultivierungssystem lassen sich besonders im Vergleich zum herkömmlichen Feldanbau vielversprechende Möglichkeiten zur Umsetzung weiterer Nachhaltigkeitsziele erkennen:

  • Kein Pestizideinsatz erforderlich
  • Keine Nitratauswaschung in das Grundwasser
  • Ressourcenschonung durch hohe Ressourceneffizienz
  • Standortunabhängigkeit
  • Hohe Flächeneffizienz und gezielte Qualitätsbeeinflussung
  • ganzjährige Produktion bei gleichbleibender Qualität (Möglichkeit einer Just in Time Produktion)

Nachteile:

  • Hohe Investitionskosten am Anfang im Vergleich zum Freilandanbau
  • Der derzeit noch hohe elektrische Energieverbrauch
  • Komplexes System (Knowhow erforderlich)

Gerade bei sehr kleinen Anlagen ist es schwierig, Effizienzvorteile vollständig auszunutzen. Daher steht gerade bei Systemen für Homefarming vermutlich der Nachhaltigkeitsaspekt nicht an erster Stelle.

Herzlichen Dank!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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