Thomas B. Hertach, Leiter Netzwerk Culinaria und Küchenmeister, geht nach 49 Berufsjahren in den Ruhestand. Er hat das Netzwerk Culinaria seit dessen Gründung im Jahr 2004 maßgeblich aufgebaut und geprägt.
Mit seiner Initiative entstand eine einzigartige Plattform, die Unternehmen, Verbände und Praktiker aus der Gastro- und Gemeinschaftsverpflegungsbranche zusammenführt. Das Netzwerk widmet sich praxisnahen, hochwertigen und neutralen Fortbildungen und ermöglicht einen kontinuierlichen Wissensaustausch über Länder- und Branchengrenzen hinweg.
Rückblick auf erste berufsübergreifende Netzwerke
Hertach blickt zurück auf eine Zeit, in der es kaum bereichsübergreifenden Austausch gab. „Wir werkelten überall vor uns hin, jeder für sich in seinem Metier, ein echtes Netzwerk mit Partnern aus unterschiedlichsten Bereichen, die über den Tellerrand schauen, inklusive Austausch unter den Akteuren, das gab es noch nicht“, beschreibt er die Situation vor der Netzwerkgründung.
Heute kaum vorstellbar – erst in den 2000ern gründeten sich die ersten berufsübergreifenden Netzwerke zum ständigen Austausch, mit mehr oder weniger Fortbildung. Dabei ist es offenkundig: „In der Küche ist man nie allein. Wenn es nicht rund läuft, hängt es selten nur an einem Gerät, einem Bereich oder einem Posten.“ Sondern eher an den Abläufen, nicht angepassten Schnittstellen, kurz: am Prozess. Es ist heute der Anspruch von Netzwerk Culinaria, genau das unter die Lupe zu nehmen: das große Ganze, gemeinsam im Austausch.
Für Thomas B. Hertach stand genau das von Anfang an im Fokus, „alle zusammenzubringen, gerade auch die Praktiker der Branche für unser Netzwerk zu gewinnen.“ Heute sind das Deutsche Studierendenwerk DSW, der Verband der Küchenleitung VKK sowie der Arbeitskreis Gemeinschaftsverpflegung Köln langjährige Mitglieder und Partner des Netzwerks, das stetig gewachsen ist.
Netzwerkformate und Branchenevents des Netzwerk Culinaria etabliert
Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Veranstaltungsformate etabliert, die im Branchenkalender feste Größen sind.
- Besonders hervorzuheben sind die jährlich durchgeführte Trendtour, die meist per Fahrrad oder im Oldtimer-Bus durch Regionen führt,
- sowie die PlanCon-Events, bei denen Teilnehmer Begegnungen an besonderen Orten wie dem Europa-Park Rust oder auf hoher See erleben.
- Ebenfalls zu den Highlights zählt das traditionelle Get-together am Internorga-Samstag, das mit kulinarischen und musikalischen Highlights für viele hunderte Teilnehmer ein fester Termin ist.
- Darüber hinaus initiierte das Netzwerk Mitte der 2010er Jahre eine Informationskampagne zur Digitalisierung und Vernetzung in Profiküchen.
- Ein wegweisendes Pilotprojekt zum Thema HACCP und vernetzte Küchengeräte wurde 2018 in der Mensa Campo in Bonn-Poppelsdorf umgesetzt, das über mehrere Etagen die Vernetzung von Geräten demonstrierte.
- Die mehrtägigen Workshop-Termine mit Fokus auf Praxis, Technik und Networking runden das Angebot ab.
Den persönlichen Austausch und das Miteinander sieht Hertach als fundamentales Element: „Das Menschliche und das echte Netzwerken sind wichtig, und das persönliche Zusammenkommen ist und bleibt das Fundament unserer Branche – das hat uns die Corona-Zeit gelehrt.“
Thomas B. Hertach – Ossi, Bäcker, Koch und Smutje
Thomas B. Hertach wollte schon als kleiner Junge Koch werden. Und zur See. Beides hat geklappt – auf Umwegen. Mit 12 Jahren flüchtete der gebürtige Erfurter gemeinsam mit Mutter und fünfjähriger Schwester in den Westen. „Das hat mich geprägt, ein Leben lang.“ Ein Stück Papier in der Hand, wie eine Art Schatzkarte, mit handschriftlich aufgemalten Kreuzen und Markierungen, um etwaige Minenfelder und Militärposten zu umkurven, wagten die drei in einer Vollmondnacht an Bächen entlang einen Fußmarsch, von dem ihm noch heute jede Sekunde und Wegbiegung gegenwärtig ist.
Nach der Schule in Duisburg konnte er zunächst nicht den Beruf des Kochs ergreifen: „Ich wurde abgelehnt, wegen des Jugendschutzgesetzes – wir mussten ja in den Abendstunden arbeiten.“ Bäcker indes durfte er lernen, die Kochlehre absolvierte er danach.
