Michael Buchinger Aunhamer
Quelle: Das Aunhamer

Michael Buchinger, Das Aunhamer: Vernunftentscheidung

Mit internationalen Mitarbeitern hat Hoteldirektor Michael Buchinger ein modernes Hotelkonzept im Das Aunhamer zum Leben erweckt. Wir haben uns mit ihm über die Entstehung, die Herausforderungen und die Vorteile unterhalten.

Herr Buchinger, wie sind Sie Hoteldirektor des Das Aunhamer geworden?

Meine Mutter hat damals hier in dem Ort gelebt. Bei ihrer ersten Krebserkrankung lebte ich in den USA und konnte nicht wirklich für sie da sein. Als die zweite Diagnose gestellt wurde, wollte ich vor Ort sein und für die Familie da sein. Es war damals die einzige freie Stelle als Hoteldirektor in der Gegend, also habe ich sie angenommen. 
Das Konzept der Hotelkette harmonierte aber nicht unbedingt mit der Realität in einem niederbayerischen Dorf. Deswegen bin ich dort nach zwei Jahren, nachdem meine Mutter wieder gesund war und es mit der Hotelkette hier keinen Sinn mehr machte, nochmals nach Asien gegangen und erst zu Corona zurückgekehrt. Die Hotelgesellschaft ist während Corona hier rausgegangen, dann haben die Eigentümer mich kontaktiert. Sie kommen aus Niederbayern und sind sehr regional, bodenständig und ortsverbunden. Ich bin mit ihnen übereingekommen, das Hotel Aunhamer eigenständig weiterzuführen und  Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. 

Was haben Sie im Aunhamer verändert?

Das Hotel war ja ein neues Haus. Es wurden einige bauliche Änderungen vorgenommen: Ein zusätzlicher Ruheraum wurde geschaffen, der Fitnessraum verlegt, die Parkgaragenlösung verändert und alle Zimmer noch einmal überholt. Das Zitat ‚Kein Plan übersteht die erste Feindberührung‘ von Generalfeldmarschall von Moltke gilt auch hier — keine Hotelplanung übersteht die ersten Gästeübernachtungen. Man hat natürlich eine Vorstellung, was funktionieren könnte, und das funktioniert genau so lange, bis Gäste auftauchen. Man hat daran gedacht, was der Gast will – und der Gast sagt einem dann, was er wirklich will.
Wir haben uns mit einem Großteil der ehemaligen Mitarbeiter unterhalten, alle Gästebewertungen der letzten drei Jahre angeschaut und auch mit den Nachbarn gesprochen. Unser ruhiger Standort ist ja dadurch bedingt, dass wir in einem Wohngebiet liegen. Aber auch hier muss es funktionieren. Wenn ich keinen Frieden mit den Nachbarn habe, weil die Parksituation vor dem Haus nicht gut gelöst ist, hat das Auswirkungen auf die Gäste, wenn sie Strafzettel bekommen oder ewig nach Parkplätzen suchen müssen. Also haben wir all das noch einmal angeschaut und geändert.

Was war der Grund dafür, dass Sie sich für ein Adults-Only-Hotel entschieden haben? 

Erstens mangelnde Fläche. Im Aunhamer haben wir nicht den Platz im Spa-Bereich, um das sauber trennen zu können. Und das für mich marketingtechnisch interessante Argument ist: den Kindern zuliebe. Kinder haben einfach das Recht, planschen zu dürfen, laut sein zu dürfen, herumzulaufen. Ich habe in meiner Laufbahn auch mal ein halbes Jahr als Kindergärtner gearbeitet während meines sozialen Abiturs und war zehn Jahre lang Kindertrainer. Ich denke also, ich weiß sehr gut, was Kinder in ihrer Freizeit wollen, und dafür gibt es extra Familienhotels, die auf Kinder spezialisiert sind — gerade bei uns im Bayerischen Wald gibt es da fantastische Häuser, einige der besten Deutschlands.

Das Aunhamer Adults Only
Bild: Das Aunhamer

Wir wissen aber, dass wir deren Ansprüchen nicht gerecht werden können, mangels ausreichender Fläche. Wenn ich einen Erwachsenen-Spa und einen Family-Spa nicht trennen kann, werden wir am Ende des Tages die Erwachsenen, die nicht auf Kinder fokussiert sind, nicht glücklich machen.
Wir werden aber auch Familien mit Kindern nicht glücklich machen, wenn dann Gäste, die zur Wellness hier sind, bei jedem dritten Kinderkreischen „Pssst“ machen. Deswegen war die Wahl für uns eigentlich relativ einfach. Für ein familienfreundliches Hotel braucht man definitiv mehr Angebot für Kinder und mehr Fläche. Das können wir nicht bieten. Daher war es eine reine Vernunftsentscheidung: Adults Only.

Warum kommen die Gäste zu Ihnen?

Wellness ist ein Teil unseres Angebots, aber wir würden uns nicht als Wellness-Hotel bezeichnen. Wir haben bewusst den Begriff „Lifestyle-Hotel“ gewählt, weil sehr viele Dinge, die dem heutigen aktiven Lifestyle entsprechen, bei uns gemacht werden können, aber keines so ausgeprägt ist. Wenn Gäste in ein Wellness-Hotel fahren wollen, dann erwarten sie meist eine eigene Therme oder mindestens einen 3.000 bis 4.000 Quadratmeter großen Spa-Bereich. Unser Spa hat 1.000 Quadratmeter, was eigentlich auch ein Spa sein soll und keine Wellnesslandschaft.
Der ist sehr gut ausgestattet, erfüllt locker seinen Zweck, und wir haben den schönen Vorteil, dass unser Wellnessbereich als eines von ganz wenigen Hotels in Deutschland jeden Tag bis Mitternacht geöffnet ist. Dadurch gleichen wir natürlich auch die mangelnde Fläche ein bisschen aus. Wir haben bei 166 möglichen Gästen 70 Liegen bei uns im Haus.
Wir kennen das aus den meisten Hotels: Wenn ich tagsüber etwas unternehmen möchte — sei es wandern, Radtouren machen, eine Stadt besichtigen — versuche ich, rechtzeitig zum Abendessen ins Hotel zurückzukommen, muss mich da schon relativ abhetzen, und dann ist der Wellnessbereich in 95 Prozent aller Hotels geschlossen. Bei uns ist der grandiose Vorteil, dass ich bis Mitternacht den Pool noch nutzen kann.

Das Aunhamer Wellness
Bild: Das Aunhamer

Wie leicht oder schwer ist es in einer nicht so urbanen Gegend Mitarbeiter zu finden?

Jeder von uns Hoteldirektoren oder Hotelbesitzern wünscht sich die jungen, ambitionierten, kreativen Mitarbeiter, die in der Hotellerie Karriere machen wollen und schon diese Selbstmotivation haben, zu sagen: „Okay, was können wir heute noch besser machen?“ Diese Menschen werden erstens weniger in der Hotellerie. Zweitens wollen diese Menschen nicht nach Bad Griesbach. Die wollen nach Berlin, die wollen nach Hamburg, die wollen, wenn sie lokal verwurzelt sind, nach München. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich auch einer von denen war.

Wenn ich auf dem Land bin, in einer Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern, wo auch die Bewohner einen höheren Altersschnitt haben, wo das Angebot für jüngere Menschen nicht wirklich groß ist, kommen Leute hierher, die sagen: „Okay, ich habe jetzt meine 20, 30 Jahre in der Hotellerie abgeleistet, ich will es jetzt ruhiger angehen lassen.“ Das ist nicht das, was du als Hoteldirektor willst. Oder du suchst dir Menschen, für die das hier tatsächlich ein sozialer Aufstieg ist. Und die finden wir zu 99,9 Prozent nicht in Deutschland, zum Großteil finden wir sie nicht mehr in Europa.

Michael Buchinger stammt aus dem niederbayerischen Straubing, wo er in jungen Jahren in die Gastronomie geschnuppert hat. Er hat ein Studium der Sportpädagogik begonnen, es aber zugunsten einer Karriere in der Hotellerie abgebrochen. Nach einer Ausbildung zum Hotelkaufmann in München führte ihn sein Weg nach Kalifornien und später zu den Design Hotels. Nach Jahren in Norddeutschland und im europäischen Ausland wurde er in Asien für eine Hotel-Design-Firma tätig. Schließlich kehrte er nach Niederbayern zurück und übernahm das Aunhamer Hotel.

Sie haben ja trotzdem Mitarbeiter. Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?