Bei der Marine meldete er sich, weil er, wie er sagt, hoch hinauswollte: „Am liebsten in die Masten des Segelschulschiffs Gorch Fock.“ Aber man packte ihn tief unter Deck, in ein U-Boot, „einen echten Pisspott.“ Er blieb als Smutje sieben Jahre, meisterte die engste und kleinste Küche zeit seines Lebens. Wenn nicht hier, wo dann, lernt man Küchenprozesse kennen – oder aber, wie es nicht geht. Im Rückblick: „Meine schönste Zeit.“ Und mit Schmunzeln: „Wir entsprachen da wirklich jedem Klischee eines U-Bootfahrers.“ Details dazu lockerten stets jede Veranstaltung schlagartig auf.
Den Küchenmeister absolvierte er noch zu Zeiten der Bundeswehr bei der IHK Dortmund, anschließend ging es für ihn in Gastro- und GV-Betriebe, dann zu Herstellern wie Küppersbusch und Convotherm.
Seit dem Januar 2000 ist er bei Hupfer in Coesfeld tätig, rund zwei Jahrzehnte als Leiter der Anwendungsberatung, heute als Leiter der Hupfer Academy. Eine Zeit, auf die er mit viel Dankbarkeit zurückschaut.
Nachgefragt bei: Thomas B. Hertach, Leiter Hupfer Academy
„Dank meines Berufs konnte ich bei der Marine auf Hoher See richtig geile Jahre erleben, in Catering-Unternehmen und in der Industrie tolle Projekte anschieben, an vielen Stellen eine kreative Branche mit all ihren Facetten erleben – und nebenbei auch noch meine Frau kennenlernen.“
Thomas B. Hertach
Thomas, deine Kochlehre liegt über 45 Jahre zurück. Würdest du heute diesen Beruf nochmal ergreifen?
Okay, die Branche ist in schwierigem Fahrwasser. Aber Gegenfrage: In welch anderem Metier hat man mit einem Lehrberuf derart viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren, zu entwickeln, die Karriereleiter zu erklimmen?
Dank meines Berufs konnte ich bei der Marine auf Hoher See richtig geile Jahre erleben, in Catering-Unternehmen und in der Industrie tolle Projekte anschieben, an vielen Stellen eine kreative Branche mit all ihren Facetten erleben – und nebenbei auch noch meine Frau kennenlernen.
Wir haben viele Kollegen, die so unterschiedliche Wege und Winkel gefunden haben, ob nun im Lichte der Öffentlichkeit oder eher im Stillen am Wirken. Nicht jeder wird ein Tim Mälzer, aber wir sind doch alle in einem wunderbar verbindenden Beruf und können sehr viel bewegen, erreichen und Spannendes erleben.
Wie schaust du als Logistikexperte auf Robotik und Digitalisierung?
Die erste Revolution in den Profiküchen hat ein einziges Gerät bewirkt: der Heißluftdämpfer. Die Technik krempelte die Küchen, Aufgaben und Prozesse um.
Das passiert jetzt wieder, eine zweite Revolution steht an – mit Robotern, KI und Automatisierung. Es ist richtig spannend, und ich bedaure fast, nicht zehn Jahre jünger zu sein. Vielleicht würde ich nochmal hin zur Robotik-Branche wechseln.
Leider stehen die Profiküchen ganz am Anfang, wir blicken auf wenige Leuchtturmprojekte. Dabei ist Automatisierung für die Unternehmen und die weniger werdenden Kollegen und Kolleginnen immens notwendig. Wir brauchen mehr, die mutig sind und vorangehen. Es wird sicher noch lange dauern, bis wir einen echten Change in der Branche haben. Es sei denn, wir werden hierzulande mutiger, haben weniger Angst vor Fehlern. Wir haben keine Fehlerkultur, dafür eine breite Freigabe-Kultur. Das ist schade. Um es mit dem Unternehmensberater Peter Kitzki zu sagen: Es braucht mehr Adler und weniger Enten. (Tierische Erläuterung: Enten gelten als passiver und nicht proaktiv, halten sich beim Fliegen gerne bedeckt, bleiben im Schwarm und steigen auch nicht so hoch.)
Pflichtfrage an den Rentner in spe: Was hast du dir vorgenommen – außer nochmal heimlich in die Spielerkabine des FC Bayern zu gelangen?
Das Wichtigste: Meiner Frau nicht den ganzen Tag zu Hause mit einem Akkuschrauber in der Hand auf die Nerven zu gehen. Für die erste Zeit möchte ich den Kopf etwas frei bekommen, auf dem E-Bike, natürlich ohne Trinkflasche, ich will ja die Gastrobetriebe unterstützen. Ich werde sicher der Branche nicht ganz den Rücken kehren – dafür kenne ich zu viele Menschen, mit denen ich weiterhin sehr gerne in Kontakt bleibe.
Herzlichen Dank für das Gespräch! Claudia Dirschauer/Red. NC
Best Practice Klinikküche in Kopenhagen
Die Klinikküche des Herlev-Gentofte Hospital in Kopenhagen setzt in puncto Bio und Ernährungstherapie von Mangelernährung Maßstäbe. Mehr zu dem herausragenden Konzept.
Quelle: B&L MedienGesellschaft/ Netzwerk Culinaria