„Herausforderung“ ist tatsächlich das Wort, das ich verwenden würde. Ich würde es nicht als Problem bezeichnen, weil wir es geschafft haben, dass wir jetzt, drei Jahre nach der Eröffnung, rund zweieinhalb Jahre konsequent zu viele Mitarbeiter hatten, was ein kleiner Luxus ist. Bei uns passiert es tatsächlich über „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“. Das hat natürlich damit zu tun, wie man Mitarbeiter behandelt, wie man mittlerweile bei uns 22 unterschied-liche Kulturen, Nationen, Sprachen, Religionen zu einem Team zusammenschweißt. Denn am Ende des Tages ist sich jeder Hoteldirektor im Klaren darüber, dass Mitarbeiter nicht wegen der Bezahlung zur Arbeit kommen. Die Mitarbeiter, die wegen der Bezahlung zur Arbeit kommen, sind spätestens nach einem Jahr wieder weg.

Sondern sie kommen, weil ihnen die Arbeit Freude macht, oder selbst an Tagen, wo es ihnen keine Freude macht, sie das Gefühl haben, dass sie ihre Kollegen nicht hängen lassen wollen. Das funktioniert tatsächlich alles nur über den Teamgedanken. Ich habe hier im Haus Geschwisterpaare arbeiten, ich habe hier Mutter und Tochter arbeiten, ich habe hier Bruder und Stiefbruder, Schwager und Schwägerinnen, also tatsächlich Freundschafts- und Verwandtschaftsverhältnisse sind bei uns der treibende Grund, warum Mitarbeiter bei uns anfangen und auch bleiben.

Wir haben nach dreieinhalb Jahren unseren ersten Abteilungsleiter ersetzen müssen. Den konnten wir regional besetzen, mussten aber auch gleich noch drei andere Kollegen ersetzen. Und alle diese drei Kollegen kamen über den TikTok-Kanal einer Mitarbeiterin von uns. Die Mitarbeiterin postet schon seit rund einem halben Jahr, was uns gar nicht so bewusst war, immer mal wieder Dinge aus dem Hotel. Sie sagte dann zu mir: „Eine Azubine würde gerne zu uns wechseln“, und ich habe die Frage gestellt: „Woher hast du die denn?“— „Die hat mich auf TikTok angeschrieben, weil ich ihr vom Hotel erzählt habe. Ihr gefällt es nicht, wo sie jetzt ist, und ob wir Interesse hätten.“ Dann haben wir gesagt: „Wenn das funktioniert, dann starte doch mal einen Aufruf. Wir hätten ja gerade drei Stellen zu besetzen.“ Und wir haben diese drei Stellen innerhalb von vier Wochen besetzt, über ­einen Aufruf auf TikTok. 

Wie ist es gekommen, dass es so multikulturell geworden ist?

Vor dreieinhalb Jahren hat sich die erste Besetzung tatsächlich einfach nur durch Verfügbarkeit ergeben. Als wir angefangen haben, hatten wir einen hohen Anteil kroatischer Mitarbeiter. Was wir dann aber sehr schnell festgestellt haben: Wenn eine Nation zu ­dominant ist, führt das selten zu einer guten Vermischung mit den anderen. Und haben dann als Ziel ausgegeben: „Wir versuchen, neue Mitarbeiter reinzukriegen, aber das über Nationalitäten und Kulturkreise zu streuen.“ Wir haben das dann ganz gezielt gemacht, vor allem im asiatischen Raum, mit Kollegen, die ich dort kannte oder die mit mir früher zusammengearbeitet haben. Ich habe mittlerweile Mitarbeiter aus Vietnam, Thailand, Indien, Malaysia. 

Auch wenn wir Deutschen diese Eigenart haben, über dieses Land immer nur zu schimpfen und schlecht zu reden – es gibt einen Grund, warum 99 Prozent aller Einwohner anderer Länder zu uns kommen möchten. Und da ist auch tatsächlich Bad Griesbach ein interessantes Ziel.

Welche Herausforderungen gibt es denn trotzdem, wenn so unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen?

Unterschiedliche Temperamente – das muss man ganz klar sagen. Wir haben Mitarbeiter aus Syrien und Afghanistan, die wirklich als unbegleitete Flüchtlinge mit der Flüchtlingswelle damals zu uns gekommen sind. Die sind Abteilungsleiter oder stellvertretende Abteilungsleiter. Gleichzeitig habe ich Azubis aus Asien. Die einen sind emotional völlig ausladend. Man kann ihnen wirklich ihre Sorgen an der Stirn ablesen. Vom Temperament her muss das einfach raus bei denen. Sie meinen das auch gar nicht böse, aber wenn die einen Gefühlsstau haben, funktioniert das nicht.
Auf der anderen Seite habe ich Mitarbeiter aus Indonesien oder Vietnam oder Malaysia, die sich nie anmerken lassen würden, wie sie sich gerade fühlen. Die werden einfach immer alles weglächeln. Diese unterschiedlichen Temperamente auch zu moderieren im Umgang miteinander, das ist tatsächlich die kleine Herausforderung. Es funktioniert, weil ich denke, dass den meisten Mitarbeitern untereinander klar ist, dass der andere ihnen nichts Böses will, sondern dass es tatsächlich immer nur um die Sache geht und jeder versucht, den besten Weg zu finden, Herausforderungen zu lösen, nur dass die Wege unterschiedlich sind.

Solange ihnen das bewusst ist, dass es nie persönlich ist, sondern nur, dass jeder einen anderen Umgang mit Problemlösungen hat — und der ist einfach erziehungs- und kulturell bedingt — so lange kann das ganz gut funktionieren.
Gerade die ersten eineinhalb Jahre gab es sehr viele Moderationsgespräche, auch für mich, weil ich auch Dinge nicht verstanden habe. Also grundsätzlich nie verurteilend auf irgendein Verhalten zu sein, sondern neugierig zu sein, warum derjenige so reagiert. Wenn man das herausfindet, dann lassen sich diese Herausforderungen auch alle lösen.

Sehen Sie Vorteile dabei, dass die Aunhamer Belegschaft so multikulturell ist?

Ich denke nicht, dass deshalb extra Gäste zu uns kommen. Aber dadurch, dass wir absichtlich auch in Kulturen gesucht haben, wo Gastfreundschaft ein deutlich höheres Gut ist als in Deutschland: Wenn ich unsere Bewertungen anschaue, wenn ich unser Gästefeedback höre, dann ist die Aussage, dass unsere Mitarbeiter unglaublich freundlich, herzlich und engagiert sind. Und das kommt nicht von irgendwo, das kommt tatsächlich daher, dass es in ihrer DNA einfach verankert ist.

Das ist der asiatische Raum, in diesen Kulturen hat Gastfreundschaft einen anderen Wert als bei uns. Ich erinnere mich da gern zurück an eine ehemalige Kollegin in meiner Ausbildung bei Hilton. Erstes Wochenende bei Hilton und “Orientation Days. Da saßen dann 30 Kollegen, erstes Lehrjahr, um mich herum, und wir alle mussten sagen, warum wir diesen Beruf gewählt haben. Es waren die tollsten Antworten dabei. Meine war: „Ich möchte die Welt sehen”, und so weiter. Eine Kollegin hat damals für mich einen sehr seltsamen Satz gesagt: „Aus Freude am Dienen.” Ich war damals Anfang 20, hielt mich für relativ cool, und habe gedacht: „Gott, was stimmt denn mit der nicht?” Es hat vielleicht so 15-20 Jahre gedauert, bis ich es verstanden habe: Sie war die Einzige von uns, die die Grundvoraussetzung für diesen Beruf verstanden hat. Sie war diejenige, die kapiert hat, wenn ich mein positives Feedback, meine Befriedigung nicht daraus ziehen kann, anderen Menschen einen schönen Tag, ein schönes Erlebnis zu bereiten, dann werde ich mich in diesem Beruf nicht glücklich durchsetzen können.

Und das merke ich eben bei unseren vielen Nationen, bei unseren ausländischen Mitarbeitern, dass dieses Gefühl einfach noch da ist, Freude daran zu haben, jemanden zu bedienen, nicht als niedrige Tätigkeit zu sehen, sondern wirklich als höchste Kunst, einen Gast glücklich zu machen. Und ich glaube, das macht den Unterschied, indem wir uns ganz gezielt Nationalitäten oder Kulturkreise gesucht haben, wo Gastfreundschaft und auch — für Bad Griesbach vielleicht dann speziell wichtig — Respekt gegenüber Älteren tatsächlich ein immens hohes Gut ist.

Danke für das Gespräch! 

Interview: Michael Teodorescu

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Wie andere Hotelmanager mit den Herausforderungen der Branche umgehen lesen Sie zum Beispiel im Interview mit Ian Di Tullio, Minor Hotels, oder Neil B. Jacobs, SIx Senses.

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